Gemischte Bilanz
Die Praxis ist weitaus ernüchternder. In den zurückliegenden sieben Jahrzehnten konnte die Völkergemeinschaft mehr als 260 bewaffnete Konflikte nicht verhindern. Zuletzt schauten die Vereinten Nationen zu, wie Syrien in Gewalt und Blutvergießen versank. Der Genozid in Ruanda 1994 war ebenso wenig ein Ruhmesblatt wie die Hilflosigkeit, mit der niederländische Blauhelmsoldaten das Massaker von Srebrenica 1995 geschehen ließen.
Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright kommt mit dem Co-Vorsitzenden der von der UN eingesetzte "Kommission für globale Sicherheit, Gerechtigkeit und Herrschaft", dem Nigerianer Ibrahim Gambari, zu dem Schluss, "dass die internationale Gemeinschaft den Kampf gegen die drängenden Herausforderungen bei den Themen Sicherheit und Gerechtigkeit verliert".
Die beiden machen von Syrien bis zur Sub-Sahara einen alarmierenden "Anstieg an Massenverbrechen aus, die elementare Menschenrechte untergraben". Damit kehre sich ein Trend um, der nach Ende des Kalten Kriegs zunächst auf einen Rückgang politischer Gewalt hoffen ließ.
Ein Grund dafür liegt wohl auch in den Institutionen der Weltorganisation selbst, die sich seit ihrer Verankerung in der Gründungs-Charta der UN vor 70 Jahren als reformresistent erwiesen haben. Im Unterschied zu der idealistischen "League of Nations" reflektieren die UN-Organisationen das Spannungsverhältnis der Idee einer Welt aus gleichberechtigten Nationen mit dem realen Kräfteverhältnis.
Die Generalversammlung, die in diesem Jubiläumsjahr durch den Auftritt von Papst Franziskus im September besondere Aufmerksamkeit erfährt, funktioniert wie ein Plenum. Ob Luxemburg oder die USA - jeder Mitgliedstaat verfügt über nur eine Stimme. Die Beschlüsse haben selten mehr als Symbolcharakter, weil die Vollversammlung keine Instrumente hat, um sie durchzusetzen.
Blockiertes Machtzentrum
Das Machtzentrum liegt dagegen im Sicherheitsrat, dem die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkriegs - USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien - als ständige Mitglieder mit Veto-Macht angehören. Die anderen neun Mitglieder werden auf jeweils zwei Jahre hinzugewählt.
Während des Kalten Krieges und auch heute wieder blockieren sich die Veto-Mächte gegenseitig - was auch den Sicherheitsrat als Institution wirkungslos macht. Darüber hinaus ist Südamerika ebenso wenig repräsentiert wie das gesamte Afrika.
Besonders widersprüchlich bleibt das Verhältnis der USA zu der Weltorganisation, die es ohne das Drängen von Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) so nicht gäbe. Die Charta der Vereinten Nationen hat nicht nur ihren Geburtsort in San Francisco; die Vereinigten Staaten sind mit rund einem Fünftel des Haushalts auch der größte Beitragszahler. Umgekehrt finden sich in Washington die harschesten Kritiker der UNO. Sie blockierten erfolgreich den US-Beitritt zum Klimaschutzabkommen von Kyoto, zum Streuminen-Abkommen und zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Während die Defizite der vergangenen 70 Jahre leicht zu benennen sind, fällt es schwerer, die Erfolge auszumachen. Die Verteidiger der Weltorganisation geben zu bedenken, was die Alternative gewesen wäre: noch mehr und längere Kriege, Millionen zusätzlicher Gewaltopfer und Flüchtlinge, größere Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.
Ob das Glas zum Jubiläum halbvoll oder halbleer ist, liegt im Ermessen des Betrachters. Dass die UN eine Rundum-Erneuerung braucht, bestreitet kaum jemand - am wenigsten ihr Generalsekretär Ban Ki Moon, der die 40.000 Mitarbeiter der UN-Behörden führt. Das Jubiläumsjahr, so der 71-Jährige kürzlich, "gebe dieser Generation eine einmalige Chance". Die Frage bleibt, ob sie genutzt wird.