Sozialethiker entdeckt bei AfD-Ost-Wahlprogrammen Unterschiede
Seit Jahren beschäftigt sich der katholische Sozialethiker Alexander Filipovic wissenschaftlich mit der AfD. Erst im Juli erschien die von ihm und seiner Kollegin Marianne Heimbach-Steins verfasste Studie "Die Programmatik der AfD – eine Kritik", in der die Unterschiede zu Positionen der katholischen Kirche behandelt werden. Eine ähnliche Studie hatten die Wissenschaftler bereits 2017 erstellt. Das Ergebnis: Zwischen den Positionen der AfD und der katholischen Kirche sind die Differenzen größer geworden. Unter anderem sei das Völkisch-Nationalistische in der Partei stärker geworden und der Populismus deutlicher.
Die aktuellen Landtagswahlprogramme der AfD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg konnten in der Studie noch nicht alle berücksichtigt werden. Nun hat Filipovic einen Blick darauf geworfen. Sein Eindruck: Die AfD, deren Landesverbände in Thüringen und Sachsen vom Verfassungsschutz offiziell als gesichert rechtsextrem eingestuft werden, tritt bei den drei Ost-Landtagswahlen im September mit populistischen Unterschieden an.
"Abweichungen innerhalb einer Partei je nach Bundesland sind normal, weil es sich um unterschiedliche Lebenswirklichkeiten handelt. Die Wahlprogramme der AfD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zeigen jedoch Abweichungen aufgrund ihres populistischen Politikstils", sagte Filipovic am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). So sei es ein sehr interessanter Unterschied, dass die AfD in Sachsen und Thüringen in ihren Wahlprogrammen auf das Erbe des Christentums verweise, die AfD in Brandenburg jedoch nicht.
Verzicht auf Christentum in Brandenburg
"Es bleibt natürlich, wie bei anderen Dokumenten und Positionspapieren der AfD, immer irgendwie diffus, wenn von der christlich-jüdischen Tradition oder dem sogenannten christlichen Abendland die Rede ist, aber es ist schon erstaunlich, wenn ein Landesverband darauf ganz verzichtet", so der Professor, der an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien lehrt.
Im "Regierungsprogramm" der AfD in Brandenburg gebe es auch keinen Hinweis auf die gemeinsame Erklärung der katholischen Bischöfe in Ostdeutschland, die zu Jahresanfang vor rechtspopulistischen Parteien gewarnt und die AfD als für Christen nicht wählbar bezeichnet hatten. In Sachsen und Thüringen dagegen werde dies implizit thematisiert – "jedoch völlig unterschiedlich", wie Filipovic betont.
In Sachsen schreibe die AfD, dass sie mit der Kirche trotz Ablehnung im Gespräch bleiben wolle, weil sie dadurch ihre christlichen Werte ausdrücke. "Man verweist auf die 'Christen in der Alternative für Deutschland', was vielleicht an der relativ starken katholischen Community im Raum Bautzen liegt, an Berührungspunkten zwischen katholischen Traditionalisten und Wert-Traditionalisten", deutet Filipovic das Phänomen. In Thüringen dagegen, wo der katholische Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr früh und deutlich vor der AfD gewarnt hatte, erfahren Bischöfe und Amtskirche eine klare Ablehnung. "Man wirft der Kirche politische Agitation vor und verlangt, dass sie sich auf Seelsorge und Mission beschränken soll", so Filipovic weiter.
Auch bei Abtreibung Unterschiede
Auch beim Thema Abtreibung zeigen die AfD-Wahlprogramme im Osten aus Sicht des Wissenschaftlers deutliche Unterschiede. "In Sachsen und Brandenburg wird der Schwangerschaftsabbruch relativ stark thematisiert. Allerdings, wie wir das auch in unserer Studie festgestellt haben, steht Schwangerschaftsabbruch bei der AfD im Kontext ihrer Bevölkerungspolitik. Was nicht kompatibel ist mit dem Lebensschutz der katholischen Kirche, der auf die Würde jedes Menschen ausgerichtet ist." Bei der AfD laute die Devise: 'Wir brauchen mehr Kinder in Sachsen, wir brauchen mehr Kinder in Deutschland.'
Beim Wahlprogramm in Brandenburg taucht das Thema Abtreibung zwischen den Kapiteln Frühsexualisierung und Babybegrüßungsgeld auf. Das sei ein "klares bevölkerungspolitisches Framing", sagt Filipovic. In Thüringen finde das Thema keine große Erwähnung. Dort pflege man dagegen eine radikale Kritik an den öffentlich-rechtlichen Medien.
Bereits bei der 2017 veröffentlichten Studie war herausgearbeitet geworden, dass AfD und Kirche bei den Themen Familienpolitik und Schwangerschaftsabbruch nur scheinbar eine Nähe besitzen, weil die "bevölkerungspolitische Fokussierung von Familienpolitik und Lebensschutz-Optionen" bei der AfD nicht mit der Soziallehre der Kirche zu vereinbaren sei.