Ehemaliges Rupnik-Atelier: Entfernung seiner Kunst ist "Cancel Culture"
Die Leiterin des von Marko Rupnik gegründeten Centro Aletti, Maria Campatelli, hat sich gegen eine Entfernung der Kunstwerke des Missbrauchsbeschuldigten ehemaligen Jesuiten gewandt. "Angesichts des wachsenden Drucks, die Kunstwerke des Centro Aletti zu entfernen, sehen wir uns jedoch gezwungen, unsere große Besorgnis über die weite Verbreitung der so genannten 'Cancel culture" zum Ausdruck zu bringen, die die 'Kriminalisierung' der Kunst legitimiert", schreibt Campatelli in einem Brief an die "Freunde des Centro Aletti".
Rupnik werden seit Jahren verschiedene Formen des Missbrauchs vorgeworfen. So soll er etwa eine Frau der von ihm gegründeten Loyola-Kommunität zum Geschlechtsverkehr gedrängt und sie in der Beichte später selbst vom Verstoß gegen das Keuschheitsgelübde losgesprochen haben. Mitte Juni 2023 wurde er aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen, nachdem er Auflagen gegen ihn offenbar ignoriert hatte. Rupnik wurde nach seiner Entlassung aus dem Orden in das Bistum Koper aufgenommen, aus dem er stammt. Das Glaubensdikasterium führt seit Oktober ein Verfahren gegen Rupnik.
Team sei es gelungen, "die andere Wange hinzuhalten"
Das Atelier warte auf die Ergebnisse der derzeit laufenden vatikanischen Untersuchung, die den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen gegen Rupnik prüfe, "der in den entsprechenden Foren stets entschieden bestritten hat, jemals die von den Anklägern beschriebenen Missbrauchstaten begangen zu haben", schreibt Campatelli in ihrem Brief. Eine der grundlegendsten Rechtsnormen sei die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Gerechtigkeit könne jedoch nicht mit Mitteln der Ungerechtigkeit verfolgt werden.
Campatelli dankte für die Unterstützung während der "fast 20 Monate dauernden Zeit der Prüfung, die wir gerade durchlaufen". Dank dieser Solidarität und Freundschaft sei es dem Team gelungen, "die andere Wange hinzuhalten und unsere Not zu überwinden, wenn sogar die Kunst zum Gegenstand von Angriffen und Zerstörungswut wird". Die Mitglieder des Ateliers lebten diese Zeit daher in dem Bewusstsein, "dass der grundlegende Kern des christlichen Lebens das Ostermysterium ist". "Indem wir in der Stille und im Gebet verweilen, auch für diejenigen, die uns anklagen, versuchen wir, dem österlichen Christus immer näher zu kommen, und zwar auf echte und lebendige Weise."
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Sie betonte zudem, dass die Kunstwerke des Ateliers nicht die Handschrift einer einzigen Person trügen. "Vielmehr ist der alleinige Urheber dieser Kunst die Gemeinschaft im Gebet und in der Kreativität von Dutzenden von Künstlern und Theologen, die aktiv an jedem einzelnen Projekt beteiligt sind, und zwar von Anfang an in Zusammenarbeit mit der örtlichen kirchlichen Gemeinschaft, die dieses Kunstwerk gewünscht, an seinem theologischen Plan mitgearbeitet und dann seine geistlichen Früchte gesammelt hat."
Durch Entfernung der Kunst entstünden weitere Leiden – auch für Gläubige
Die Entfernung eines Kunstwerks dürfe niemals als Strafe oder Heilung angesehen werden. Auch wenn die seelsorgliche Betreuung leidender Menschen notwendig sei, könnten durch die Entfernung und Verhüllung weitere Leiden entstehen – "nicht nur für die Künstler und Theologen, die an ihrer Verwirklichung mitgewirkt haben, sondern auch für viele Gläubige, die durch diese Kunstwerke die Möglichkeit hatten, das Wort Gottes zu betrachten, oft in einem schwierigen Moment ihres Lebens."
Im Juli hatten die Kolumbus-Ritter, eine katholische Laienorganisation, bestätigt, dass sie zwei Werke Rupniks verdeckt hätten. Der Präfekt des vatikanischen Kommunikationsdikasteriums, Paolo Ruffini, hatte im Juni betont, der Vatikan wolle weiterhin Kunstwerke des Künstlers verwenden. Es sei niemals eine gute Entscheidung, Kunstwerke zu entfernen, zu löschen oder zu zerstören. Außerdem sei der vom Vatikan angestrengte Missbrauchsprozess noch im Gange. "Als Christen sollen wir nicht urteilen", sagte Ruffini. Der Präsident der Päpstlichen Kinderschutzkommission, Kardinal Sean O'Malley, hatte in einem Brief dagegen gefordert, vatikanische Dikasterien sollten darauf verzichten, Kunstwerke mutmaßlicher Missbrauchstäter in ihrer Kommunikation zu verwenden. Er wünschte sich "pastorale Klugheit". (cbr)