Standpunkt

Keine Kinder fürs Klima ist auch keine Lösung

Veröffentlicht am 13.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Juliane Eckstein – Lesedauer: 

Bonn ‐ Kürzlich hat Juliane Eckstein ein tiefgläubiges Paar getroffen, das sich angesichts der Klimakrise die Frage stellt, ob ein weiteres eigenes Kind ethisch vertretbar wäre. In ihrem Kommentar kann Eckstein aus katholischer Warte beruhigen.

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Um die Klimabewegung ist es ruhiger geworden. Ihr Anliegen scheint sich aber nicht erledigt zu haben, sondern ins Private gewandert zu sein. Kürzlich traf ich ein katholisches Paar, gläubige Kirchgänger, die sich aufrichtig mit der Frage quälten, ob ein weiteres gemeinsames Kind ethisch zu rechtfertigen wäre. Egoismus als wahrer Grund war auszuschließen, sie erwogen stattdessen die Inobhutnahme eines Pflegekinds.

Anlass für ihr Dilemma war eine Studie aus dem Jahr 2017, der zufolge keine Maßnahme so viel CO2 einspare, wie der Verzicht auf ein weiteres Kind (58,6 t). Ein Leben ohne Auto (2,4 t) oder ein Langstreckenflug weniger (1,6 t) würden sich dagegen lächerlich ausnehmen.

Nun könnte man argumentieren, dass in der katholischen Tradition Kinder als Geschenk Gottes gelten, dass viele biblische Texte eine pro-natalistische Einstellung widerspiegeln (Ps 115; 127; 128 uvm.) oder dass die Offenheit für Kinder zu einer katholischen Ehe wesentlich dazu gehört (can. 1055 CIC § 1).

Man kann aber auch mit der Studie selbst argumentieren. Beispielsweise legt sie den durchschnittlichen CO2-Ausstoß pro Person zugrunde und legt diesen auf jedes weitere Kind um. Ich vermute aber, dass der Pro-Kopf-Ausstoß in kinderreichen Familien geringer ist als im Durchschnitt.

Des Weiteren rechnet die Studie nicht mit Migration aus Niedrigemissionsländern in Hochemissionsländer. Aber genau diese findet derzeit statt. Unsere Gesellschaften kompensieren niedrige Geburtenraten durch Migration, und die Eingewanderten passen ihre CO2-Emissionen mit der Zeit den unsrigen an.

Schließlich legt die Studie den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der USA (20,18 t) zugrunde, den höchsten der Welt, und nicht etwa den Finnlands (6,53 t) oder Frankreichs (4,6 t). Sonst sähe die Rechnung anders aus.

Hinter dieser methodischen Kritik steht eine positive Nachricht: Wenn sich unsere gesamte Gesellschaft um einen niedrigeren CO2-Ausstoß bemüht, müssen sich Familien nicht die Frage stellen, ob ein weiteres Kind mit ihrem Klimagewissen vereinbar ist. Daher geht aus katholischer Warte beides zusammen: Der Einsatz für eine kinderfreundliche Gesellschaft und der Einsatz für niedrigere Treibhausgasemissionen.

Von Juliane Eckstein

Die Autorin

Dr. Juliane Eckstein ist Theologin und Alttestamentlerin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie vertritt derzeit den Lehrstuhl für Altes Testament an der Ruhr-Universität Bochum.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.