Kritiker werfen Erzbischof Zentrierung von Macht vor

10 Jahre Erzbischof von Köln: Protest gegen Woelki flammt wieder auf

Veröffentlicht am 11.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Andreas Otto (KNA) – Lesedauer: 

Köln ‐ Seit der schleppenden Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln gibt es eine Vertrauenskrise rund um Kardinal Rainer Maria Woelki. Zum zehnten Jahrestag seiner Ernennung zum Erzbischof von Köln wird die Kritik an dem Purpurträger wieder lauter.

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Es ist kein Termin zum Feiern. Am Donnerstag ist es zehn Jahre her, dass Papst Franziskus Rainer Maria Woelki zum Kölner Erzbischof ernannte. Denn unter ihm rutschte die Diözese im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung in eine massive Vertrauenskrise, deren Ende noch immer nicht abzusehen ist.

Vor mehr als zwei Jahren attestierte Franziskus dem Kardinal nach einer Untersuchung "große Fehler" in der Kommunikation und forderte ein Rücktrittsgesuch von ihm ein. Doch dies ist bisher unbeantwortet geblieben. Derweil trifft Woelki Entscheidungen, die er selbst als Modernisierung und Weg zu mehr Mitbeteiligung von Gläubigen bewertet. Kritiker indes sehen das ganz anders und werfen ihm vor, Macht auf sich und einen kleinen Kreis zu zentrieren.

Laien sehen sich "wegradiert"

Ein aktueller Streitpunkt ist der sogenannte Diözesanpastoralrat, kurz DPR. Dabei handelt es sich um das oberste Beratungsgremium des Erzbischofs, in dem Haupt- und Ehrenamtliche die Weichenstellungen in der Erzdiözese debattieren. Die Beschlüsse des Rats haben keine Bindungskraft für den Erzbischof. Und doch war es der Ort, wo heftig über den Kurs Woelkis debattiert wurde. Nun will der Kardinal den Rat reformieren und von 75 auf 51 Mitglieder verkleinern, wogegen sich vor allem die Vertretung der katholischen Laien mit gewählten Delegierten aus Pfarrgemeinden und katholischen Verbänden wendet. Der Diözesanrat, der mit 10 Leuten eine Art Fraktion im DPR bildete und sich als "Spiegel der Diözese" versteht, soll künftig nur noch zwei Abgesandte haben. Das Gremium bekundete die Befürchtung, "dass damit unsere Stimme mehr oder weniger wegradiert wird".

Woelki wiederspricht und verweist auf ein Novum: Neben 18 Vertretern verschiedener Gruppierungen sollen als Pendant 18 Laien in das Gremium einziehen – und zwar per Losverfahren, für das sich Interessierte bewerben können. Damit bekämen Menschen eine Stimme, die sonst nie eine Chance hätten, sich auf dieser Ebene einzubringen. "Demokratischer geht es doch kaum", so der Kardinal. Und die Vielfalt werde gestärkt. Kritiker bezweifeln, dass das Zufallsprinzip dazu beiträgt. Inzwischen signalisiert der Diözesanrat aber Dialogbereitschaft: "Eine Reform muss nicht im Streit enden."

Rainer Maria Woelki im Portrait
Bild: ©KNA/Bert Bostelmann

Kardinal Rainer Maria Woelki ist seit 2014 Erzbischof von Köln.

Ein weiterer Konfliktpunkt: der Multimediasender domradio.de. Er ist beim Bildungswerk des Erzbistums angedockt und mit einem Programmbeirat versehen, der für Vielfalt in der Berichterstattung steht. Nun wurden Pläne bekannt, wonach der Sender in eine gemeinnützige GmbH überführt werden soll. Dem Chefredakteur und dem Geschäftsführer wurde überdies ein weiterer Geschäftsführer zur Seite gestellt. Der Befürchtung, mit diesen Schritten wolle Woelki seinen Einfluss auf den Sender stärken, widersprach die Bistumsspitze. Die Vorsitzende des Bildungswerkes legte aber inzwischen ihr Amt nieder. Auch ihren Hauptjob als Leiterin des Bereichs Erwachsenenseelsorge im Generalvikariat gibt sie auf und geht schon mit 60 in Rente. Genauso wie domradio-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen, der mit 62 aufhört. Insider bewerten das vorzeitige Ausscheiden als Unmuts-Reaktionen.

Ein weiterer Aufreger ist die Nachbesetzung eines Direktoren-Postens. Das Katholisch-Soziale Institut (KSI) in der ehemaligen Benediktinerabtei in Siegburg braucht eine neue Leitung. Das KSI-Kuratorium aus 30 Personen wirft dem Erzbistum ein intransparentes Verfahren bei der Wiederbesetzung vor. Es verlangt, die Stelle auszuschreiben und/oder eine Findungskommission mit Beteiligung des Kuratoriums einzusetzen. Demgegenüber heißt es aus der Bistumsleitung, dass die Direktoren-Stelle laut Satzung vom Erzbischof frei besetzt werde. Zu Gerüchten, Woelki habe schon den Prorektor der von ihm vorangetriebenen Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) auserkoren, schweigt das Erzbistum.

Leitungsteam um Woelki

Woelki macht sein Ding – das sehen Kritiker auch in der Reform der Bistumsverwaltung. Bildeten dort früher zehn Hauptabteilungsleiter eine Art Kabinett um ihn, stützt sich der Kardinal jetzt auf ein Trio: den Generalvikar, den Finanzchef und einen neu eingestellten Verwaltungschef. Mit Blick auf diese Position spricht die Bistumsspitze indes von geteilter Leitung und Verantwortung – und von einem organisatorischen Weg in die Zukunft.

Wie es mit Woelki weitergeht, hängt entscheidend vom Ausgang der laufenden juristischen Streitigkeiten ab. Mehrere Klagen gegen die "Bild"-Zeitung hat der Erzbischof inzwischen überwiegend gewonnen, weil die Zeitung einige ihrer Behauptungen über seinen Umgang mit Missbrauchsfällen nicht beweisen konnte. Möglicherweise liefert die Staatsanwaltschaft Köln die Nachweise. Oder sie entlastet Woelki. Die Behörde ermittelt seit Monaten wegen des Verdachts des Meineids und falscher eidesstattlicher Versicherungen gegen den Erzbischof. Solange das Verfahren schwelt, wird sich auch der Papst nicht weiter zur causa Woelki äußern. Ermittlungsergebnisse wurden vage für den Herbst in Aussicht gestellt. Das wäre dann rund um den 20. September, wenn sich Woelkis Amtsantritt zum zehnten Mal jährt.

Von Andreas Otto (KNA)