Warum Schwester Philippa Rath die Hoffnung nicht aufgibt

Ordensfrau zu Kirchenaustritten: "Möchte zum Bleiben ermutigen"

Veröffentlicht am 03.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Rüdesheim ‐ Schwester Philippa Rath zeigt sich gerne kämpferisch. Vor allem im Einsatz für berufene Frauen in der Kirche. In ihrem eigenen Leben hat die Benediktinerin mancherlei schwere Erfahrung bewältigt. Wie sie damit umgegangen ist, davon berichtet die Ordensfrau im Interview mit katholisch.de.

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Obwohl nicht wenige Menschen der Kirche den Rücken kehren und austreten, möchte Schwester Philippa Rath zum Bleiben ermutigen. In ihrem Leben habe sie gerade dort, wo sie Schweres erlebte, Momente der Hoffnung verspürt, berichtet die Ordensfrau in ihrem aktuellen Buch "Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen". Die Theologin und frühere Journalistin Rath, die sich als Mitglied im Synodalen Ausschuss für die Belange der katholischen Kirche in Deutschland engagiert, spricht im Interview mit katholisch.de darüber, woran sie festhält, wenn andere resignieren und sich entäuscht abwenden.  

Frage: Schwester Philippa, das Gesprächsbuch, das Sie gemeinsam mit Burkhard Hose herausgegeben haben, trägt den Titel: "Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen". Ist das ein Zitat von Ihnen?

Schwester Philippa Rath: Ja. Der Titel unseres neuen Buches spiegelt tatsächlich meine Lebens- und Glaubenserfahrungen sehr konkret wider. Ich lebe aus der Kraft der Hoffnung, die Mauern und Grenzen überwinden kann und immer neue Türen ins Offene hinein bereithält - trotz aller Gegenkräfte und Widerstände. Die Hoffnung ist für mich die treibende Kraft, die die Versuchung zur Resignation überwindet und ungeachtet aller Enttäuschungen das Leben in Gang hält. Sie bewahrt mich davor, aufzugeben und ermutigt mich, unbeirrt mit langem Atem an meinen Zielen und Idealen festzuhalten.

Frage: Was ist das Anliegen des Buches - gerade in einer Zeit, in der sich Menschen enttäuscht von der Kirche abwenden

Schwester Philippa: Mein wichtigstes Anliegen ist es, den Leserinnen und Lesern, den Menschen, denen ich begegne, Anteil zu geben an der Kraft der Hoffnung. Es stehen derzeit so viele Menschen auf der Kippe, viele haben unsere Kirche schon verlassen oder sind zumindest innerlich deutlich auf Distanz gegangen. In dieser Situation möchte ich Hoffnungszeichen setzen, Resilienz aufbauen, zum Bleiben ermutigen und persönlich davon erzählen, wie sehr mich die Hoffnung durch mein ganzes Leben begleitet und getragen hat.

Frage: Warum engagieren Sie sich weiterhin für die Kirche, wo andere längst aufgegeben haben?

Schwester Philippa: Auch ich bin oft enttäuscht, manchmal auch wütend und fühle mich nicht selten ohnmächtig. Zu gehen wäre für mich aber keine Alternative. Dass im letzten Jahr schon wieder über 400.000 Menschen ausgetreten sind, ist für mich eher ein unüberhörbares Signal, dass die Reformen keinen Aufschub mehr dulden. Ich bleibe, weil ich überzeugt bin, dass unsere Kirche sich ändern kann und Veränderungen bereits in Gang sind. Veränderungen können jedoch nur von innen heraus auf den Weg gebracht werden. Dazu möchte ich beitragen.

Philippa Rath
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Meine Erfahrungen in der Kindheit und Jugend sensibilisierten mich schon sehr früh für Vorurteile, Ungerechtigkeiten, Ausgrenzungen und Diskriminierungen aller Art. Daraus speist sich mein Engagement für eine geschlechtergerechte Kirche", sagt die Benediktinerin Schwester Philippa Rath.

Frage: Sie berichten in dem Gesprächsband davon, dass Sie im Laufe Ihres Lebens verschiedene schwere Erfahrungen gemacht haben. Wie sind Sie damit umgegangen?

Schwester Philippa: Als Kind und in der Jugend habe ich sehr unter Ausgrenzung und Diskriminierung gelitten. Mein unbedingter Glaube, dass Gott jeden Menschen gleichermaßen und vor allem bedingungslos liebt, hat mir da sehr geholfen. Dieser Glaube wurde in mich Gott sei Dank schon sehr früh eingepflanzt. Das hat mich stark gemacht. Eine weitere Lektion habe ich auch schon früh gelernt: Wir müssen vieles immer wieder neu vergeben, nicht siebenmal, sondern 77-mal wie es im Matthäusevangelium (Mt 18,22) heißt. Bestimmte Lebenswunden können jederzeit wieder aufbrechen. Im Rückblick denke ich, dass meine Erfahrungen in der Kindheit und Jugend den Sinn hatten, mich schon sehr früh für Vorurteile, Ungerechtigkeiten, Ausgrenzungen und Diskriminierungen aller Art zu sensibilisieren. Daraus speist sich auch mein Engagement für eine geschlechtergerechte Kirche. In meinem klösterlichen Leben gab es dann einige sehr schwere Jahre, in denen ich meine sehr früh an Alzheimerdemenz erkrankte Schwester, unsere Schwester Christiane, bis zu ihrem Tod begleitet und gepflegt habe. Das war eine sehr herausfordernde Zeit und gleichzeitig durfte ich dabei die einzigartige Würde und den unschätzbaren Wert eines schwerkranken Menschen hautnah erleben. Mein Glaube wurde in diesen Jahren nicht selten auf die Probe gestellt. Hier habe ich erlebt, dass Auferstehung mitten im Leben möglich ist, und dass die Hoffnung mich nicht zugrunde gehen lässt.

Frage: Für viele Menschen in der katholischen Kirche, vor allem für Frauen, die sich zu einem Weiheamt berufen wissen, sind Sie eine starke Hoffnungsträgerin. Wie gehen Sie damit um?

Schwester Philippa: Es ist tatsächlich so, dass Burkhard Hose und ich durch unser Engagement und unsere Bücher für nicht wenige Menschen, die im Glauben verunsichert sind und deren Hoffnung auf Veränderung in der Kirche immer mehr schwindet, zu Hoffnungsträgern geworden sind. Das wird uns zumindest immer wieder rückgespiegelt. Wie oft hören wir Menschen sagen: "Weil Sie so eine Hoffnung ausstrahlen und trotz allem dabeibleiben, bleibe ich jetzt auch erst einmal und mache weiter." Ich empfinde das als eine große Verantwortung, manchmal als Belastung, der ich mich aber stellen möchte. Ich denke in diesem Zusammenhang immer wieder an ein Buch von Elisabeth Lukas: "Binde deinen Karren an einen Stern". Das heißt: "Häng dich an jemanden, der noch Hoffnung hat, der diese Hoffnung verkörpert und ausstrahlt und sie konkret mit seinem Leben bezeugt". Genau das habe ich in Krisensituationen in meinem Leben selbst oft getan.

Bild: ©Hannah Audebert / Netzwerk Berufener Frauen

Für viele Frauen in der Kirche - wie etwa Mitgliedern des "Netzwerks Berufener Frauen*" hier bei einem Treffen in Stuttgart - ist Schwester Philippa Rath eine Hoffnungsträgerin.

Frage: Sie beharren darauf, eines Tages weibliche Diakoninnen oder Priesterinnen in der katholischen Kirche selbst erleben zu können. Ist das nicht eine trügerische Hoffnung?

Schwester Philippa: Ich erinnere in diesem Zusammenhang an ein Zitat aus der Bibel in Römer 8, 24: "Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung." Insofern "beharre" ich nicht auf einer "trügerischen Hoffnung", sondern erwarte die Erfüllung meiner Hoffnung und der so vieler Frauen auf der Welt, dass endlich Gerechtigkeit einziehen möge in unserer Kirche. Manche lachen über mich, wenn ich so spreche, halten mich für naiv und unrealistisch. Aber ich bin überzeugt: Wer auf Hoffnung setzt und an ihr festhält – trotz allem –, der braucht Stärke und Mut. Tomáš Halík hat in seinem Buch "Nachmittag des Christentums" einmal von der "Torheit der Hoffnung" gesprochen. Eine solche Torheit der Hoffnung versuche ich zu leben.

Frage: Es gibt Ordensfrauen, die sagen, dass Sie keine Kraft mehr haben, immer wieder auf Geschlechtererechtigkeit in der Kirche zu drängen. Warum ist das bei Ihnen anders?

Schwester Philippa: Ich bemühe mich sehr, Verständnis für diese Mitschwestern zu haben und weiß, welch enormer Druck von außen dahintersteckt, gerade für diejenigen, die im Leitungsdienst sind. Es ist einfacher, wenn man/frau kein Leitungsamt innehat. Damit lässt es sich freier sprechen und agieren. Die Kraft für mein Engagement und mein unerschöpfliches Hoffnungspotenzial hole ich mir vor allem im Gebet  und in der täglichen Schriftlesung. Und auch in dem großen Rückhalt, den ich immer wieder von sehr vielen Frauen und von vielen Männern, sogar Verantwortungsträgern in unserer Kirche, erfahre. 

Frage: Sie sind Mitglied im Synodalen Ausschuss der deutschen Kirche. Was bewegt Sie mitzukämpfen, obwohl vieles aussichtslos erscheint?

Schwester Philippa: Ich tue das einerseits aus meiner inneren Überzeugung heraus, dass unsere Kirche nur als wirklich synodale Kirche eine Zukunft hat und deshalb die synodalen Strukturen auf Dauer installiert werden müssen. Zum anderen deshalb, weil der Weg der Reformen für mich unumkehrbar ist. Es gibt noch sehr viel zu tun und manches nachzuarbeiten, was im Synodalen Weg nicht zu Ende gebracht werden konnte. Nicht zuletzt gilt es, die konkrete Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges in den Diözesen zu begleiten und dann die sich neu stellende Fragen aufzugreifen. Da braucht es Menschen mit Einsatzbereitschaft und Mut. Und vor allem braucht es die Kraft der Hoffnung.

Von Madeleine Spendier

Buch "Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen"

Das Buch "Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen" von Schwester Philippa Rath und dem Theologen Burhkard Hose ist 2024 im Herder-Verlag erschienen. In dem Gesprächsband berichten die Rüdesheimer Benediktinerin und der Würzburger Hochschulpfarrer sehr persönlich über das, was ihnen Hoffnung gibt. Das Buch kostet 22 Euro.