"Es bewegt sich vorwärts, nicht rückwärts"

Gössl: Kirche bei Reformen in Bewegung – hilft nicht bei Attraktivität

Veröffentlicht am 07.09.2024 um 16:11 Uhr – Lesedauer: 

Nürnberg ‐ Die Kirche macht bei zahlreichen Reformthemen eine langsame und bedachte Entwicklung, ist Erzbischof Herwig Gössl überzeugt. In einem Interview hat er auch darüber gesprochen, was aus seiner Sicht die Basis für solche Veränderungen sein muss.

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Bei kirchlichen Reformthemen wie dem priesterlichen Zölibat, der Bewertung von Homosexualität oder der Priesterweihe von Frauen ist aus Sicht des Bamberger Erzbischofs Herwig Gössl bereits vieles in Bewegung. Diese Veränderungsbewegungen seien kein "Voranstürmen", sondern eine bedachte und langsame Entwicklung – "aber eine, die sich vollzieht", sagte Gössl in einem Interview mit dem "Franken Fernsehen" (Freitag). Menschen innerhalb der Kirche würden häufig sagen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten vieles verändert und verbessert habe. "Von daher sind wir in unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs, aber wir sind unterwegs und es bewegt sich vorwärts, nicht rückwärts."

Im Gespräch schränkte Gössl aber ein: "Ich erwarte mir von all diesen Fragen keine Auswirkungen auf Attraktivität von Kirche." Auch evangelische Christen hätten die gleichen Probleme wie die katholische Kirche, obwohl sich diese Reformfragen bei ihnen nicht stellen würden, erklärte der Bamberger Erzbischof. "Davon alleine wird Kirche nicht attraktiver. Da muss es darum gehen, dass Menschen Glaubenserfahrungen machen können, dass sie Freude am Glauben erleben in dieser Gemeinschaft von Kirche und dass sie dann auch auf diese Weise Kirche mittragen und auch weiterentwickeln." Dies sei die Basis für alle Reformen, die in der Kirche angegangen werden müssten, so Gössl.

Kirche zeige nicht immer "überzeugendes Bild"

Dass die Kirche heute nicht mehr anziehend wirke, hänge auch damit zusammen, dass Fragen nach dem Jenseits und Gott für viele aus dem Blick gerieten. Zudem vermittle die Kirche durch Fehlverhalten oder interne Streitigkeiten selbst ebenfalls nicht immer ein "überzeugendes Bild", so der Erzbischof.

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Angesprochen auf die finanzielle Situation im Erzbistum Bamberg erklärte Gössl: "Wir müssen sparen, das ist völlig klar." Im Bereich des Personals werde ohnehin gespart, weil es weniger Menschen gebe, die heute einen pastoralen Dienst aufnähmen. Auch in anderen Bereichen müsse geschaut werden, welche Aufgaben ab- oder aufgegeben werden könnten. "Aber wir können nicht auf Kosten der Pastoral die Sparmaßnahmen durchführen, das ist meine Überzeugung." Es gehe jetzt darum, Schwerpunkte zu setzen und diese gut auszustatten, während man anderes aufgeben müsse.

Ort ohne Gottesdienst sei für ihn "kein Urlaub"

Seine Vision für die Zukunft sei eine Kirche als Ort, an den Menschen gerne kommen, "weil sie spüren, dass ihnen da etwas gegeben wird, was sie sonst nicht bekommen". Gleichzeitig sollten Kirchen ein Ort sein, der Halt in schwierigen Situationen biete und an dem sich Menschen an der Gemeinschaft untereinander und mit Gott erfreuen könnten. Das würden in Zukunft vermutlich weniger Orte im Erzbistum sein, die es allerdings zu stärken gelte.

Um seine Akkus aufzuladen, brauche er keine langen Urlaubsreisen, sondern Zeit zum Nachdenken, zum Lesen und für das Gebet, bekannte Gössl. Auch der Gottesdienst gehöre wesentlich dazu. "An einen Ort zu kommen, wo ich keinen Gottesdienst feiern kann – das wäre für mich kein Urlaub, sondern blanker Stress." Gössl ist am 2. März in sein Amt als Erzbischof von Bamberg eingeführt worden. Er folgt damit auf Erzbischof Ludwig Schick, der die Erzdiözese 20 Jahre lang geleitet hatte. Gössl war zuvor Weihbischof im Erzbistum Bamberg und agierte in der Zeit nach dem Rücktritt Schicks als Diözesanadministrator. (cbr)