Neue Regeln für die Angestellten der Dombauhütte des Petersdoms

Gut katholisch, diskret und keine Tattoos – Arbeitsrecht im Vatikan

Veröffentlicht am 11.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ In Deutschland interessiert sich die Kirche fast gar nicht mehr dafür, was ihre Beschäftigten privat machen. Im Vatikan sieht es ganz anders aus – die neuen Regeln für Angestellte der Dombauhütte St. Peter sind sehr detailliert: Piercings und Tätowierungen haben keinen Platz im Petersdom.

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Die Kirche ist nicht irgendein Arbeitgeber. Sie verlangt von ihren Beschäftigten eine besondere Loyalität – bis ins Privatleben. In Deutschland ist davon im wesentlichen die Pflicht geblieben, als Arbeitnehmer am Sendungsauftrag der Kirche mitzuwirken, kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen und als Katholik nicht aus der Kirche auszutreten. Der Blick in die Schlafzimmer ist mit der jüngsten Reform der Grundordnung des kirchlichen Dienstes weggefallen: "Der Kernbereich privater Lebensgestaltung, insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre, bleibt rechtlichen Bewertungen entzogen", heißt es darin. Vielfalt – ausdrücklich auch die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten – wird als Bereicherung wahrgenommen.

Wer nicht bei einer kirchlichen Einrichtung in Deutschland arbeiten will, sondern im Vatikan, muss dagegen deutlich strengere Anforderungen erfüllen – und für manche Beschäftigte hat Papst Franziskus die Kriterien nun sogar noch höher gehängt, bis hin zu sehr kleinteiligen Auflagen. Ende Juni, am Hochfest Peter und Paul, hat der Papst eine Flut von Rechtstexten zur Organisation des Petersdoms in Kraft gesetzt: neben einem Statut und einer Geschäftsordnung für die Kanoniker von Sankt Peter wurde auch die Arbeit der Dombauhütte, der Fabbrica di San Pietro in Vaticano, umfassend geregelt. Zu einem Statut und einer Geschäftsordnung kommt eine eigene Ordnung für das Personal der Dombauhütte – und die hat es in sich: Nicht nur wird klar geregelt, wann die Sampietrini, die Arbeiter im Petersdom, ihre Uniform tragen dürfen (nur in der Arbeitszeit), dass Angestellte höflich sein müssen und Respekt vor den Heiligen Stätten und der Umwelt an den Tag legen müssen.

Eine Putzkolonne reinigt einen Beichtstuhl im Petersdom im Vatikan
Bild: ©KNA/Severina Bartonitschek (Archivbild)

Die Arbeitskleidung hat sauber zu sein – und darunter dürfen weder Tattoos noch Tätowierungen hervorblitzen.

Während die Arbeitsordnungen anderer vatikanischer Institutionen allgemein bleiben und eine angemessene Kleidung und ein angemessenes Erscheinungsbild verlangen, gibt es in der Dombauhütte ein ausdrückliches Verbot von sichtbaren Tätowierungen und Piercings – hier spricht das italienische Original auf englisch von "body piercings", wohl um Ohrringe von anderen Piercings abzugrenzen. Weltweit haben daher Medien damit aufgemacht, dass es nun ein Tattoo-Verbot für Vatikan-Angestellte gibt. Klar geregelt ist auch die Verschwiegenheit: Auf die werden die Beschäftigten verpflichtet, allgemein und insbesondere aufs päpstliche Geheimnis, dazu kommt ein Verbot, auf eigene Faust mit Medien über die Arbeit zu reden.

Arbeitsrecht kommt im Vatikan von oben

Dass nun die Arbeitsordnung der Dombauhütte in den Blick rückt, liegt an einer Besonderheit des Kirchenstaates. Im Vatikan gibt es kein weitgehend einheitliches Arbeitsrecht wie in der Kirche in Deutschland: In allen deutschen Bistümern gilt die Grundordnung als "Arbeitsverfassung" der katholischen Kirche, auf dieser Grundlage werden die Arbeitsbedingungen und Vergütungen in regionalen Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt. Für diese besondere Form der Aushandlung von Arbeitsbedingungen ohne Arbeitskampf wird der Begriff des "Dritten Wegs" verwendet – in Abgrenzung zum "Zweiten Weg", in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Not mit Streik und Aussperrung Tarifverträge aushandeln und dem "Ersten Weg", in dem die Arbeitsbedingungen einseitig durch den Arbeitgeber vorgegeben werden.

Im Vatikan wird der "Erste Weg" angewendet: Arbeitsbedingungen werden erlassen, sei es vom Papst, sei es vom Kardinalstaatssekretär, sei es vom Präfekten der vatikanischen Stadtregierung. 1991 wurde zwar die "Associazione Dipendenti Laici Vaticano", die Vereinigung der Laien-Mitarbeiter des Vatikans, offiziell anerkannt. Eine tariffähige Gewerkschaft, die Arbeitskämpfe führt und Arbeitsbedingungen aushandelt, ist sie aber nicht. Immerhin darf die Vereinigung einen Vertreter in den Rat des vatikanischen Arbeitsamt, des Ufficio del lavoro della Sede Apostolica (ULSA) schicken.

Das Amt wird zwar gerne wörtlich übersetzt als "Arbeitsamt" bezeichnet. Die Aufgabe der 1989 von Papst Johannes Paul II. gegründeten Behörde ist aber in erster Linie, gute Bedingungen für die Dienstgemeinschaft im Vatikan zu schaffen. Dazu gehört neben der Beratung der vatikanischen Institutionen in Arbeitsrechtsfragen auch eine Schlichtungsstelle – und das Sammeln der vielen verstreuten vatikanischen Arbeitsrechtsregeln: In der Rechtssammlung des ULSA finden sich derzeit unter der Überschrift "Regolamenti per il Personale" acht verschiedene Ordnungen, die grundsätzlich mit weltlichen Tarifverträgen vergleichbar sind, dazu einige Regelungen zum Arbeitsschutz, Altersvorsorge und Beihilfen – nur eben mit dem wichtigen Unterschied, dass sie einseitig von der zuständigen kirchlichen Autorität in Kraft gesetzt wurden. Der neue Regolamento für die Dombauhütte ist noch nicht aufgeführt.

Kirchlicher Lebenswandel, keine Vetternwirtschaft

Schaut man in die verschiedenen Arbeitsordnungen, gibt es einige Parallelen, was der Vatikan von seinen Beschäftigten erwartet: Es wird betont, dass bei der Einstellung die Bewerber bevorzugt werden, die sich bereits für die Kirche engagieren. Eingestellt wird nur, wer katholisch ist und nach den Grundsätzen der Kirche lebt, für die Einstellung müssen ein Empfehlungsschreiben des Pfarrers und Urkunden über Taufe, Firmung und gegebenenfalls kirchliche Eheschließung vorgelegt werden. Nicht beschäftigt werden kann, wer schon Verwandte in der Belegschaft hat – die Zeiten, in denen eine Vatikan-Stelle ein Familien-Erbhof ist, soll vorbei sein. Deshalb hat das Wirtschaftssekretariat vor einiger Zeit auch den Bewerbungsprozess transparenter gestaltet. Seit vergangenem Jahr ist die Stellenbörse des Vatikan online.

Petersdom am Abend mit Menschen auf dem Petersplatz
Bild: ©picture alliance / AP Photo | Emilio Morenatti (Archivbild)

Papst Franziskus hat einige neue Regeln für die Organisation des Petersdoms erlassen – auch fürs Arbeitsrecht. Denn das ist im Vatikan Chefsache.

Wer angestellt wird, wird nicht nur auf die Amtsverschwiegenheit verpflichtet, sondern muss auch das Glaubensbekenntnis ablegen. Während der Beschäftigung verlangen die Ordnungen von den Beschäftigten ein vorbildliches religiöses und sittliches Verhalten nach den Maßstäben der kirchlichen Lehre, ausdrücklich auch im Privat- und Familienleben. Die Mitgliedschaft in Institutionen oder Vereinigungen, deren Ziele nicht mit der Lehre und Disziplin der Kirche vereinbar sind, ist verboten. Verboten ist auch die Teilnahme an "Veranstaltungen, die nicht dem Wesen eines Mitarbeiters einer mit dem Heiligen Stuhl verbundenen Einrichtung entsprechen" – im italienischen Original steht hier ausdrücklich "manifestazioni", also Kundgebungen und Demonstrationen.

Für Angestellte vatikanischer Institutionen gilt so, was man über Beamte sagt: "Der Rock ist eng, aber warm." Verglichen mit deutschen Gehältern zahlt der Vatikan seinen Angestellten nicht besonders viel Geld, aus italienischer Perspektive ist das Salär aber durchaus passabel. Das Grundgehalt liegt zwischen 1.500 und 3.000 Euro, für leitende Angestellte zwischen 2.900 und 3.600 Euro, dazu kommen Zulagen und Entwicklungsstufen, abgezogen wird die Renten- und Krankenversicherung, aber keine Einkommenssteuer. Ansonsten sind die Bedingungen aber recht großzügig: 36-Stunden-Woche, 26 Feiertage, darunter der Namenstag und der Jahrestag der Wahl des Papstes, bei einer Fünftagewoche 22 Urlaubstage und 13 Gehälter, Sonderurlaubsregelungen für familiäre Ereignisse. Während des Pontifikats von Franziskus kam es aufgrund knapper Kassen aber auch schon zu Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen.

Alles ist also nicht in Ordnung im Vatikan: Jüngst kündigten Mitarbeiter der Vatikanischen Museen eine Sammelklage an, unter anderem wegen unbezahlter Überstunden. Auch die Vereinigung der Vatikanangestellten ist unzufrieden. Nach der Ansprache von Papst Franziskus zur katholischen Soziallehre in Triest am vergangenen Sonntag klagten die Arbeitnehmervertreter über die Diskrepanz zwischen Worten und Taten: Oft würde die Vereinigung nicht einmal angehört, an vielen Stellen im Vatikan empfinde man sie als Störfaktor. Die Vereinigung hofft auf eine stärkere Rolle des ULSA, kündigte aber auch selbst an, sich weiter für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen. Auf der Liste der Forderungen: bessere Arbeitsverträge, bessere Absicherung von Familien und ein Inflationsausgleich. Vielleicht gibt es also doch bald Arbeitskampf im Vatikan. Unterstützung könnten unzufriedene Beschäftigte im Katechismus finden. "Streik ist sittlich berechtigt, wenn er ein unvermeidliches, ja notwendiges Mittel zu einem angemessenen Nutzen darstellt", heißt es dort unter der Nummer 2435.

Von Felix Neumann