Warum Manuel Sandesh die schlafende Kirche aufwecken will

Franziskanerpater: "Manche denken, ich bin ein Kasperl"

Veröffentlicht am 19.08.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ordensmann, YouTuber und Musiker: Das ist Pater Manuel Sandesh. Der Franziskaner liebt Musik, das Malen und studiert klassische Gitarre. Ganz nebenbei möchte er Vorurteile über die Kirche aufbrechen. Wie er das schaffen will, erzählt er im katholisch.de-Interview.

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Gleich zu Beginn des Telefongesprächs bietet er das Du-Wort an. Er lacht viel am Telefon und spricht ab und zu auf Englisch. Pater Manuel Sandesh kommt ursprünglich aus Indien und lebt seit wenigen Jahren im Franziskanerkloster in Wien. Mit eigenen Musikvideos auf seiner Internetseite und auf seinem YouTube-Kanal schafft er es immer wieder, auf sich und seine Botschaft aufmerksam zu machen. Wie ihm das gelingt, erzählt er im katholisch.de-Interview.

Frage: Pater Sandesh, ich kenne ein paar deiner Musikvideos. Manche sind schon verrückt…

Sandesh: Ich bin sehr glücklich, wenn ich das höre. Es gibt Leute, die meinen, dass ich kein echter Pater bin, weil ich so verrückte Sachen mache. Die fragen mich: "Bist du echt oder hast du dir deine Kutte nur geliehen?" Aber weißt du, der Heilige Franz von Assisi, der war auch so ein Verrückter. Er hat sogar eine neue Bewegung gegründet, weil er arm sein wollte, barfuß herumlief und ständig Kranke und Aussätzige umarmt hat. Das war damals verrückt.

Frage: Willst du auch eine neue Kirche gründen?

Sandesh: Oh nein, das möchte ich nicht. Ich will lieber meine schlafende Mutter Kirche aufwecken. Manches ist einfach so langweilig, was da in der Kirche abläuft. Ich liebe meine Mutter Kirche, aber sie schläft. Und wenn sie etwas falsch macht, dann sage ich es ihr auch. Und ich mache das eben über meine Musik.

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Frage: Welche Reaktionen bekommst du auf deine Musik?

Sandesh: Manche trauen mir nicht und nehmen mich als Künstler nicht ernst. Das macht es schwer für mich. Die denken, ich bin ein Kasperl, der sich über die Kirche lustig macht. Manche haben mir auch schon gesagt, ich solle lieber beten als Musik machen. Aber ich habe Erfolg mit meiner Musik. Manches ist verrückt, ja. Aber je verrückter meine Videos sind, desto mehr werden sie angesehen. Daher ist das alles, was ich mache, auch eine große Werbung für uns Franziskaner. Wir bekommen so mehr Spenden und mehr Leute kommen zu uns in die Kirche. Eine Frau hat mir mal auf Facebook geschrieben: "Hey, wenn du Rap in der Kirche singst, dann drehen sich meine Ahnen im Grab um. Du machst die Kirche zu einer Disko." "Ja", habe ich geantwortet: "Ich bin der DJ". Solche Leute haben eine ganz andere Vorstellung von dem, wie ich als Priester sein soll. Sie meinen, ich lebe zurückgezogen im Kloster und bete den ganzen Tag auf Knien.

Frage: Aber das machst du als Franziskaner doch auch?

Sandesh: Ja, aber ich knie keine Stunde lang. Ich rede viel mit konservativen Mitmenschen und brauche viel Kraft, um ihnen zu erklären, was ich mache und warum. Ich bin so wütend auf Priester, die eine strenge Theologie vermitteln. Ich bin in vielen Pfarreien unterwegs und kriege das dann auch mit, wie viele gleich vom Teufel predigen. Die machen den Menschen doch Angst mit einem strafenden Gott. Das finde ich nicht gut! Unsere Pförtnerin im Kloster hat mir erzählt, dass sie als Kind in einer Klosterschule war. Die Nonnen dort haben ihr verboten, in den Spiegel zu schauen. Sie musste in der Kirche immer gerade sitzen und still sein. Sie hatte solche Angst vor Gott gehabt und immer beim Beten gekniet. Was soll das alles, frage ich mich? So einen Gott will ich nicht vermitteln! So ein Gott erschreckt mich. Ich bete immer statt: "Herr, erbarme dich" lieber "Herr, umarme mich". Das ist doch viel schöner, oder? Der Mensch ist das Wichtigste, weil Gott uns liebt. So sollten wir miteinander umgehen.

„Eine Frau hat mir mal auf Facebook geschrieben: "Hey, wenn du Rap in der Kirche singst, dann drehen sich meine Ahnen im Grab um. Du machst die Kirche zu einer Disko." "Ja", habe ich geantwortet: "Ich bin der DJ".“

—  Zitat: Pater Manuel Sandesh

Frage: Wann hast du dein Talent für die Musik entdeckt?

Sandesh: Ich bin in Südindien aufgewachsen und habe mit neun Jahren begonnen, Gitarre zu spielen. Aber mein Lehrer war so streng, dass ich die Gitarre wieder weglegte. Mit 17 Jahren bin ich bei den Franziskanern eingetreten. Weil sie nebenan wohnten, habe ich mit ihnen schon als Kind Fußball gespielt. Da gehöre ich hin, dachte ich damals. Das waren auch so verrückte Leute. Und sie waren lustig. Kurze Zeit danach besuchte uns der österreichische Franziskanerprovinzial Pater Oliver Ruggrnthaler im Kloster. Er hat mich eingeladen, nach Wien zu kommen, damit ich dort Musik studieren könnte. Es gab damals auch wenige Mitbrüder dort, also bin ich 2014 nach Wien gekommen Ich habe begonnen, Gitarre zu studieren. Heute studiere ich Jazz und Pop am Konservatorium. Und es macht solchen Spaß. Natürlich haben manche gefragt, warum ich nicht Kirchenmusik oder Orgel studiere. Auch mein Guardian und meine Mitbrüder hier in Wien haben erstmal eine Weile gebraucht, um meine Musik zu verstehen. Aber jetzt unterstützen sie mich total.

Frage: War es für dich die richtige Entscheidung, ins Kloster zu gehen?

Sandesh: Ich liebe die Franziskaner, aber ich leide auch darunter, im Kloster zu leben. Ich wollte früher einmal eine Familie haben. Und natürlich habe ich mich mehrmals in Frauen verliebt. Ich bin ein Mensch, ich bin kein Roboter. Das Leben als Mönch ist oft nicht menschlich. Aber ich wusste schon beim Eintritt ins Kloster, ich muss mich an diese Regeln halten, sonst nehmen die mich nicht. Ich liege manchmal in meinem Bett und weine, weil ich leide. Da muss ich auch ehrlich sein. Ich finde, dass wir als Kirche ehrlicher zu den Menschen sein müssen. Denn sie spüren, wenn wir ihnen etwas vormachen. Die Gottesdienste werden leerer und leerer. Das hat verschiedene Gründe. Aber wenn wir bei der Wahrheit bleiben, dann machen die Leute wieder mit. Deshalb liebe ich Gott so. Gott kennt mich in- und auswendig und er akzeptiert mich trotzdem.

Bild: ©Marc Jarabe

Die bunte Kappe hat jemand in seiner Kirche liegen gelassen. Jetzt ist sie sein Markenzeichen: Franziskanerpater Sandesh Manuel.

Frage: Wie lautet dein nächster Song?

Sandesh: Ich schreibe gerade den Text zu einem Rap genau zu dem Thema: "Warum ist die Kirche leer? Warum beten sie nicht mehr? Geht es um einen Skandal, keiner in der Kathedral." Ich finde, wenn jemand aus der Kirche austritt, verliert er ja seinen Glauben nicht. Diese Menschen will ich mit meinen Liedern erreichen. Gott gibt ihnen Halt. "Du bist für sie da, ja. Ich möchte sie als Freunde haben." So geht der Text weiter. Wenn wir jeden Menschen so akzeptieren, wie er ist, dann haben wir verstanden, was Nächstenliebe bedeutet. Das ist Menschlichkeit. Menschlichkeit ist für mich die große Religion. Seien wir doch alle menschlicher zueinander! Und mit etwas mehr Humor, bitte!

Frage: Was bedeutet eigentlich dein Vorname, Sandesh?

Sandesh: Sandesh bedeutet "Botschaft". Meine Schwester heißt Suba, das heißt "Die Frohe". Und zusammen heißen wir: "Frohe Botschaft". Ist das nicht wunderschön? Meine Eltern haben uns nach der Bibel benannt, die genauso in meiner Muttersprache heißt: "Suba Sandesh". Das klingt nach einem ernsthaften Auftrag, oder?

Von Madeleine Spendier

Zur Person

Sandesh Manuel wurde 1980 in Bengaluru in Indien geboren. Mit 17 Jahren trat er im Franziskanerorden ein. Er studierte Philosophie, Indische Musik und Theologie. Im Jahr 2009 wurde er zum Priester geweiht. 2013 zog er nach Österreich und trat in den Franziskanerkonvent in Wien ein. Dort studierte er Klassische Gitarre, außerdem Jazz und Pop. Sandesh malt gerne, ist Musiker und betreibt einen eigenen YouTube-Kanal. Sandesh war zu Gast bei Sat1 So gesehen - Talk am Sonntag on Tour.