Weg vom gemeinsamen Fest und hin zu individuellen Lösungen?

Vorbereitung auf Erstkommunion im Umbruch – Theologen uneins

Veröffentlicht am 01.09.2024 um 12:15 Uhr – Von Norbert Demuth (KNA) – Lesedauer: 

Stuttgart ‐ Der nächste Weiße Sonntag ist noch weit weg. Doch schon jetzt laden Pfarreien Kinder zur Erstkommunionvorbereitung ein. Manch ein Theologe will weg von der Vorbereitung eines ganzen Jahrgangs – und dem terminierten großen Fest.

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Kinder sind neugierig. Erstkommunionkinder besonders: Wie ist das eigentlich, wenn man das erste Mal die gewandelte Hostie zu sich nimmt, in der nach katholischem Glauben Christus gegenwärtig ist? Das wollte ein Junge einmal vom Tübinger Theologen Albert Biesinger wissen – und fragte ihn auf Schwäbisch: "Gell, wenn man in die Hostie oben neibeißt, beißt man doch dem Jesus den Kopf ab? Und wenn man in die Hostie unten neibeißt, beißt man dem Jesus die Füß' ab. Wo soll ich denn jetzt neibeißen?"

Biesinger erzählt diese Geschichte im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), um deutlich zu machen, welche einfachen und zugleich komplexen Fragen die Katechese, also die Vorbereitung von Kindern auf die Erstkommunion aufwerfen kann. "Ich hab dem Jungen dann erklärt, dass wir natürlich keine Kannibalen sind, sondern der 'Leib' Christi mehr meint als den Körper Jesu", sagt Biesinger. In der Hostie sei "nicht der Körper von Jesus drin, sondern seine ganze Liebe und seine Botschaft, dass er uns den Himmel öffnet".

Einladung zur Vorbereitung auf die Erstkommunion

Bis zum nächsten Weißen Sonntag am 27. April 2025 ist es zwar noch lange hin. Doch der große Tag im Leben katholischer Erstkommunionkinder kündigt sich schon ein halbes Jahr vorher an – meist in den ersten Wochen des neuen Schuljahrs. Dann schreiben die Gemeinden die Kinder der dritten Klasse – beziehungsweise deren Eltern – an und laden sie zur Vorbereitung auf ihre erste Kommunion ein.

„"Wir müssen weg von der Jahrgangskatechese und vom Weißen Sonntag als Termin. Die Kinder gehen zur Erstkommunion, wenn sie es wollen und so weit sind.“

—  Zitat: Dominik Blum

Doch die Zahl der Kommunionkinder nimmt von Jahr zu Jahr ab. Und oft wüssten die Seelsorger nur wenig über das religiöse Leben der Kommunionkinder und ihrer Familien, berichtet Dominik Blum, Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück. In einem Gastbeitrag für katholisch.de hatte er eine Neuausrichtung gefordert – unter der Überschrift "Es braucht eine radikal individualisierte Erstkommunionkatechese".

Blum betont: "Wir müssen weg von der Jahrgangskatechese und vom Weißen Sonntag als Termin. Die Kinder gehen zur Erstkommunion, wenn sie es wollen und so weit sind. Wenn wir gefragt werden, helfen wir. Alles andere macht schon längst keinen Sinn mehr." Viele der Eltern in Kommunionfamilien hätten inzwischen einen Migrationshintergrund, so Blum: "Sie sprechen nur wenig Deutsch, sind weit davon entfernt, gemeinsam singen zu können oder komplexe 'FamilienBeziehungsBücher' mit ihren Kindern durchzuarbeiten."

"Eine Individualisierung macht doch keinen Sinn"

Dem widerspricht Biesinger (76), Mitautor gerade solcher Bücher zur Erstkommunionvorbereitung mit QR Codes für die Kindertreffen und Elternbegleitung: "Eine Individualisierung, dass also Kinder einzeln vorbereitet werden, ohne eine Gruppe Gleichaltriger und ohne Gemeindebezug, macht doch keinen Sinn." Und wenn es kein gemeinsames Erstkommunionfest mehr gäbe? "Die Eltern würden Kopf stehen!", ist Biesinger überzeugt.

Erstkommunionkatechese sei "umso wirkungsvoller bei Eltern und Kindern, je familienorientierter man vorgeht". Wie solle zum Beispiel Gemeindebildung möglich sein, "wenn jeder individuell dann, wenn er so weit ist, zur Erstkommunion geht?". Dann zerfalle die von der Missbrauchskrise ohnehin schon erschütterte Kirchengemeinschaft noch mehr.

Religionspädagoge Albert Biesinger
Bild: ©KNA/Elisabeth Schomaker

Albert Biesinger hat sich jahrzehntelang dafür eingesetzt, wie man Kindern, aber auch Erwachsenen den Glauben auf kreative Weise näherbringen kann.

Der emeritierte Professor für Religionspädagogik hat sich jahrzehntelang dafür eingesetzt, wie man Kindern, aber auch Erwachsenen den Glauben auf kreative Weise näherbringen kann. Schmerzt den Theologen der Glaubensschwund in der Gesellschaft nicht ungemein? Biesinger macht eine längere Pause, dann sagt er: "Das ist kein Schmerz, sondern Ärger und Unverständnis."

"Selbstverschuldete Entwicklung" in zahlreichen Bistümern?

Das sei nämlich auch eine von zahlreichen Bistümern in Deutschland zum Teil "selbstverschuldete Entwicklung". Sie hätten zu lange und oft bis heute auf überkommene und ineffektive Konzepte gesetzt und konsequente Familienkatechese vernachlässigt. Sein Bistum Rottenburg-Stuttgart nimmt Biesinger dabei ausdrücklich aus.

Dort wurden zuletzt in einem fast dreijährigen Prozess Leitlinien entwickelt. Die Federführung lag bei Biesingers Nachfolger an der Uni Tübingen, Reinhold Boschki. Darin heißt es: "Katechese heute befindet sich wie alle kirchlichen Strukturen im Umbruch." Eine "Neufindung der Katechese" könne jedoch nur mit den Kindern, ihren Eltern und deren Beziehungspartnern erfolgen. Mit allen müsse man einen Weg gehen, ohne sie zu vereinnahmen oder zu rekrutieren. Auch Biesinger sieht nur die Lösung, "gemeinsam mit den Familien den Weg der Gottesberührung zu suchen".

Von Norbert Demuth (KNA)