Den Schöpfer durch die Schöpfung loben
"Laudato si", das klingt heute nach dem fröhlichen Lied, das am Lagerfeuer und im Kindergottesdienst so zu Hause ist wie am Strand von Mallorca. Und so stellt man sich auch den Autor des Sonnengesangs vor, den heiligen Franz: Ein von Gott beseelter Schwärmer, wie ihn Franco Zeffirelli in seinem Musical-Film "Bruder Sonne, Schwester Mond" 1972 dargestellt hat, ein junger Mann, der den Tieren predigt und die Vögel füttert, wie ihn Giotto in seinen Fresken zeigte.
Als der heilige Franz das Lob der Schöpfung dichtete, war er aber nicht mehr dieser junge, fröhliche Mann. Erst mit 43 Jahren, von Krankheit gezeichnet, fast blind, mit schmerzenden Wundmalen an den Händen dichtete er das "Laudato si". Der Überlieferung nach soll er es in der Kirche San Damiano geschrieben haben. Andere Quellen verlagern die Entstehung nach San Fabiano, wo Franziskus die Hilfe eines Arztes für seine Augenleiden suchte. Dort soll er in einer Felsengrotte unter einem einfachen Haus gewohnt haben, dem einzigen Raum, in dem es dunkel war und kein Rauch vom Herdfeuer seine empfindlichen Augen erreichte. In dieser dunklen Kammer entstand der größte Teil einer der schönsten Lobpreise Gottes.
Später fügte Franz noch weitere Strophen dazu, die über den Frieden, "Gelobt seist du, mein Herr, durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen" wohl angesichts einer friedensstiftenden Vermittlung durch den Heiligen in seiner Heimatstadt.
Lob Gottes durch seine Schöpfung
Im Sonnengesang scheint die tiefe Frömmigkeit des Heiligen auf: Er ist kein naives Lob der Natur, sondern ein Lob Gottes durch seine Schöpfung. Keine Selbstverständlichkeit im 13. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Natur sehr prosaisch betrachtet wurde: Nützlich in der Landwirtschaft, aber auch tückisch: Schon damals wurde der Wettersegen gespendet, in dem Gott angerufen wird, von Blitz, Hagel und Unwetter zu erlösen.
Ganz anders die einfache und poetische Frömmigkeit des Sonnengesangs, in dem Gott durch "Bruder Sonne" und "Schwester Mond" gelobt wird. Franziskus greift hier biblische Texte auf. Er spielt auf den Dankpsalm 148 an, "Sonne und Mond, lobt den Herrn, all ihr leuchtenden Sterne", und auf den Gesang der Jünglinge im Feuerofen aus dem Buch Daniel. Wenn Franz auch "Bruder Feuer" den Herrn loben lässt, dann erinnert das nicht nur an die jungen Männer, die angesichts ihres sicheren Todes ein Loblied anstimmen, sondern auch an sein eigenes Leiden: Mit glühenden Eisen an den Schläfen sollte sein Augenleiden kuriert werden, eine schmerzhafte Prozedur, die ihm keine Linderung brachte – und doch sieht er auch in der Kraft des Feuers Gottes gute Schöpfung am Werk.
Diese Frömmigkeit hat auch eine theologische Dimension: Nicht nur greift der heilige Franz das biblische Lob der Schöpfung auf und setzt es an die Stelle eines rein pragmatischen Umgangs mit der Natur, die nur Nutzen und Schaden wie im Wettersegen kennt. Das Lob des Schöpfers durch die Schöpfung wendet sich auch gegen das dualistische Weltbild der Katharer, einer Bewegung, die zu Franz' Zeiten in Italien und Frankreich aufkam: Scharf trennten sie die schlechte diesseitige Welt vom eigentlich Guten, dass es nur bei Gott und im Jenseits gebe – eine Sicht, die die Kirche schon früh verworfen hat. Gott sah, dass es gut war, heißt es im Schöpfungsbericht der Genesis, und so weist für den heiligen Franz die ganze Schöpfung auf die Größe des Herrn hin.
Beginn der italienischsprachigen Literatur
Auch literarisch hat der Sonnengesang eine große Bedeutung: Er ist einer der wenigen seiner Texte, der im umbrischen Dialekt seiner Heimat abgefasst ist, und nicht in der Verkehrssprache Latein. Überhaupt ist "Laudato si" der erste literarische Text in italienischer Volkssprache, so dass nicht nur die Theologie und die Gläubigen sich für ihn interessieren: Der Sonnengesang gilt als Beginn der italienischsprachigen Literatur; hunderte wissenschaftliche Aufsätze, dutzende Bücher wurden über ihn geschrieben. In der Kunst ist er ein beliebtes Motiv, unzählige musikalische Bearbeitungen liegen vor, von der süßlichen Filmmusik des Folksängers Donovan aus Zeffirellis Film über Franz Liszt und Carl Orff bis hin zum Klassiker des neuen Geistlichen Liedes "Laudato si".
Wie das Lied zu Lebzeiten des Heiligen geklungen haben mag, ist nicht überliefert. Sicher aber ist: Es wurde gesungen. Nicht selten soll Franz spontan in Gesang ausgebrochen sein, verzückt angesichts der Schöpfung. Eine Lebenshaltung, die ihm bis in die Todesstunde erhalten blieb. In der letzten Strophe des Liedes singt er von "Schwester Tod": "Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod" – ein Vers, der wohl tatsächlich in den letzten Stunden und Tagen seines Lebens verfasst wurde: Ein letztes Zeichen für die tiefe Geborgenheit in Gott, die der Heilige empfunden hat.
Vom Sonnengesang begleitet in den Tod
Die beiden Ordensbrüder, die ihn in den Tod begleiteten, bat er, den Sonnengesang für ihn ein letztes Mal anzustimmen – er selbst konnte schon nicht mehr singen:
"Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein lebender Mensch entrinnen.
Wehe jenen, die in schwerer Sünde sterben.
Selig jene, die sich in deinem heiligsten Willen finden,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und sagt ihm Dank und dient ihm mit großer Demut."
In den Kontext dieser Frömmigkeit stellt Papst Franziskus seine Enzyklika über die Schöpfung – eine klare, auch theologische Ansage: Franziskus folgt nicht einem von seinen Kritikern konstatierten "grünen Zeitgeist" und stellt sich auch nicht in den Dienst einer weltlichen Lobby. Vielmehr sieht Franziskus wie sein heiliger Namenspatron in der Schöpfung die Größe und Güte Gottes widergespiegelt: Christlich verantwortete, ganzheitliche Umweltethik heißt den Schöpfer im Geschöpf zu ehren, und aus diesem Geist, so der Untertitel der Enzyklika, Sorge für das gemeinsame Haus zu übernehmen.
Themenseite: Enzyklika "Laudato si"
Am 18. Juni 2015 wird die zweite Enzyklika von Papst Franziskus veröffentlicht. Sie trägt den Titel "Laudato si'" ("Gelobt seist du") tragen und sich als erste Enzyklika überhaupt vorrangig mit ökologischen Fragen beschäftigen.Text des Sonnengesangs
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.
Dir allein, Höchster, gebühren sie,
und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal dem Herrn Bruder Sonne,
welcher der Tag ist und durch den du uns leuchtest.
Und schön ist er und strahlend mit großem Glanz:
Von dir, Höchster, ein Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Mond und die Sterne;
am Himmel hast du sie gebildet,
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken
und heiteres und jegliches Wetter,
durch das du deinen Geschöpfen Unterhalt gibst.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Schwester Wasser,
gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Feuer,
durch das du die Nacht erleuchtest;
und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen um deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Drangsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster, werden sie gekrönt.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
Lobt und preist meinen Herrn
und dankt ihm und dient ihm mit großer Demut.