Gute Politiker führen geistig und fischen nicht nur Stimmen ab
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Unsere neuen Rechtsextremen haben mit ihren Weimarer Vorläufern gemein, dass viele Konservative sie unterschätzen oder ihnen dank gemeinsamer Feindbilder ("Linksgrün", "woke" Liberale) sogar Gutes abgewinnen. Rechtsverhetzte werden als "Protestwähler" verharmlost, die der demokratische "Hauptgegner" zur AfD trieb. Solcher Exkulpation schoben die katholischen Bischöfe den Riegel moralischer Selbstverantwortung vor: "Wer Parteien wählt, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als 'erwiesen rechtsextremistisch' eingeschätzt werden, der stellt sich gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie." Nach der Radikalisierung der AfD mit Sturz dreier Vorsitzender darf man übersetzen: Wer die völkisch-nationalistische, Putin-affine Hass-Partei heute noch wählt, versündigt sich.
Die CDU-Spitze klingt anders. Generalsekretär Linnemann betont: "Viele AfD-Wähler sind keine Rassisten. Die wählen AfD aus Protest. Den kann man nicht verbieten." Wer will denn Protest verbieten? Stünde es christlichen Politikern nicht gut an, Extremisten-Wählern ins Gewissen zu reden, statt sie zu entschuldigen? Zumal die Mitte-Studie bei nur 7 Prozent der AfD-Sympathisanten keine rassistischen Einstellungen fand, bei je 10 Prozent keine fremdenfeindlichen, chauvinistischen und neurechten. Die Unterscheidung: hier böse AfD-Funktionäre, da eigentlich gutwillige, von links zur Verzweiflung getriebene AfD-Wähler, ist unterkomplex, eine konservative Projektion eigenen Ärgers und im Blick auf die angegriffene Demokratie und Menschenwürde verantwortungslose Schönfärberei.
Gute Politiker führen geistig, statt nur Stimmen abzufischen und sogar Extremisten-Wähler moralisch zu entlasten, ja zu bestätigen. Am Liborifest Kirchenlieder mitzuschmettern verleiht noch nicht den Geist der Unterscheidung. Er sollte aber spürbar werden, wo das "C" inspiriert. Das analytische Besteck der christlichen Sozialethik würde helfen. Doch die ausdrücklichen Bezüge auf sie im alten CDU-Grundsatzprogramm wurden im neuen 2024 getilgt. Symptom einer Orientierungsschwäche. Sie kann auch CDU-nahe Christen zu Protestwählern machen, nur anders als Linnemann denkt. So stößt die Union an die gläserne Decke bei 30 Prozent, schlechter als das schlechteste Wahlergebnis der alten "Hauptgegnerin" Merkel.
Der Autor
Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.