Vom Latein-Coach zur Pontifex-Stimme

Pfarrer synchronisiert Skandal-Papst in Netflix-Wikinger-Serie

Veröffentlicht am 06.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Nina Schmedding (KNA) – Lesedauer: 

Berlin ‐ Wie viele Menschen können noch Latein? Amtssprache ist es nur im Vatikan, dem kleinsten Staat der Welt. Seit Jahrhunderten fungiert es als Sprache der Kirche – was einem Pfarrer zu einem Job in der Filmbranche verhalf.

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Die alte Kaserne neben seiner neuen Wohnung im Berliner Seniorenstift – die machte Pfarrer Bernhard Lütkemöller schon länger neugierig. Eines Nachmittags, auf dem Weg zur S-Bahn, kam er mit Leuten ins Gespräch, die vor dem Gebäude in ihrer Mittagspause rauchten.

Es waren Tonstudio-Mitarbeiter der FFS Film- und Fernseh-SynchronGmbH, die seit 50 Jahren internationale Filme und Serien synchronisiert: insgesamt 7.000, darunter alle "Harry Potter"-Filme. "Das fand ich hochinteressant", erzählt Lütkemöller. Er fragte, ob er die Studios mal besichtigen dürfe – und ließ deshalb seine Visitenkarte da. "Pfarrer im Ruhestand, Diplom-Theologe", stand darauf geschrieben.

Wozu ein flüssig gesprochenes Latein, wie es viele Kleriker noch können, doch gut sein kann: Irgendwann meldete sich der Studioleiter tatsächlich bei dem pensionierten Pfarrer und schlug einen Deal vor: Er dürfe besichtigen – und vielleicht könne er ihm auch bei der Synchronisation eines Films weiterhelfen. "Es ging um 'Killers of the Flower Moon', einen US-Film von Martin Scorsese mit Leonardo di Caprio", erzählt Lütkemöller: "Da kam eine katholische Messfeier auf Latein vor, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts spielte." Der Film war für einen Oscar nominiert.

Pfarrer als Latein-Coach

Des Pfarrers Aufgabe war es nun zunächst, den Schauspieler, der den Priester sprechen sollte, zu coachen – ihm die richtige lateinische Aussprache beizubringen und auch zu sagen, worum es überhaupt ging. "Es war der Anfang des Hochgebets", so Lütkemöller – der erst selbst überlegen musste, was die in der Originalversion da überhaupt sagten: "Wenn amerikanische Schauspieler Latein sprechen, versteht man nix."

Kaum war dieser Auftrag erledigt, kam die Aufnahmeleiterin auf ihn zu: "Herr Pfarrer, ich hätte da noch was in Latein". Jetzt durfte der Geistliche nicht mehr nur beraten, sondern selbst den Text einsprechen: Lütkemöller sollte in der dritten Staffel der Netflix-Serie "Vikings: Valhalla", die zum Ende der Wikingerzeit spielt, die Stimme von Papst Johannes XIX. bei einer Audienz des Königs Knut mit seiner Gattin im 11. Jahrhundert synchronisieren.

„Die Stimme ist ein notwendiges Medium für den Broterwerb eines Priesters.“

—  Zitat: Bernhard Lütkemöller

"Salve, filia mea" (Sei gegrüßt, meine Tochter), so lautet einer der Sätze des Papstes zur Königin, die Lütkemöller im vergangenen Sommer einsprach. Dabei kam dem Pfarrer mit der tiefklingenden Stimme das Sprechtraining zugute, das er in seiner priesterlichen Ausbildung einst absolviert hatte – schließlich will man, wenn man in der Kirche predigt, ja auch richtig verstanden werden. "Die Stimme ist ein notwendiges Medium für den Broterwerb eines Priesters", so Lütkemöller.

Alle Weihen an einem Tag

Der Papst, den der aus Westfalen stammende Pfarrer synchronisiert, hatte indes keinen guten Ruf: Er galt als weltlich orientiert, habgierig und wankelmütig. Da er gar kein Priester war, erhielt er entgegen dem kirchlichen Recht alle Weihen an einem Tag.

Als brutal und actionreich wird die Serie beschrieben, die als Nachfolger der 100 Jahre vorher spielenden Netflix-Reihe "Vikings" gilt. Ein Thema, das immer wieder vorkommt, sind die anhaltenden Spannungen zwischen Wikingern, die an ihren alten Traditionen und Göttern wie etwa Odin festhalten, und jenen, die zum Christentum konvertiert sind.

Start der dritten und vorerst letzten Staffel der Wikinger-Serie ist der 11. Juli. Lütkemöller ist in der zweiten Folge zu hören. Anschauen will er sich die Serie nach eigenen Worten aber nicht – er habe keinen Netflix-Zugang, sagt der Pfarrer, dessen Stimme auch der Filmgesellschaft gefiel: "Ich darf wiederkommen, haben sie jedenfalls gesagt", erzählt er.

Von Nina Schmedding (KNA)