Standpunkt

Mit der Exkommunikation ist der "Fall Viganò" noch nicht erledigt

Veröffentlicht am 08.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Matthias Drobinski – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Exkommunikation von Erzbischof Viganò ist aus Sicht von Matthias Drobinski folgerichtig. Und doch sei der Fall damit nicht erledigt. Viganò stehe für einen Teil der Kirche, für den Papst Franziskus mit seinen Reformen Verrat am Glauben begehe.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Man könnte den Fall des nun aus der katholischen Kirchengemeinschaft ausgeschlossenen einstigen Papst-Botschafters Carlo Maria Viganò für einen tragisch-skurrilen Einzelfall halten. Ein anerkannter vatikanischer Diplomat taucht während und nach der Corona-Pandemie hinab ins Reich der Verschwörungsideologien. Er wandelt sich vom konservativen Papst-Kritiker zum reaktionären Papst-Hasser und lehnt mittlerweile die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Selbst die traditionalistische Piusbruderschaft distanziert sich von ihm, die 1988 mit der römischen Kirche brach. Die Exkommunikation ist da nur folgerichtig.

Und doch ist der Fall damit nicht erledigt. In seiner Radikalität und seinem selbstzerstörerischen Furor mag Viganò besonders sein. Er steht aber doch für jenen Teil der katholischen Kirche, für die es ein Verrat am Glauben ist, wenn Papst Franziskus vorsichtig (und auch widersprüchlich) Türen zu mehr Vielfalt in der katholischen Kirche öffnet. Er gehört wie die Kurienkardinäle Robert Sarah aus Guinea und Gerhard Ludwig Müller aus Deutschland zu den Wortführern eines sich fundamentalisierenden Teils der katholischen Kirche. Unter den Bischöfen sind sie eine Minderheit, aber sie haben Macht und Einfluss. Und sie haben politische Unterstützung, von Donald Trump bis Viktor Orban, von den Rechtspopulisten in Europa und Amerika.

So gesehen ist Viganòs Exkommunikation Teil der großen Auseinandersetzung, welchen Weg die katholische Weltkirche gehen wird. Wird sie sich als identitäre Kirche verstehen, in polemischer Abgrenzung zum Rest der Welt? Oder als Teil einer offenen Weltgemeinschaft, in die hinein sie die Botschaft des Evangeliums bringt, gegen alle Menschenfeindschaft und alles Feindesdenken? Der Ausgang ist offen, die identitäre Versuchung groß. Denn die Sache mit dem Pluralismus ist mühsam und anstrengend; sie verlangt die Selbstrelativierung einer Kirche, die sich traditionell als Hüterin der Wahrheit sieht. Die Weltsynode im Oktober wird zeigen, ob dieser Weg möglich ist.

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Chefredakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.