"Verbindung nach Moskau muss nachgewiesen werden"

Moskau zu nah? Gesetz gegen Ukrainische Orthodoxe Kirche auf dem Weg

Veröffentlicht am 25.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Oliver Hinz und Simon Kajan (KNA) – Lesedauer: 

Kiew ‐ Die einst mit dem Moskauer Patriarchat verbundene Kirche der Ukraine gerät stärker unter Druck. Zwar hat sie Unterstützung aus dem Westen und von anderen autokephalen Kirchen im Ausland. Aber einige Klöster und Gemeinden könnte es böse treffen.

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Das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, stellte auf der eigenen Website zunächst fast keine Informationen zu dem verabschiedeten Gesetz bereit. Der Pressedienst der Rada verbreitete am Dienstagabend nur eine Erklärung der Vizevorsitzenden des für den Gesetzentwurf zuständigen Parlamentsauschusses, Jewhenija Krawtschuk, mit der Überschrift: "Jede ukrainische religiöse Organisation, die mit der russisch-orthodoxen Kirche verbunden ist, kann nur von einem Gericht verboten werden". Die Abgeordnete der Regierungspartei Diener des Volkes, die auch der Parlamentarischen Versammlung des Europarates angehört, stellte klar, dass erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes Gerichtsverfahren gegen jene religiösen Organisationen beginnen könnten, die Verbindungen zur russisch-orthodoxen Kirche und zum "Aggressorland" unterhielten.

"Die Verbindung selbst muss auf der Grundlage einer Untersuchung nachgewiesen werden, die der Staatliche Dienst für ethnische Politik und Gewissensfreiheit zusammen mit Religionswissenschaftlern und einer Sonderkommission durchführen wird", so Krawtschuk.

Ursprünglich erhielt der Gesetzentwurf eine Frist von einem Monat, die auf neun Monate verlängert wurde, in dem sich betroffene religiöse Organisationen vollständig von Russland trennen müssen. Beobachter gehen davon aus, dass es erst im August 2025 zu gerichtlichen Verboten von einzelnen Gliederungen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) kommen wird. Die UOK als Ganzes ist keine juristische Person und kann nicht in einem Gerichtsverfahren komplett aufgelöst werden.

Auch jetzt werde es nicht gelingen, Kirche zu zerstören

Bereits in einem Monat droht der UOK jedoch der Verlust ihres Hauptsitzes, das Kiewer Höhlenkloster, und der beiden anderen Lawras im Westen und Osten der Ukraine. Die Mietverträge des Staates und der Kommunen für Kirchengebäude und Klöster werden dann durch das Gesetz für ungültig erklärt, wenn eine Verbindung der jeweiligen Kirchengliederung mit Russland bestehe. Das könnte rund 3.000 Pfarreien der UOK hart treffen, die bisher alte Kirchen nutzen, die sie nur mieten. Die Abgeordnete Krawtschuk erwähnte den Entzug von Kirchengebäuden allerdings nicht in ihrer Mitteilung. Sie betonte stattdessen, dass alle Religionsgemeinschaften mit Ausnahme der UOK das Gesetz unterstützen würden.

Das Oberhaupt der UOK, Metropolit Onufrij, äußerte sich zunächst nicht zu der Entscheidung des Parlaments. Noch am Montag zelebrierte er eine Liturgie im Höhlenkloster. Die UOK veröffentlichte eine Stellungnahme ihres Sprechers Metropolit Kliment. Darin betont Kliment mit Verweis auf Sowjetzeiten, die Kirche habe bereits Erfahrung, unter den Bedingungen eines gesetzlichen Verbots fortzubestehen: "Damals konnte man die Kirche nicht zerstören." Das werde auch jetzt nicht gelingen. Die sowjetischen Machthaber hätten mit vielen Gesetzen versucht, die Kirche zu verbieten. Als ihnen klar geworden sei, dass dies gesetzlich nicht funktioniere, hätten sie viele Gläubige verschiedener Konfessionen erschossen. "Natürlich ist dies im 21. Jahrhundert nicht mehr möglich. Aber die Gesellschaft muss sehr aufmerksam sein, wenn sich eine Trennung der ukrainischen Bürger in richtige und falsche abzeichnet", so der Metropolit. "Denn diejenigen, die Jesus Christus nicht verstanden haben, kreuzigten ihn allein aus politischen Gründen."

Swjatoslaw Schewtschuk, Erzbischof von Kiew und Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche
Bild: ©KNA/Cristian Gennari/Romano Siciliani

Er begrüßte das Gesetz: Der Großerzbischof der mit Rom unierten Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Swjatoslaw Schewtschuk. Gleichzeitig mahnte er Transparenz bei der Anwendung des Gesetzes an.

Gegenüber ukrainischen Medien sagte Kliment, die Mehrheit der prakizierenden ukrainischen Gläubigen würde sich zur UOK bekennen. Auch die meisten ausländischen orthodoxen Kirchen würde die UOK anerkennen. Das sei eine objektive Tatsache. Jeder Versuch, die UOK zu verbieten, wird laut ihm dazu führen, das jene, die das Gesetz umsetzen wollten, "in Misskredit geraten, auch international".

So hatten am Montag der Vorsteher des arabischsprachigen griechisch-orthodoxen Patriarchats von Antiochia mit Sitz in Damaskus, aber auch die Vorsteher der orthodoxen Kirchen Bulgariens und Georgiens ihre Solidarität mit der UOK erklärt, wie "Orthodox Times" berichtete. Der antiochenische Patriarch Johannes X. kritisierte das staatliche Vorgehen gegen die UOK ("Verfolgung"). Der georgische Patriarch Ilia II. und der bulgarische Patriarch Daniil bezeichneten Onufrij zudem als kanonisches Oberhaupt der ukrainischen orthodoxen Christen und damit die UOK als die einzige legitime orthodoxe Kirche der Ukraine.

Dagegen unterstützt der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geforderte "spirituelle Unabhängigkeit" der Ukraine. Bartholomaios I. soll sich am 13. August entsprechend bei einem Empfang geäußert haben, an dem der Vorsteher der OKU, Metropolit Epiphanius (Dumenko) von Kiew, die stellvertretende Leiterin des ukrainischen Präsidialamtes, Olena Kowalska, und der Leiter des Staatlichen Dienstes für ethnische Politik und Gewissensfreiheit, Viktor Jelenski, teilgenommen haben.

Ukraine reagiere auf Ideologie der "Russischen Welt"

Die mit Rom unierte ukrainische griechisch-katholische Kirche hat dagegen am Mittwoch das verabschiedete Gesetz begrüßt. Es betreffe religiöse Organisationen, die mit Russland verbunden sind. Ihr Oberhaupt, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, erklärte, das Gesetz verbiete keine Kirche, sondern schütze vor der Gefahr, dass Religion als Waffe eingesetzt werde. Das habe er der Leiterin der Kulturabteilung der deutschen Botschaft in der Ukraine am Dienstag bei einem Treffen in seiner Kiewer Residenz erläutert.

Das neue Gesetz gelte für alle religiösen Organisationen mit Verwaltungszentren in Ländern, die vom ukrainischen Parlament als Aggressoren anerkannt worden seien, so Schewtschuk. "Russland hat die von ihm kontrollierte Orthodoxie als Instrument der Militarisierung genutzt und sie in eine neurotrope Waffe verwandelt", fügte er hinzu. Die Ukraine reagiere nun auf die Ideologie der "Russischen Welt" in der gleichen Weise wie europäische Länder auf die Ideologie des "Islamischen Staates", die von extremistischen religiösen Gruppen propagiert werde. Der Großerzbischof betonte die Bedeutung der Transparenz bei der Anwendung des Gesetzes, um negative Folgen für Religionsgemeinschaften auszuschließen.

Mehrere Geistliche der UOK wurden von ukrainischen Gerichten wegen Spionage für den russischen Geheimdienst oder anderer Kollaboration verurteilt.

Von Oliver Hinz und Simon Kajan (KNA)