Weiße Frau mit schwarzen Gedanken
Ihr Aussehen hat sie über die Jahre geändert, hin zu hellbrauner Haut und schwarzen, klein gedrehten Locken, angepasst an ihre innere Gefühlslage. "I identify as black", sagte die 37-Jährige jetzt in einem Fernsehinterview - und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus.
Ein Reporter einer Lokalzeitung in Idaho war zuvor auf Dolezal aufmerksam geworden, die bis zum Eklat Vorsitzende eines Ortsverbandes der "National Association for the Advancement of Colored People" (NAACP) war, eine der ältesten und einflussreichsten Bürgerrechtsorganisationen. Sie hatte, zuerst in Coeur d'Alene in Idaho, später in Spokane im US-Bundesstaat Washington, Beschwerden wegen Rassendiskriminierung bei der Polizei eingereicht; keine hatte sich als wahr herausgestellt. Das machte den Reporter stutzig. Er recherchierte, kontaktierte Dolezals Eltern, und die präsentierten dem Journalisten Fotos, die einen weißen, blondhaarigen Teenager zeigen. Die Mutter deutete indirekt an, ihre Tochter solle sich professionelle Hilfe suchen, um ihre Identitätskrise zu bewältigen.
Dolezals entzürnt die schwarze Community
Alle anderen sind entsetzt, ihre Freunde, ihre Kollegen beim NAACP, mehr oder weniger die ganze Nation, die ohnehin gerade heftig über Polizeigewalt gegen Schwarze diskutiert. Videos, die unbewaffnete Schwarze zeigen, die von weißen Polizisten erschossen und verprügelt werden, haben vielen erschreckend klar vor Augen geführt, dass die Rassendiskriminierung noch längst nicht überwunden ist. Eine weiße Frau, die behauptet, schwarz zu sein, muss da die schwarze Community erzürnen. Weil sie nicht die nach wie vor für Schwarze existierenden Benachteiligungen und Diskriminierungen in Schulen und an den Universitäten, im Job und auf der Straße ertragen muss. Und weil sie, wie es Collegeprofessor Michael Jeffries in einem Radiointerview erklärte, die freie Wahl hat, in eine komplett andere rassische Kategorie zu wechseln. Dunkelhäutigen hingegen sei der Zutritt zur streng gesetzlich und sozial kontrollierten "Weißheit" verwehrt.
Die wahre Identität?
Im Standpunkt hat sich Sophia Kuby Gedanken zu transgender und "transracial" gemacht.In der Tat hat Dolezal ihre Hautfarbe passend zu ihrem Lebenslauf eingesetzt. 2002 verklagte sie die Howard University, an der sie studiert hatte, wegen Diskriminierung - weil sie als Weiße auf der historisch schwarzen Einrichtung kein Stipendium bekommen habe. Bei ihrer Karriere beim NAACP dagegen dürfte eine (angeblich) schwarze Hautfarbe durchaus hilfreich gewesen sein.
Es gibt nur wenige Unterstützer
"Everybody wanna be a nigga, but nobody wanna be a nigga", zitiert der Boston Globe in einem Kommentar den Komiker Paul Mooney. Jeder will ein Nigger sein, aber keiner will ein Nigger sein. Die afro-amerikanische Kultur fasziniert Weiße; ihr Kleidungsstil, Vokabular, Habitus, alles Klischees zwar, aber immerhin gilt es als cool. Solange kein Polizist mit Waffe plötzlich vor einem steht.
Viele Unterstützer hat Dolezal nicht. Ihre beiden treuesten sind ihr Sohn und einer ihrer Adoptivbrüder. Ihre Eltern hatten seinerzeit - da war Dolezal selbst noch ein Kind - vier schwarze Kinder zu sich ins Haus geholt. Vor einigen Jahren erstritt die 37-Jährige vor Gericht das Sorgerecht für eines dieser Kinder. Wie Dolezal erzählt, hätten die beiden Jungen zu ihr gesagt: "Mom, von der Rasse her bist du ein Mensch, kulturell bist du schwarz."