Katholikentag: Erste Bilanz der Verantwortlichen fällt positiv aus
Mit Debatten über den Zustand der Gesellschaft in Deutschland hat der Katholikentag seine Arbeit fortgesetzt. Dabei zogen die Veranstalter am Samstag in Erfurt eine erste Bilanz: Der Brückenschlag zwischen den mehr als 20.000 Teilnehmern und der vielfach nicht-christlich geprägten Stadtgesellschaft sei gelungen, sagte der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Söding.
Zumindest bis zum Nachmittag blieb das Katholikentreffen von Unwettern verschont. Die Veranstalter hatten per App vor drohenden Gewittern und starkem Regen gewarnt und angekündigt, in diesem Fall bestimmte Veranstaltungen zu streichen.
Özdemir: Katholikentag als Vorbild
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, das Treffen könne ein Vorbild für die gesamte Gesellschaft sein. Die Veranstaltung sei schon deshalb etwas Besonderes, weil man dort überall hochengagierte Menschen treffe, sagte der Grünen-Politiker der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und dem Portal katholisch.de. Beim Katholikentag bekomme man einen Eindruck davon, wie die Gesellschaft sein könnte, wenn sich alle mit Respekt begegnen, zuhören und ausreden lassen.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert lobt das klare Nein der katholischen Bischöfe zur AfD und hofft, dass andere dem Beispiel folgen. Das im Februar veröffentlichte Positionspapier der Bischofskonferenz sei eine "absolut gute und auch notwendige Wortmeldung", sagte Kühnert der KNA. "Das würde ich mir - von den Schützenvereinen bis von mir aus zu den Landfrauen – auch noch viel stärker wünschen."
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, es sei offenbar in Deutschland kein gesellschaftlicher Grundkonsens mehr, dass es Solidarität mit den Ärmsten der Welt geben müsse. Sie versprach, bis zur endgültigen Verabschiedung des Bundeshaushaushalts gegen die geplanten Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit zu kämpfen. Schulze unterstützte die von Brasilien vorgeschlagene globale Milliardärssteuer: Danach sollen die rund 3.000 Milliardäre weltweit etwa zwei Prozent pro Jahr für Hilfsprojekte zahlen.
Hasskommentare auf katholisch: Betroffene fast immer weiblich
Beleidigungen, Bedrohungen und üble Nachrede: Hate Speech im katholischen Umfeld unterscheidet sich von dem, was anderswo zu lesen ist. Darauf machte eine Diskussionsrunde beim Katholikentag aufmerksam.
Die Ministerin schickte in Erfurt einen begehbaren Lastwagen zum Thema "Eine Welt. Keine Sklaverei" auf die Reise. Zusammen mit dem katholischen Hilfswerk missio rief sie zum Kampf gegen Ausbeutung auf: "Es hat auch etwas mit uns in den reichen Ländern zu tun, dass Millionen Menschen weltweit von Zwangsarbeit, Zwangsheirat, Zwangsrekrutierung als Kindersoldat oder sexueller Ausbeutung betroffen sind." Der missio-Truck zeigt am Beispiel von Alltagsobjekten wie Smartphones, Orangensaft und Tee, wie verbreitet ausbeuterische Verhältnisse sind. Das Infomobil wird durch Deutschland touren und vor allem in Schulen haltmachen.
EU-Parlaments-Vizepräsidentin Katarina Barley wandte sich gegen Egoismus und Ellenbogen-Mentalität. "Unsere Gesellschaft ist schneller, kälter und auch unbarmherziger geworden", sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl. Immer mehr Menschen fragten nur, wie sie für sich am meisten rausholen könnten. "Aber nur noch wenige fragen, was sie für die Gemeinschaft und für andere tun könnten." Das sei auch eine Gefahr für die Demokratie.
Der Katholikentag steht unter dem Motto "Zukunft hat der Mensch des Friedens". Er geht am Sonntag mit einem festlichen Gottesdienst vor der Kulisse des Erfurter Doms zu Ende. Am Samstagabend wollte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu einer wertegeleiteten Außenpolitik äußern.
Auch Nicht-Christen angesprochen
Söding erklärte für die Veranstalter, er habe von keinerlei negativen Kommentaren der Erfurter zu den Veranstaltungen des Katholikentreffens gehört. Viele der kulturellen und religiösen Angebote bis hin zu den großen Gottesdiensten seien so offen gestaltet worden, dass sie das Interesse der Bürgerinnen und Bürger geweckt hätten.
In Thüringen sind Christen eine Minderheiten. Nur sieben Prozent gehören der katholischen Kirche an. Wie zuvor der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, bezeichnete Söding den dritten Katholikentag in Ostdeutschland seit der Wende als Zukunftslabor für eine Kirche in einer säkularen Gesellschaft. "Wir haben uns aus der Komfortzone herausbewegt." (KNA)