Theologin: Umgang der Kirche mit Frauen lässt einen hadern
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Auch wenn Frauen nicht das Priesteramt erlangen können, ist eine Kirche ohne sie nicht vorstellbar. Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich sogar in die Pflicht genommen, mehr Frauen in Führungspositionen einzusetzen. Dieses Vorhaben wird von einem Mentoring-Programm des Hildegardis-Vereins in Bonn unterstützt, das Stephanie Feder leitet. Warum ihr das so wichtig ist, erklärt sie im Interview.
Frage: Hauptberuflich arbeiten Sie beim Hildegardis-Verein in Bonn und sind Projektleiterin für "Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf". Dabei unterstützen Sie Frauen, die gerne eine Führungsposition in der Kirche einnehmen möchten. Für Frauen ist es aber nicht so leicht, in der katholischen Kirche Ämter einzunehmen. In welche Positionen möchten die Frauen denn gerne kommen?
Feder: Es gibt natürlich eine Menge Positionen, die Frauen gerne innehaben möchten. Wir fokussieren uns vor allen Dingen darauf, dass es noch eine Menge Positionen gibt, die Frauen auch jenseits der Frage nach der Weihe erreichen können.
Es gibt Studien von der Deutschen Bischofskonferenz, die alle fünf Jahre erhoben werden. Aktuell warten wir gerade auf eine. Es gibt zwei, die zeigen, dass es sehr wenige Frauen in Führungspositionen in der katholischen Kirche gibt.
Allgemein bekannt ist, dass es ein sehr hohes Engagement von Frauen in der Kirche gibt, aber dass die nicht an den entscheidenden Stellen sind, um mit entscheiden zu können. In den höchsten Führungsebenen waren es vor zehn Jahren 19 Prozent Frauen und vor fünf Jahren 23 Prozent. Wir gehen davon aus, dass es mindestens 30 Prozent braucht, damit sich eine Kultur verändert. Solange wir dieses Niveau nicht erreicht haben, ist das der eine Grund, warum wir noch so engagiert unterwegs sind, um das zu erreichen.
Auf der anderen Seite streben wir in diesem Kontext nach Gleichberechtigung. Ich denke dann immer, 30 Prozent sind ja gar nicht so viel, eigentlich müssten wir 50 Prozent einfordern. Welche Gründe gibt es, Frauen von diesen Ämtern fernzuhalten? Es liegt nicht an der Kompetenz. Es hat häufiger mit sozialen Aspekten zu tun – wie der Frage danach, wer die Care-Arbeit (Sorgearbeit) übernimmt. Das sind Elemente, wofür wir uns einsetzen.
Es gibt jetzt zum Beispiel solche neu geschaffenen Ämter wie zum Beispiel Amtschefinnen oder Verwaltungsleitungen, die direkt dem Generalvikar gegenübergestellt sind. Da sehen wir schon, dass es vereinzelt Frauen gibt, die das übernehmen. Das ist unsere Vision, die damit verbunden ist, Frauen auch an diese Positionen zu bringen, weil es die ja gibt. Die können männliche Laien, aber eben auch weibliche Laien einnehmen. Und warum sollten sie das nicht tun?
Frage: Dafür gibt es ein Mentoring-Programm. Wie sieht das ganz konkret aus?
Feder: Die deutschen Bischöfe haben sich verpflichtet, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Daraufhin hat der Hildegardis-Verein ein Mentoring-Programm zur Verfügung gestellt, dass das praktisch durchführt, weil das eine ist, sich zu verpflichten, und das andere ist die Frage: Wie können wir das denn überhaupt erreichen?
Das Programm ist 2015 eingestielt worden. Seitdem laufen jedes Jahr ein bis zwei Gruppen da durch. Heute haben wir über 200 Mentees, die an dem Mentorenprogramm teilgenommen haben. Das ist eine einjährige Veranstaltung.
Wir beginnen jetzt im Juni wieder mit einer neuen Gruppe. Die trifft sich dann zum Auftaktseminar, das heißt, die kriegen alles mit auf dem Weg, was sie brauchen. Die treffen sich dort das erste Mal mit ihrer Mentorin oder ihrem Mentor. Dann treffen die sich in den Zwischenzeiträumen immer wieder zu Gesprächen, um an ihren eigenen Themen zu arbeiten. Wir haben zwischenzeitlich immer noch mal Seminare, zum Beispiel ein Halbzeitseminar, wo wir einfach gucken, was bis dahin gelaufen ist. Wir legen noch mal inhaltlich etwas darauf, von dem wir denken, dass es gut ist, dass sich Frauen, die sich für Führungspositionen interessieren, mit diesen Themen auseinandersetzen. Zum Schluss gibt es noch ein Abschlussseminar.
Es gibt auch Projekte, die die Mentees ein Jahr lang über absolvieren, damit sie Führung erproben können. Die stellen sie zum Schluss noch mal vor. Dieses Abschlussseminar ist wie eine große Party, was total schön ist, weil man einfach super sieht, wie sich die Mentees in diesem einen Jahr entwickelt haben, weil sie einfach unglaublich viel Raum haben mit ihren eigenen Fragen und auch der Überlegung: Ist denn Führung in der katholischen Kirche überhaupt was für mich? Kann ich mir das vorstellen, habe ich die Fähigkeiten dafür?
Was besonders schön zu sehen ist, wie viele tolle Frauen wir in der katholischen Kirche haben, in der Hinsicht müssen wir uns überhaupt keine Sorgen machen.
Frage: Was kann man da bei Ihnen zum Beispiel gut lernen und was verändert sich dann im Laufe der Zeit? Womit gehen die Frauen dann wieder raus aus diesem Programm?
Feder: Ein großes Thema, das uns von Anfang an begleitet, ist die Frage nach der Sichtbarkeit. Die Business-Frau Tijen Onaran, die auch bei der "Höhle der Löwen" mit dabei ist, hat ein Buch geschrieben, das besagt, wer nicht sichtbar ist, findet nicht statt ("Nur wer sichtbar ist, findet auch statt", d. Red.).
Das ist ein wichtiger Aspekt. Frauen sind häufig eher zurückhaltend oder warten darauf, dass jemand sie anspricht. Sich mit den eigenen Talenten und mit dem, was man kann, in den Vordergrund zu stellen oder zu präsentieren, das ist etwas, was wir über das ganze Jahr hinweg mitnehmen. Wir nennen das "geglückte Sichtbarkeit". Das ist so ein Konzept, was dahintersteckt. Das haben die Mentees, glaube ich, dann immer sehr verinnerlicht.
Kfd-Vize Wuckelt: Papst-Aussage zu Frauen verletzt beide Geschlechter
Schon wieder ist der Papst mit einem verbalen Fehltritt in den Medien – nach Homosexuellen trifft es nun Frauen, die sich angeblich durch "Geschwätz" auszeichnen. Die kfd-Vizevorsitzende sieht darin ein Symptom für die Haltung von Franziskus.
Frage: Auch Papst Franziskus betont häufig, dass er sich stärker für Frauen einsetzen möchte. Wie kommt das Engagement von Franziskus, was das Thema Frauen in Führungspositionen angeht, bei Ihnen an?
Feder: Es ist grundsätzlich schon eine schwierige Frage. Mit der deutschen Kirche haben wir auch eine besondere Struktur, dass wir überhaupt so viele hauptamtliche Stellen in der Kirche haben. Wir haben viele Frauen, die zum Beispiel in Generalvikariaten oder Ordinariaten auch in nicht theologischen Berufen arbeiten, sodass das sehr pragmatisch ist.
Die Frage danach, wie das auf kirchlicher Ebene gehandhabt wird, ist sicherlich eine, die das Mentoring-Programm auch tangiert, aber es ist nicht die hauptsächliche Frage, die uns umtreibt. Der Hauptfokus liegt nicht auf der Frage zum Beispiel nach der Weihe oder was uns noch gestattet werden soll – so nenne ich das mal, sondern es geht vor allen Dingen darum, die Räume zu nutzen, die schon da sind, weil wir sehen, dass die auch noch nicht so intensiv von Frauen besetzt werden, wie sie besetzt werden könnten.
Frage: Wie finden Sie es denn grundsätzlich, wie die Kirche mit Frauen umgeht?
Feder: Ja, das ist schon eine gewisse Herausforderung. An vielen Stellen merken wir, dass es trotz Taufe, die uns ja irgendwie die gleiche Würde verleiht, noch mal Unterschiede gibt. Das hat sicherlich viel mit Tradition zu tun. Es hat auch was mit der Bibel zu tun, in der wir viele patriarchale Bilder finden, die sich so übertragen und womit man versucht, bestimmte Sachen zu begründen.
Das lässt einen schon hadern. Es ist schon wichtig, sich da immer wieder mit anderen Frauen zu solidarisieren, um immer wieder Energie zu haben, um den Weg weiter vorangehen zu können und nicht zu straucheln und auch aufzugeben, weil man denkt, das sind jetzt doch eher kleine Schritte, warum geht es nicht ein bisschen schneller.
„Was mich total beruhigt, ist, dass die Frauen da sind. Da brauchen wir uns überhaupt keine Sorgen zu machen.“
Frage: Warum ist es denn Ihrer Meinung nach auch so wichtig, dass Frauen Verantwortung in der katholischen Kirche tragen?
Feder: Nur dann wird sich eine Kultur verändern, wenn wir mindestens 30 Prozent einer bestimmten Gruppe mit beteiligt haben. Wir sehen schon jetzt, dass das positive Auswirkungen hat. Und das betrifft ja nicht nur Frauen, sondern im Hinblick auf die Care-Arbeit haben wir beispielsweise plötzlich mehr Männer, die Elternzeit nehmen können. Auch das ist ja ein großes Thema.
Wir haben mehr Möglichkeiten wie ein Top-Sharing, dass man zum Beispiel Führungspositionen aufteilt, dass sich zum Beispiel zwei Personen eine Führungsstelle teilen. Das sind alles wichtige Veränderungen, die unsere Arbeitskultur einfach braucht. Da spielen Frauen schon eine sehr große Rolle, weil sie das einfach noch mal anders einfordern, als das sonst gang und gäbe ist.
Frage: Haben Sie in dieser Hinsicht eine Vorstellung von der Zukunft – in zehn Jahren zum Beispiel?
Feder: Ich habe viele Vorstellungen von der Zukunft, wie das so gehen könnte. Was mich total beruhigt, ist, dass die Frauen da sind. Da brauchen wir uns überhaupt keine Sorgen zu machen. Da würde ich mir auch an vielen Stellen wünschen, da viel mehr auf Gottvertrauen zu setzen. Wir haben große Schwierigkeiten, bestimmtes Personal zu finden. Ich glaube aber, dass es da ist.
Wie wir zum Beispiel Stellen ausschreiben, wen wir damit ansprechen und wen wir aber eben auch nicht ansprechen, das sind Sachen, derer man sich annehmen muss, damit man das Personal erreicht, was da ist. Das wird sicherlich anders aussehen, aber ich glaube, dass es der Kirche vor allen Dingen als Arbeitgeberin guttun würde, alle diese Talente zu nutzen und diese Frauen zum Beispiel in Führung zu bringen. Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich. Die Frage ist, ob in den unterschiedlichen Bistümern diese Schritte gegangen werden können.