Wegen Frauenfeindlichkeit: Theologin fordert veränderte Leseordnung
Die Aachener Pastoralreferentin und Frauenseelsorgerin Annette Jantzen hat sich für eine Änderung der katholischen Leseordnung ausgesprochen. Am kommenden Sonntag werde aus dem fünften Kapitel des Paulusbriefs an die Gemeinde in Ephesus gelesen, in dem Frauen aufgefordert würden, sich ihren Männern unterzuordnen. "Dieser Abschnitt aus dem Brief an die Gemeinde in Ephesus, geschrieben zu einer Zeit, in der die patriarchale Gesellschaftsordnung schon tief in die Gemeinden eingedrungen war, eignet sich nicht mehr als Schriftlesung im Gottesdienst", schreibt Jantzen in einem Beitrag Ihres Blogs "Gotteswort weiblich" auf der Internetseite des Bistums Aachen (Mittwoch). "Der angemessene Umgang mit diesem Text wäre, ihn nicht mehr vorzutragen", so die Theologin. Dies sei keine Zensur der Bibel. "Es sind wir selbst, die dem Buch der Bücher Bedeutung geben oder auch nicht."
Sie stelle sich vor, wie viele Lektorinnen und Frauen in den Kirchenbänken beim Lesen oder Hören dieser Worte an die eigene erlittene körperliche, verbale, sexuelle, psychische oder finanzielle Gewalt denken müssten, schreibt Jantzen. Auch Gewalttexte aus der Bibel würden in der Regel nicht ohne besondere Einbettung als gottesdienstlicher Text verwendet. "Dieser Briefabschnitt ist aus der Perspektive der Geschlechtergerechtigkeit auch ein solcher Terror-Text, weil er bei aller Beschwörung der Liebe, Unterdrückung und Zweitrangigkeit ungebrochen sakralisiert und somit nahelegt, diese zu verinnerlichen", so die Theologin. "Wie soll man damit ein aufrechter Mensch sein und bleiben können?"
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Wenn ein "literarischer Schatz" wie das Hohelied der Liebe aus dem Alten Testament an keinem einzigen Sonntag der drei Lesejahre vorkomme, könne es mit der "Hochschätzung der Vollständigkeit nicht so weit her sein", so Jantzen. "Wer das festlegt, bleibt unsichtbar und niemandem Rechenschaft schuldig. Unsichtbare Machtausübung macht Menschen nicht nur unfrei, sondern nimmt ihnen auch noch die Möglichkeit, sich ihr entgegenzustellen." Viele Lektorinnen würden in ihren Gemeinden neue Abwertungen erfahren, wenn sie die Probleme solcher Texte ansprächen, schreibt die Frauenseelsorgerin. Falls solche Texte doch vorgelesen würden, sollten sie nicht mit "Wort des lebendigen Gottes" enden, sondern mit "Gotteswort in Menschenwort", schlägt die Theologin vor. "Mehr als das aber wünsche ich mir einen Lektorinnen-Streik. Lest was anderes, Schwestern."
Die Leseordnung hat für die gesamte Kirche des Römischen Ritus verbindlichen Charakter und wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) geschaffen. Für die Sonn- und Festtage wurde dabei ein dreijähriger Lesezyklus entwickelt, für die Wochentage ein zweijähriger. Aus den rund 35.000 einzelnen Versen der Bibel werden nach der neuen Leseordnung etwa 12.000 Verse gelesen. (cbr)