Heute vor 70 Jahren wurden in San Francisco die Vereinten Nationen gegründet

Gemischte Bilanz

Veröffentlicht am 26.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Thomas Spang (KNA) – Lesedauer: 
UN-Fahne
Bild: © KNA
Vereinte Nationen

New York ‐ Das Ziel der Gründungs-Charta der Vereinten Nationen war groß: Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte die UNO "künftige Generation vor der Geißel des Krieges bewahren". Heute, 70 Jahre nach der Gründung, ist angesichts zahlloser Kriege und Konflikte vielfach Ernüchterung eingetreten.

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Die Praxis ist weitaus ernüchternder. In den zurückliegenden sieben Jahrzehnten konnte die Völkergemeinschaft mehr als 260 bewaffnete Konflikte nicht verhindern. Zuletzt schauten die Vereinten Nationen zu, wie Syrien in Gewalt und Blutvergießen versank. Der Genozid in Ruanda 1994 war ebenso wenig ein Ruhmesblatt wie die Hilflosigkeit, mit der niederländische Blauhelmsoldaten das Massaker von Srebrenica 1995 geschehen ließen.

Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright kommt mit dem Co-Vorsitzenden der von der UN eingesetzte "Kommission für globale Sicherheit, Gerechtigkeit und Herrschaft", dem Nigerianer Ibrahim Gambari, zu dem Schluss, "dass die internationale Gemeinschaft den Kampf gegen die drängenden Herausforderungen bei den Themen Sicherheit und Gerechtigkeit verliert".

Die beiden machen von Syrien bis zur Sub-Sahara einen alarmierenden "Anstieg an Massenverbrechen aus, die elementare Menschenrechte untergraben". Damit kehre sich ein Trend um, der nach Ende des Kalten Kriegs zunächst auf einen Rückgang politischer Gewalt hoffen ließ.

Ein Mann besucht ein Grabfeld in Screbrenica - dem Ort, in dem serbische Soldaten unter den Kommando von General Mladic im Juli 1995 mehr als 8.000 Menschen, vorwiegend Muslime, töteten.
Bild: ©picture alliance / Juergen Feichter / EXPA / picturedesk.com

Screbrenica steht sinnbildlich für die vielen Kriege und Konflikte, die die Vereinten Nationen in den vergangenen 70 Jahren nicht verhindern konnten.

Ein Grund dafür liegt wohl auch in den Institutionen der Weltorganisation selbst, die sich seit ihrer Verankerung in der Gründungs-Charta der UN vor 70 Jahren als reformresistent erwiesen haben. Im Unterschied zu der idealistischen "League of Nations" reflektieren die UN-Organisationen das Spannungsverhältnis der Idee einer Welt aus gleichberechtigten Nationen mit dem realen Kräfteverhältnis.

Die Generalversammlung, die in diesem Jubiläumsjahr durch den Auftritt von Papst Franziskus im September besondere Aufmerksamkeit erfährt, funktioniert wie ein Plenum. Ob Luxemburg oder die USA - jeder Mitgliedstaat verfügt über nur eine Stimme. Die Beschlüsse haben selten mehr als Symbolcharakter, weil die Vollversammlung keine Instrumente hat, um sie durchzusetzen.

Blockiertes Machtzentrum

Das Machtzentrum liegt dagegen im Sicherheitsrat, dem die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkriegs - USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien - als ständige Mitglieder mit Veto-Macht angehören. Die anderen neun Mitglieder werden auf jeweils zwei Jahre hinzugewählt.

Während des Kalten Krieges und auch heute wieder blockieren sich die Veto-Mächte gegenseitig - was auch den Sicherheitsrat als Institution wirkungslos macht. Darüber hinaus ist Südamerika ebenso wenig repräsentiert wie das gesamte Afrika.

Im April 2013 trifft der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon im Vatikan Papst Franziskus im Vatikan.
Bild: ©picture alliance/Stefano Spaziani

Im September wird UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon (l.) Papst Franziskus als Gast bei den Vereinten Nationen in New York begrüßen.

Besonders widersprüchlich bleibt das Verhältnis der USA zu der Weltorganisation, die es ohne das Drängen von Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945) so nicht gäbe. Die Charta der Vereinten Nationen hat nicht nur ihren Geburtsort in San Francisco; die Vereinigten Staaten sind mit rund einem Fünftel des Haushalts auch der größte Beitragszahler. Umgekehrt finden sich in Washington die harschesten Kritiker der UNO. Sie blockierten erfolgreich den US-Beitritt zum Klimaschutzabkommen von Kyoto, zum Streuminen-Abkommen und zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Während die Defizite der vergangenen 70 Jahre leicht zu benennen sind, fällt es schwerer, die Erfolge auszumachen. Die Verteidiger der Weltorganisation geben zu bedenken, was die Alternative gewesen wäre: noch mehr und längere Kriege, Millionen zusätzlicher Gewaltopfer und Flüchtlinge, größere Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.

Ob das Glas zum Jubiläum halbvoll oder halbleer ist, liegt im Ermessen des Betrachters. Dass die UN eine Rundum-Erneuerung braucht, bestreitet kaum jemand - am wenigsten ihr Generalsekretär Ban Ki Moon, der die 40.000 Mitarbeiter der UN-Behörden führt. Das Jubiläumsjahr, so der 71-Jährige kürzlich, "gebe dieser Generation eine einmalige Chance". Die Frage bleibt, ob sie genutzt wird.

Von Thomas Spang (KNA)