Selbst angeklagter Erzbischof geht in Gegenoffensive

Viganò klagt Papst Franziskus des Schismas und der Häresie an

Veröffentlicht am 01.07.2024 um 11:36 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Seit über 1.000 Jahren gilt in der Kirche ein Rechtssatz: "Der Papst kann von niemandem vor Gericht gezogen werden." Der selbst wegen Schismas angeklagte Erzbischof Viganò versucht es trotzdem – und verschärft seine Vorwürfe gegen Franziskus.

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Der wegen Schismas vom Glaubensdikasterium angeklagte Erzbischof Carlo Maria Viganò geht in die Gegenoffensive und beschuldigt nun selbst den Papst des Schismas und der Häresie. Am Wochenende veröffentlichte der Ex-Nuntius auf der Webseite seiner Stiftung ein Manifest, in dem er erneut bekräftigt, die Autorität von Papst Franziskus und seiner Kurie nicht anzuerkennen. Das Manifest ist auf den 28. Juni datiert, den letzten Tag der Verteidigungsfrist, die ihm das Glaubensdikasterium vor zwei Wochen gesetzt hatte. Viganò will seine Stellungnahme nicht als persönliche Verteidigung verstanden wissen, sondern als "Verteidigung der heiligen Kirche Christi": "Vor meinen Brüdern im Episkopat und dem gesamten Kirchenkörper klage ich Jorge Mario Bergoglio der Häresie und des Schismas an, und als Häretiker und Schismatiker fordere ich, daß er verurteilt und vom Thron entfernt wird, den er seit über elf Jahren unwürdig besetzt hat."

Überschrieben ist die neue Erklärung mit den Worten "J’accuse" ("Ich klage an"). Viganò bezieht sich damit auf den offenen Brief des französischen Schriftstellers Émile Zola, mit dem dieser 1898 eine Wende in der Dreyfus-Affäre herbeigeführt hat und der als Synonym für mutige öffentliche Äußerungen gegen Machtmissbrauch steht. Der französische Offizier Alfred Dreyfus war zu Unrecht des Landesverrats beschuldigt worden.

Würdigung des schismatischen Erzbischofs Lefebvre

Der Papst kann eigentlich gemäß Kirchenrecht vor keinen Richter gezogen werden. Für Viganò ist das aber kein Hindernis: Seine Anklage widerspreche dem Grundsatz nicht, "denn es ist klar, daß ein Ketzer, sofern er nicht in der Lage ist, das Papstamt zu übernehmen, nicht über den Prälaten steht, die über ihn urteilen". Konkret klagt Viganò, der schon zuvor mit der Unterstützung einer Reihe von Verschwörungsmythen aufgefallen ist, Papst Franziskus unter anderem wegen dessen Aufruf zur Impfung gegen das Corona-Virus und wegen des Geheimabkommens zwischen China und dem Heiligen Stuhl an.

Erneut beruft sich Viganò auf Erzbischof Marcel Lefebvre und zitiert den später aufgrund seines Schismas und unerlaubter Bischofsweihen exkommunizierten Gegner der Liturgiereform mit seiner Aussage vor dem Heiligen Offizium, der Vorgängerbehörde des Glaubensdikasteriums. Lefebvre hatte 1979 gesagt, er könne sich des Gedankens nicht erwehren, dass er sei, der über das Offizium urteilen solle. Weiterhin erkennt Viganò die Autorität des Glaubensdikasteriums, seines Präfekten und des Papstes nicht an.

Höchststrafe Entlassung aus dem Klerikerstand droht

Mit Ablauf der Verteidigungsfrist kann das Verfahren gegen Viganò nun weitergehen. Das Dikasterium hatte angekündigt, ihm einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen, falls er nicht selbst eine Prozessvertretung bestellt. Wer mit dieser Aufgabe betraut wurde, ist noch nicht bekannt. Die Straftat des Schismas ist mit der Exkommunikation als Tatstrafe bedroht, außerdem können weitere Strafen wie Aufenthaltsverbote, Geldbußen und das Verbot, geistliche Kleidung zu tragen, verhängt werden. Bei "andauernder Widersetzlichkeit" oder besonders schwerem Ärgernis können weitere Strafen bis hin zur Entlassung aus dem Klerikerstand verhängt werden. Eine Tatstrafe tritt bereits mit Begehung der Tat automatisch ein, ihre volle Wirkung erlangt sie aber erst durch eine formale Feststellung durch einen Strafprozess oder ein Strafdekret. Das Schisma gehört zu den schweren Verstößen gegen den Glauben, für die das Glaubensdikasterium als Gerichtsbehörde zuständig ist.

Viganò war ab 1973 im Diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls, zuletzt war er von 2011 bis 2016 Nuntius in den USA. Nach Ende seiner Amtszeit entwickelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker von Papst Franziskus, dem er persönliche schwere Versäumnisse im Umgang mit dem mittlerweile aus dem Kardinals- und Klerikerstand entlassenen Theodore McCarrick vorgeworfen hatte. In den vergangenen Jahren radikalisierte sich Viganò immer mehr und verbreitete vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Verschwörungsmythen, politisch sprach er sich für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin aus. Im vergangenen Dezember kündigte er an, ein traditionalistisches Priesterseminar in Mittelitalien gründen zu wollen. (fxn)