Schwester Anne Kurz über das Sonntagsevangelium

Man muss die "Väter" hinter sich lassen, um den Vater zu finden

Veröffentlicht am 10.08.2024 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
Ausgelegt!

Venne bei Münster ‐ In der heutigen Lesung findet Schwester Anne Kurz einen Kontrast zu den hochmotivierten Athleten bei Olympia. Elija ist am Ende seiner Kräfte. Und auch Jesus muss sich mit der fehlenden Motivation seiner Gesprächspartner auseinandersetzen. Doch wie kann der Weg zum Vater gelingen?

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Vielleicht habe ich an einigen Tagen zu viel Olympia geschaut. Aber was für eine Faszination geht von Menschen aus, die das scheinbar Unmögliche versuchen und in den verschiedensten Sportarten ihr Talent, Können und ihre Motivation zeigen! Besonders diese Motivation beschäftigt mich: Wie kann man freiwillig so viel Disziplin und schweißtreibenden Einsatz aufbringen?

Um Motivation geht es heute auch in der ersten Lesung: Elija hat keine Motivation mehr. Erschöpft will er sterben und bittet Gott, ihm das Ende zu bereiten. Es bricht aus ihm heraus: "Ich bin auch nicht besser als meine Väter." Sein Motor zeigt auf "Null" und erzeugt keine Energie mehr. Was ihn bisher angetrieben hat, steht still. Er weiß nicht mehr, wer er ist.

Das scheint manchmal auch den Medaillengewinnern und -gewinnerinnen zu passieren: Sie haben das Ziel erreicht und schluchzen, schütteln ungläubig den Kopf, sitzen geschockt und bewegen sich nicht. Auch sie müssen neu anerkennen, wer sie nun geworden sind. Anzuerkennen, wer man ist, ist selbst bei einer positiven und erwünschten Veränderung nicht immer leicht.

Die Gesprächspartner Jesu im heutigen Evangelium sträuben sich gegen Veränderung. Ihr Glaube soll so bleiben wie immer – dann können auch sie bleiben wie immer. Den Ball schön flach halten: "Diesen Jesus kennen wir, seinen Vater und seine Mutter kennen wir." Man kann hinzufügen: "Uns selbst kennen wir. Unseren Glauben kennen wir. Es genügt, dass die Väter (und Mütter) damals in der Wüste das Manna gegessen haben. Brot von Gott brauchen wir heute nicht."

Jesus dagegen räumt ihnen eine "Olympia-Qualifikation" ein: Alle können Schüler und Schülerinnen Gottes sein. Das Prophetenwort, das Jesus hier ins Spiel bringt, ist bis heute nicht sehr bekannt. Wie kann ich Schülerin Gottes sein? Der Lehrer ist unsichtbar, der Stundenplan nicht ersichtlich. Was soll ich lernen? Vielleicht würde Jesus antworten: "Versuche, den Vater zu lernen." Jesus nennt Gott "den Vater". Er liebt ihn. Der Vater ist seine Motivation. Der Vater ist wie Brot und gibt das Brot.

Man muss die "Väter" hinter sich lassen, um jenes Brot zu finden, das der Vater ist. Elija muss die Väter aufgeben, die er übertreffen wollte. Die Glaubenden können sich nicht auf Vätern und Müttern ausruhen, die einmal vor langer Zeit das Manna aßen. Niemand kennt Jesus, weil er Maria und Josef kennt. Die Motivation, die von den "Vätern" kommt, macht nicht satt. Das Brot findet, wer den Vater findet, den Ursprung und die Quelle des Lebens. Das Brot findet, wer sich vom Vater ziehen lässt durch Liebe, Mitgefühl und Wahrhaftigkeit. Dieses Brot nährt, auch dort, wo Motivationen an ihr Ende kommen. So lernen wir, Brot zu sein, sei es im schweißtreibenden Einsatz, in der Nacht des Glaubens oder im Verkosten der Spuren Gottes.

Evangelium nach Johannes (Joh 6,41–51)

In jener Zeit murrten die Juden gegen Jesus, weil er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.

Und sie sagten: Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen? Jesus sagte zu ihnen: Murrt nicht! Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.

Bei den Propheten steht geschrieben: Und alle werden Schüler Gottes sein. Jeder, der auf den Vater hört und seine Lehre annimmt, wird zu mir kommen. Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen.

Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben.

Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.

Die Autorin

Anne Kurz ist Schwester der Gemeinschaft Verbum Dei. Sie ist Referentin für Liturgie im Bistum Hildesheim, Geistliche Begleiterin und Supervisorin in Ausbildung.

Ausgelegt!

Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.