Früher beste Schulfreundinnen – jetzt Ordensfrauen im selben Kloster
Schwester Valentina Ramaj kommt aus Stublla, einem kleinen Ort im Kosovo, der heute zum Bistum Prizren-Pristina gehört. Ihr Heimatdorf "war sehr katholisch", erinnert sich die 41-Jährige. Auch ihre Eltern sind sehr gläubig. So gehörte der Besuch des Gottesdienstes für sie und ihre sieben Geschwister von Anfang an selbstverständlich dazu. "Wir haben viel zusammen gebetet", weiß Schwester Valentina noch. Schon als Kind beeindruckt sie das Leben von Ordensfrauen. "So wollte ich auch einmal werden." Eine ihrer Tanten war Vinzentinerin und lebte in einem Kloster. Dieser hatte Schwester Valentina einmal von ihrem Berufswunsch erzählt. "Das hat noch Zeit", erwiderte ihr die Tante damals. Doch für die damals 11-jährige Valentina stand längst fest: "Eines Tages werde ich Ordensfrau sein."
1998 brach der Kosovo-Krieg aus. Für Valetina Ramaj und ihre Familie begann damit eine schwere Zeit. Zu ihrer eigenen Sicherheit wurde sie in ein Internat gebracht, das von Ordensfrauen geleitet wurde. Die Regeln dort waren "richtig streng", weiß sie noch. Jeden Abend im Bett dachte sie darüber nach, das Kloster zu verlassen. "Doch am nächsten Morgen hatte ich alles wieder vergessen", blickt Schwester Valentina zurück. Damals quälten sie die Sorgen um ihre Eltern. "Ich wusste nicht, ob sie noch am Leben sind." Ein befreundeter Priester hielt heimlich Kontakt zu ihren Verwandten und wurde für sie eine wichtige Vertrauensperson im Kloster. "Mit dem konnten wir Mädchen über alles sprechen, wie mit einem Vater", blickt die 41-jährige Ordensfrau zurück.
Als eineinhalb Jahre später der Kosovo-Krieg vorbei war, konnte Valentina Ramaj wieder nach Hause zu ihren Eltern und Geschwistern. Sie war überglücklich. Doch ihr Heimatdorf war ausgebombt, die Schule zerstört. Nur ihr Wunsch, eines Tages in einer Klostergemeinschaft zu leben, "war noch immer da", sagt Schwester Valentina. Damals erlebte sie viele Ordensfrauen in ihrem Heimatdorf, die den Menschen dort nach den Kriegsereignissen beigestanden sind und sie mit dem Nötigsten unterstützt haben. "Ich wollte so werden wie sie."
Zu der Zeit wechselte die damals 15-Jährige Valentina Ramaj auf ein staatliches Gymnasium, das von Ordensfrauen betreut wurde. Dort lernte sie Edith Krasniqi kennen. Die beiden sind gleich alt und freunden sich bald an. "Wir kommen aus zwei unterschiedlichen Ecken aus dem Kosovo, doch Gott hat uns hier zusammengeführt", blickt Schwester Valentina auf die Zeit mit ihrer besten Freundin zurück. Die beiden Mädchen hatten in ihrer Schulzeit zwar manchen Konflikt durchgestanden, doch vor allem viel zusammen gebetet und gesungen. "Unser Glaube hat uns von Anfang an verbunden", sagt Schwester Valentina. Nach der Schule entscheiden sich die Freundinnen, in die Gemeinschaft der Vinzentinerinnen einzutreten. Doch die Eltern von Valentina Ramaj taten sich anfangs schwer mit der Entscheidung ihrer Tochter. Sie dachten, "weil ich ihre jüngste Tochter war, dass ich sie im Alter pflegen würde". Doch ihre Mutter vertraute ihr später an, dass sie immer dafür gebetet hatte, dass eines ihrer Kinder einmal ins Kloster geht, erzählt Ramaj. "So konnte ich ihren Wunsch erfüllen."
Ihr Dienst als Vinzentinerin brachte Valentina Ramaj auch an ihre Grenzen. Die Armut der Menschen nach dem Krieg im Kosovo war so groß, deren trostlose Situation bewegte sie sehr. "Ich merkte, ich konnte helfen so viel ich wollte, es reichte nicht", bemerkt die Ordensfrau nachdenklich. Aber mit Gottes Hilfe und der Unterstützung vieler Wohltäter ist ihr das dennoch gelungen.
In der Zwischenzeit lernte Schwester Edith über eine andere Ordensfrau, das ist Schwester Anna Maria Peric, die ebenfalls aus dem Kosovo ist und seit einigen Jahren in Deutschland lebt, die Ursulinen von Straubing kennen. 2011 fliegt sie zu Besuch dorthin und beschließt später, in das Kloster der Ursulinen in Straubing einzutreten. "Einige Jahre später bin ich auch dorthin", berichtet Schwester Valentina. "Wir beide wollten immer in die Mission gehen", freut sie sich, "nun wurde Deutschland unser Missionsland."
Im Ursulinenkloster in Straubing leben heute 14 Schwestern. Die meisten von ihnen sind über 70 Jahre alt. "Wir sind mitten in der Stadt und inmitten von drei Schulen", erzählt Schwester Valentina, die mit Schwester Edith zu den jüngsten Ordensfrauen der Gemeinschaft gehört. Beide sind 41 Jahre alt. Doch dass die anderen zum Teil viel älter sind, stört die beiden nicht. "Wir lernen so viel voneinander", sagt Valentina Ramaj. "Anfangs konnte ich kein Wort Deutsch sprechen", weiß die Ordensfrau noch. Eine Mitschwester hatte ihnen die Sprache beigebracht. Schwester Edith ließ sich sogar zur Ergotherapeutin ausbilden. Beide Ordensfrauen arbeiten heute in einem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Straubing.
Eine eigene Familie wünschte sich Schwester Valentina nie
Vor zwei Jahren, am 1. Mai 2022, haben die beiden Freundinnen gemeinsam ihre Ewige Profess gefeiert. Damit haben sie versprochen, auf Lebenszeit zu den Ursulinen gehören zu wollen. Das glückliche Lachen der beiden auf den vielen Fotos der Feier beeindruckt. Die Familien der beiden Ordensfrauen sind extra aus dem Kosovo angereist. Auch die Eltern und die Geschwister von Schwester Valentina waren dabei. "Mein Vater hat die ganze Messe über geweint", berichtet die 41-Jährige. Ihre Nichten haben sogar im Gottesdienst ministriert. "Diese Feier hat uns nochmals mehr miteinander verbunden", ist sie überzeugt. Schon immer wollte sie in einem Kloster leben. Eine eigene Familie wünschte sich Schwester Valentina hingegen nie. "Ich habe nichts verpasst", sagt sie deutlich. Die Ordensfrau ist froh darüber, dass der Heilige Geist sie ins Kloster geführt hat.
"Ich bin für das Leben im Kloster geboren", sagt Schwester Valentina Ramaj. Ihren schwarzen Habit und den schwarzen Schleier trägt sie jeden Tag gerne. Bei der Arbeit im Krankenhaus möchte sie von den Patienten und Kollegen am liebsten mit "Schwester Valentina" angesprochen werden. "Ich möchte nicht übersehen werden", erklärt sie. Denn ihr Leben stehe für "die Ganzhingabe an Gott". Wenn andere von ihr wissen wollen, warum sie im Kloster lebt und ob sie keinen Mann gefunden hat, dann antwortet sie meist freudig: "Ich habe noch keinen so schönen Mann gefunden wie Jesus es ist."
Die 41-Jährige zitiert einen Satz der Gründerin der Ordensgemeinschaft der heiligen Ursula, Angela Merici: "Seid miteinander durch das Band der Liebe verbunden, in dem ihr einander schätzt, euch beisteht und einander ertragt." Diese Verbundenheit mit anderen möchte Schwester Valentina Ramaj jeden Tag leben. Auch bei ihrer Arbeit auf der Station der Unfallchirurgie im Krankenhaus in Straubing. Wenn sie vor der Tür eines Patientenzimmers steht, bitte sie Gott immer darum, dass er wieder mit ihr dort hinein gehe und ihr beistehe. "Ich stelle mit Jesus immer mit offenen Armen vor", so die Ordensfrau der Ursulinen.
Manchmal jedoch hat sie Heimweh nach dem Kosovo, gesteht sie. Dann singt Schwester Valentina gemeinsam mit Schwester Edith. Es sind meist Lieder in ihrer kosovarischen Muttersprache. Auf einem eigenen Youtube-Kanal findet man sogar Musikvideos von den beiden und Videos von Schwester Edith, in denen sie geistliche Lieder mit dem Franziskanerpater Manuel Sandesh singt. Schwester Valentina telefoniert jeden Tag mit ihrer Mutter. "Sie fragt mich dann immer, wie es dem oder jenen Patienten ergeht und betet für sie", erzählt sie. "Da ist ein festes Band zwischen uns", so die Ordensfrau. Zu den Vinzentinerinnen im Kosovo und in Albanien, wo die beiden früher einmal zur Schule gegangen sind und dann als Ordensfrauen gelebt haben, haben sie weiterhin einen guten Kontakt. "Im Urlaub besuchen wir sie meistens", berichtet Schwester Valentina. "Sie freuen sich dann mit uns, dass wir endlich angekommen sind." Für die Ordensfrau und ihre beste Freundin ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.