Religionssoziologe sieht auch im profanen Bereich Formen des Reliquienkults

Ebertz: In Tournee von Acutis-Reliquie steckt pastorale Strategie

Veröffentlicht am 25.07.2024 um 09:29 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Warum verehren Katholiken das Herz eines verstorbenen Teenagers? Religionssoziologe Michael Ebertz erklärt das mit einer Sehnsucht – und sieht in der Tournee der Reliquie von Carlo Acutis eine Strategie einer bestimmten Gruppe in der Kirche.

  • Teilen:

Mit der Verehrung von Reliquien ist die katholische Kirche nach Meinung des Religionssoziologen Michael Ebertz keineswegs aus der Welt gefallen. "Man sieht verwandte Formen des Reliquienkults auch im profanen Bereich. Denken Sie an Popstars oder an Fußballstars, von denen man auch gerne irgendwelche Locken oder irgendwelche Klamotten haben möchte", sagte Ebertz am Donnerstag dem Kölner Internetportal domradio.de. Während manche Menschen in Sportstadien oder bei Konzerten große Emotionen erlebten, seien andere auf der Suche nach religiöser Ekstase. Er äußerte sich zur Verehrung der Herzreliquie des jugendlichen "Cyber-Apostels" Carlo Acutis, die gegenwärtig in verschiedenen Kirchen Deutschlands ausgestellt wird.

Ebertz, der an der Katholischen Hochschule Freiburg lehrt, verwies auch auf Rituale wie das Anzünden von Kerzen. "Es ist eine der beliebtesten symbolischen Handlungen der Menschen, auch von sogenannten Säkularen, nicht kirchlich Orientierten. Die machen das, und sie glauben irgendwie noch an etwas Höheres."

Gegensatz zwischen eher rational und intellektuell orientierten Gläubigen

Mit Blick auf die katholische Kirche zeichnete Ebertz einen Gegensatz zwischen eher rational und intellektuell orientierten Gläubigen und einer Richtung, die an Volksfrömmigkeit und ekstatischen Formen des Religiösen ausgerichtet sei. "Ich sehe diese Herztournee auch als einen Ausdruck einer pastoralen Strategie, einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen in der Kirche, die versuchen wollen, diese traditionellen Formen wieder nach oben zu bringen", sagte Ebertz.

"Wir haben Kämpfe darum, was als legitime Form des Christlichen gilt. Da sind wir mittendrin." Das gelte etwa auch für bestimmte Wallfahrtsorte wie Lourdes oder Fatima: "Dort versammeln sich auch bestimmte Fraktionen des Katholizismus und pflegen ihre Frömmigkeit. Da gehen andere Katholikinnen und Katholiken erst gar nicht hin." Das führe durchaus auch zu Konflikten und starken Irritationen, weil sich dann verschiedene Vertreter wechselseitig auch das Katholische absprechen könnten. "Trotzdem bleibt der Laden irgendwie noch zusammen, was einen manchmal schon verwundern kann." (KNA)