Vermeintliche Darstellung des "Letzten Abendmahls" sorgt für Diskussionen

Queere Kirchenvertreter zu Olympia: Alle gehören an Tisch des Herrn

Veröffentlicht am 30.07.2024 um 13:59 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Auch Tage nach der Olympia-Eröffnungsfeier sorgt eine Szene für Kritik in Kirchenkreisen: die Darstellung des "Letzten Abendmahls" von Travestiekünstlern. Queere Menschen innerhalb der Kirche äußern dagegen ihr Unverständnis. Sie fragen: Hätte Jesus eine Dragqueen von seinem Tisch verwiesen?

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Queere kirchliche Verbände und Kirchenvertreter haben mit Unverständnis auf die Debatte um die vermeintliche Inszenierung des Abendmahls bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris reagiert. "Alle Menschen sind Gottes Ebenbild, alle, alle, alle! Die ganze Buntheit und Vielfalt ist Gottes gutes Schöpfungswerk und sein Wille", sagte der Sprecher der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK), Thomas Pöschl, auf Anfrage von katholisch.de am Dienstag. "Deshalb dürfen auch alle auf Abendmahlsszenen mit Jesus dargestellt werden!" Jesus habe sich gerade mit Menschen am gesellschaftlichen Rand umgeben und sich ihrer angenommen. "Nur alte weiße Männer, wie auf Leonardos Wandbild, waren es bestimmt nicht, denen er in Jerusalem aufgetragen hat: 'Tut dies zu meinem Gedächtnis'", so der HuK-Sprecher.

Von Respektlosigkeit und "blasphemischer Verhöhnung eines der heiligsten Momente des Christentums", könne daher nicht die Rede sein, betonte Pöschl. So könne nur jemand sprechen, der "krampfhaft einen Vorwand für seine Ideologie der Ausgrenzung und Abwertung anderer Menschen, in diesem Fall queerer Menschen, sucht". Dragqueens und -kings hatten am Freitag bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris mit Tänzern und Performern auf einer Brücke über der Seine eine an das letzte Abendmahl Christi mit seinen Jüngern erinnernde Szene dargestellt und damit für Protest von zahlreichen Kirchenvertretern gesorgt.

Hendrik Johannemann, Berater im Forum "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" des Synodalen Wegs und Mitglied im Katholischen LSBT+ Komitee, zeigte sich schockiert über die Debatte. "Nicht wegen der Inszenierung an sich, sondern aufgrund der tiefsitzenden und empörungsbereiten Queerfeindlichkeit, die da aus vielen hach so 'christlichen' Mündern spricht", so Johannemann in einem Statement, das katholisch.de vorliegt. Die Szene als "Gotteslästerung" oder "Herabwürdigung" zu bewerten sei nur möglich, wenn man Queerness, Homosexualität und Travestie grundsätzlich negativ bewerte. "Und letzten Endes: wenn man queeren Menschen keinen Platz am Tisch des Herrn gewähren möchte."

Eines der am häufigsten parodierten Bilder der Welt

Das Letzte Abendmahl sei wahrscheinlich eines der am häufigsten parodierten Bilder der Welt. "Wenn man 'Letztes Abendmahl' googelt, kann man zahllose derart uminterpretierte Nachbildungen finden: mit Superhelden, Automechanikern, Dinosauriern und weltberühmten Popmusiker*innen rund um John Lennon, der Jesu Position im Bild einnimmt", betonte Johannemann. Die Darstellungen regten zum Denken an und seien manchmal auch provozierend. "Und doch ist das Ausmaß der Emotionen und Empörung kein Vergleich zu dem, was sich derzeit im Nachgang der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele tut." Die Olympischen Spiele würden von Millionen Menschen weltweit verfolgt. Viele würden queere Menschen jedoch am liebsten aus der Öffentlichkeit verbannen und unsichtbar machen. "Wie die Debatte um das Letzte Abendmahl von Paris zeigt, werden sie fast als das Gegenbild zu allem Christlichen stilisiert", kritisierte Johannemann. "Dabei ist diese Gegenüberstellung grundfalsch: Viele queere Menschen sind Teil der christlichen Kirchen, sie sind Nachfolger*innen Christi. Sie wollen so sein dürfen und selbstbestimmt leben, wie Gott sie geschaffen hat und ihren Glauben unbeschadet und ohne Angst leben können."

Angesichts der Nächstenliebe, die das Christentum predige und zu leben bestrebt sei, erscheine ihm die Empörung über das queere Abendmahl "geradezu absurd". "Hätte Jesus eine Dragqueen von seinem Tisch verwiesen? Hätte er eine lesbische Frau, eine Transperson, ein intergeschlechtliches Kind oder einen schwulen Mann aus seinem Kreis ausgeschlossen? Kann sich das ein Christenmensch ernsthaft vorstellen?", fragte Johannemann.

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Zuvor hatte unter anderem der Sportbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Stefan Oster, die Szene der Olympia-Eröffnungsfeier mehrfach kritisiert. Bei dem Spektakel sei deutlich geworden, "wie sehr im Grunde unser christliches Menschenbild auf dem Spiel steht", schrieb Oster auf seiner eigenen Internetseite. Christen, die ihren Glauben ernst nähmen, seien der eigentliche Gegner einer Gesellschaft, "die sich im atemberaubenden Tempo selbst säkularisiert", so der Passauer Bischof. Diese Kultur wolle immer bewusster Gott loswerden, damit der Mensch ganz in die eigene, freie Verfügung seiner selbst komme.

In einer Stellungnahme der DBK hatte Oster die Darstellung bereits am Samstag als "queeres Abendmahl" bezeichnet und sie als "Tiefpunkt" der sonst eindrucksvollen Eröffnung kritisiert. Die Bischofskonferenz veröffentlichte am Montag eine weitere Erklärung. Sie respektiere die künstlerische Freiheit und Vielfalt der Ausdrucksformen. Kritische Anmerkungen seien jedoch "angebracht und notwendig, wenn die Darstellungen zentrale Elemente unseres Glaubens und auch anderer Religionen berühren und das religiöse Empfinden der Gläubigen auf massive Weise verletzt wird", heißt es in der Erklärung.

"Blasphemische Verspottung eines der heiligsten Momente des Christentums"

Frankreichs Bischöfe hatten kritisiert, dass das Christentum durch die Darstellung verspottet und verhöhnt worden sei. Kritik kam auch vom Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben, Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, der von einer "blasphemischen Verspottung eines der heiligsten Momente des Christentums" sprach. Der Kulturbeauftrage der Polnischen Bischofskonferenz, Weihbischof Michal Janocha, sah hinter der Inszenierung eine "sehr aggressive Ideologie". " Sie predigt Toleranz, ist aber voller Verachtung und Gewalt gegen Andersdenkende, insbesondere Christen", heißt es in einem X-Posting der Bischofskonferenz.

Der bekannte Jesuit Klaus Mertes warnte dagegen auch religiöse Menschen davor, sich zu sehr über die Inszenierung zu ereifern. Wenn die Verletzung von religiösen Gefühlen zum Straftatbestand wird, dann sind wir der Willkür der Gefühle und der dadurch legitimierten Lynchjustiz ausgesetzt." Das heiße aber nicht, dass es aus guten Gründen nicht klug und auch menschlich sei, die religiösen Gefühle anderer nicht zu verletzen, sondern sie zu respektieren, betonte Mertes in einem Interview. "Man kann ja von ihnen vielleicht auch etwas lernen."

Das Olympische Komitee hatte infolge der Diskussionen über die Darstellung erklärt, dass aufseiten der Veranstalter keine Absicht bestanden habe, religiöse Menschen vor den Kopf zu stoßen. Der Regisseur der Eröffnungszeremonie, Thomas Jolly, erklärte, er habe weder das Christentum verhöhnen wollen noch das Abendmahl gemeint. Es sei viel ihm mehr um die Darstellung des griechischen Gottes Dionysos gegangen. Sowohl die DBK als auch Mertes zweifelten diese Interpretation an. Auch einige der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler bestätigten inzwischen, dass durchaus das Gemälde "Das Letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci parodiert werden sollte. (cbr)