Münchner Kardinal erinnert an Massaker

Kriegsverbrechen von Weihbischof: Marx dankt für Versöhnungsinitiative

Veröffentlicht am 08.06.2024 um 14:35 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Als Soldat war Matthias Defregger an einem Kriegsverbrechen beteiligt, später machte er als Weihbischof Karriere. 80 Jahre nach dem Massaker tun Deutsche und Italiener das, was Defregger nie vermochte: Sie gedenken gemeinsam der Opfer.

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Am 7. Juni vor 80 Jahren ermordete die Wehrmacht unter dem Kommando des späteren Münchner Weihbischofs Matthias Defregger (1915-1995) in Italien 17 Zivilisten. Beim offiziellen Gedenkakt am Tatort in Filetto di Camarda in den Abruzzen wurde am Freitag ein Grußwort des Münchner Kardinals Reinhard Marx verlesen. Und ein Kranz des Erzbistums München und Freising am Mahnmal für die Toten niedergelegt.

Marx bedankte sich für eine Versöhnungsinitiative von Bürgerinnen und Bürgern aus Pöcking am Starnberger See, Defreggers letztem Wohnort. Eine Delegation unter Leitung von Bürgermeister Rainer Schnitzler hatte 2022 erstmals an dem Totengedenken in Filetto teilgenommen. 2023 kam es zum Gegenbesuch aus Italien und dabei auch zu einer Begegnung mit dem Münchner Kardinal. Zum 80. Jahrestag des Massakers ist eine Abordnung aus Pöcking erneut nach Italien gefahren. Eine nach Defregger benannte Pöckinger Straße wurde zwischenzeitlich in Filetto-Weg umbenannt.

Weihbischof sah bei sich keine Schuld

"Sie haben sich auf den Weg gemacht und Verantwortung für Versöhnung übernommen, obwohl Sie als Wohnort von Weihbischof Matthias Defregger nicht an seiner Tat beteiligt waren", schreibt Marx. "Sie haben getan, was wir von ihm selber schmerzlich vermissen."

Defregger bestritt eine juristische oder moralische Schuld wegen der Vergeltungsaktion für einen Partisanenüberfall auf einen deutschen Posten. Er berief sich auf Befehlsnotstand. Weder deutsche noch italienische Gerichte verurteilten ihn dafür. Historiker werten die Erschießung heute als Kriegsverbrechen.

Bild: ©KNA

Matthias Defregger war von 1968 bis zu seiner Emeritierung 1990 Weihbischof im Erzbistum München und Freising. Er starb 1995.

Der Kardinal bedankte sich bei den Bürgerinnen und Bürgern Filettos, "dass sie diesen Versöhnungsprozess mitgehen, und so neue Perspektiven entstehen für ein Zusammenleben in Frieden und gegenseitiger Verständigung". Dies sei "ein hoffnungsvolles Zeichen" in einer Welt, "in der Krieg wieder erschreckend zurückgekehrt ist". Marx bat zugleich um Verzeihung "für die Versäumnisse im Erzbistum", die "viel zu lange solche Schritte aufeinander zu blockiert haben".

Straflosigkeit "bis heute beschämend"

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) ließ ein weiteres Grußwort übermitteln. "Das Massaker in Filetto zeigt die ganze Brutalität der Besatzungsherrschaft des nationalsozialistischen Deutschlands in Italien", heißt es darin. "Dass die für dieses Verbrechen Verantwortlichen nie verurteilt wurden, ist bis heute beschämend."

Auch Roth dankte den Bewohnerinnen und Bewohnern Filettos dafür, "dass sie ihre Herzen für das gemeinsame Erinnern und Gedenken geöffnet haben" und sich "für eine lebendige und verbindende Erinnerungskultur" engagierten. Das europäische Projekt, das ohne Italien nicht möglich gewesen wäre, fuße auf dem "Nie wieder". Das sei ein Auftrag, "den wir gemeinsam erfüllen müssen". (KNA)