Bernd Bornhorst antwortet auf den "Standpunkt" von Volker Resing

Misereor-Chef: Ein Checkup für die Entwicklungshilfe? Na klar!

Veröffentlicht am 07.07.2024 um 12:20 Uhr – Von Bernd Bornhorst – Lesedauer: 

Aachen ‐ Am Montag hat Volker Resing in seinem "Standpunkt" kritisch auf die kirchliche Entwicklungshilfe geschaut und einen Checkup gefordert. Heute antwortet ihm der Misereor-Geschäftsführer Bernd Bornhorst. Er weist vor allem einen Kritikpunkt zurück.

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In einem "Standpunkt" hat Volker Resing am Montag auf katholisch.de einen Checkup der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit und mehr Selbstreflexion angesichts drohender Etatkürzungen im Bereich Humanitärer Hilfe gefordert.

Machen wir einen Checkup an dieser Stelle. Die Darstellung, dass sich kirchliche Entwicklungszusammenarbeit einer kritischen Reflexion verweigert, trifft nicht zu. Kaum ein Politikbereich ist so gut evaluiert wie die Arbeit nicht-staatlicher Entwicklungszusammenarbeit. Misereor ist dabei eine von vielen Organisationen, die in Deutschland jährlich einen Evaluierungsbericht der Projekte herausgeben und mit den Projektpartnern stetig Wirkungsanalysen erstellen.

Entwicklungszusammenarbeit hat große Erfolge erzielt

Selbstverständlich gibt es in der internationalen Zusammenarbeit gute und weniger erfolgreiche Projekte. Mit Recht dürfen Steuerzahler*innen und Spender*innen erwarten, dass ihr Geld effizient und wirkungsvoll eingesetzt wird und einen Beitrag zur Lösung globaler Probleme leistet. Und da, wo sich ein Ansatz als nicht zielführend erwiesen hat, werden neue Wege beschritten. Und es stimmt, kirchliche wie auch andere Entwicklungsakteure müssen sich einer kritischen Reflexion unterziehen und sich ihrem eigenen kolonialen Erbe und der Frage nach Machtstrukturen und Abhängigkeiten immer wieder neu stellen. Und das tut sie auch.

Checkup: Entwicklungszusammenarbeit hat in den letzten Jahrzehnten große Erfolge erzielt: Seit 1990 ist der Anteil der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, von 35,9 auf 8,4 Prozent im Jahr 2019 gesunken. Zum ersten Mal haben mehr Menschen Zugang zu Medikamenten gegen Aids, als es Menschen gibt, die sich neu mit HIV infizieren. Millionen Kinder in Subsahara-Afrika besuchen erstmals eine Grundschule und Impfkampagnen verhindern Millionen Masern- oder Malariatote. Die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Lebensjahr sterben, hat sich seit 1990 mehr als halbiert.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Bernd Bornhorst ist seit 2021 Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit beim katholischen Entwicklungshilfeswerk Misereor.

All das wäre ohne staatliche und nicht-staatliche Entwicklungszusammenarbeit nicht möglich gewesen. Oft spielt kirchliche Entwicklungszusammenarbeit dabei eine besondere Rolle, denn sie wirkt auch dort, wo staatliche oder privatwirtschaftliche Strukturen nur schwer Fuß fassen. Dies gilt für Länder wie Myanmar, Afghanistan oder Venezuela. Dort erreichen wir Menschen, die sich mutig für soziale und gesamtgesellschaftliche Veränderungen in ihren Ländern einsetzen und die sonst niemand im Blick hat.

Kürzungspläne der Regierung sind "kurzsichtig und gefährlich"

Checkup: Entwicklungszusammenarbeit ist Bildungs-, Wirtschafts- und Gesundheitspolitik. Sie ist Klimapolitik und Sicherheitspolitik. Jede Art nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit verringert die Wahrscheinlichkeit von Krisen, Konflikten, Armut und Vertreibungen. Global gesehen ist Entwicklung das wichtigste Betätigungsfeld der Industrieländer, das nicht nur den benachteiligten Menschen im Globalen Süden ein würdiges Leben ermöglicht, sondern auch uns im Globalen Norden Frieden und Wohlstand sichert. Internationale Zusammenarbeit beim Klimawandel ist der Schlüssel bei der Unterstützung des Globalen Südens auf dem Weg zu einer gerechten und nachhaltigen sozial-ökologischen Transformation, die uns allen eine lebenswerte Zukunft sichert.

Checkup: Die aktuellen globalen Herausforderungen erfordern nicht weniger, sondern mehr internationale Zusammenarbeit. Dazu braucht es multilaterale diplomatische Initiativen ebenso wie massives humanitäres Engagement, um so Grundlagen für gesellschaftliche Befriedung und stabile Staatlichkeit in Krisengebieten wiederherzustellen. Und es braucht eine internationale Zusammenarbeit, um die Ursachen menschenunwürdiger Lebensbedingungen von rund 800 Millionen Menschen auf unserem Planeten, die in absoluter Armut leben, ebenso zu bekämpfen wie die bereits hereingebrochene Klimakatastrophe. Dass die Bundesregierung vor den aktuellen Herausforderungen plant, im Bereich der internationalen Zusammenarbeit massiv zu kürzen, ist daher kurzsichtig und gefährlich.

Von Bernd Bornhorst

Der Autor

Bernd Bornhorst (*1962) ist seit 2021 Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit beim katholischen Entwicklungshilfeswerk Misereor.