Religionspädagoge Markus Tomberg über Debatte zur Kommunionvorbereitung

Theologe: Muss in Erstkommunionkatechese zuerst ums Erleben gehen

Veröffentlicht am 22.09.2024 um 12:00 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Fulda ‐ Die Vorbereitung auf die Erstkommunion gehört zu den wichtigen katechetischen Aufgaben der Gemeinden. Aktuell diskutieren Theologen darüber, wie die Vorbereitung in Zukunft aussehen sollte. Im katholisch.de-Interview spricht Religionspädagoge Markus Tomberg darüber, was aus seiner Sicht zentral ist.

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Die Corona-Pandemie hat nahezu alle Bereiche des kirchlichen Lebens beeinflusst – auch die Erstkommunionvorbereitung. Doch viele Gemeinden seien wieder zu einem "business as usual" zurückgekehrt – allerdings auf niedrigerem Niveau, kritisiert Religionspädagoge Markus Tomberg. Im katholisch.de-Interview spricht er darüber, warum man aus seiner Sicht römische Papiere ernster nehmen sollte und warum er die Kinderbeichte für problematisch hält.

Frage: Herr Tomberg, seit einiger Zeit gibt es unter Theologen eine Debatte darüber, wie die Erstkommunionvorbereitung aussehen soll. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie viel Individualität es braucht. Wie sehen Sie das?

Tomberg: Zunächst einmal finde ich es wichtig und hilfreich, dass überhaupt eine Debatte stattfindet. Dass es so etwas wie Differenzierung und Individualisierung braucht und auf unterschiedliche Bedarfe eingegangen werden soll, haben die deutschen Bischöfe schon 2004 in ihrem Hirtenwort "Katechese in veränderter Zeit" festgeschrieben. Das "Direktorium für die Katechese" (2020) des damaligen Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung geht noch viel weiter und zielt auf eine Inklusionskultur ab. Ob man das letztlich als Familienkatechese oder individualisierte Einzelkatechese betreibt, ist dann eine Methodenfrage. Für mich geht es um eine grundsätzlichere Frage.

Frage: Und die wäre?

Tomberg: Häufig wird gefragt, wann die Kinder "bereit" für die Erstkommunion sind. So entstehen direkt Hürden, die die Kinder überwinden müssen. Das finde ich schwierig. Eigentlich sollte es aus meiner Sicht anders laufen: Erstkommunionkatechese führt nicht zur Eucharistie hin, sondern kommt von ihr her. Wenn Familien ihre Kinder zur Erstkommunion anmelden, dann wollen sie etwas und sie spüren etwas Wichtiges. Die Aufgabe der Katechese ist es, noch genauer erlebbar zu machen, was da eigentlich passiert.

Frage: Wie kann das aussehen?

Tomberg: Durch die Taufe – die ja vor der Erstkommunion erfolgt sein muss – sind alle Teil des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi. Als solche priesterlichen, königlichen und prophetischen Menschen sitzen die Kinder auch am Tisch des Herrn. Da könnte man durchbuchstabieren, was das für ein Kind in der dritten Klasse bedeutet: Zur königlichen Würde gehört zum Beispiel alles, was unter Prävention und Kinderschutz fällt, dass also Kinder in ihrer Würde geachtet, dass sie wertgeschätzt werden. Prophetisch bedeutet, dass Kinder in der Gemeinde gehört werden sollten und ihre Stimme nicht ignoriert wird. Und beim priesterlichen Dienst denken wir meistens an Amtspriester – aber inwiefern können auch Kinder ein Segen sein und selbst segnen? Diese Metaphern ließen sich auch weiter ausbuchstabieren oder mit Kindern spielerisch erarbeiten.

Frage: Was bedeutet das für die Praxis zur Erstkommunionvorbereitung in den Gemeinden?

Tomberg: In einer Zeit, wo pastorale Räume größer werden und weniger Personal vorhanden ist, sollten sich die Teams vor Ort noch einmal neu auf den Weg machen und diesen Umbruch als Chance begreifen. Wie das dann konkret aussieht, also ob es wöchentliche Gruppenstunden gibt, Kompaktkurse an einzelnen Tagen oder eine ganz andere Form, das muss letztlich von Ort zu Ort individuell und – das ist mir wichtig! – gemeinsam mit den Familien und Kindern entschieden werden. Dass die Kirche – wie früher oft üblich – einfach Termine setzt, zu denen die Eltern und Kinder dann erscheinen müssen, passt heute nicht mehr in die Wirklichkeit. So kann die Kirche nicht mehr auftreten und so wird sie auch nicht mehr ernstgenommen. Aber es gehört zur königlichen Würde aller Beteiligten, mitbestimmen zu können, wo immer das möglich ist.

Markus Tomberg aus Fulda
Bild: ©Arnulf Müller

"Die Inhalte können in der Katechese erlebt werden, sie werden nicht erlernt", sagt Markus Tomberg. Er ist seit 2012 Professor für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät Fulda und hat intensiv zum Thema Erstkommunionkatechese gearbeitet.

Frage: Die religiöse Bildung innerhalb der Gesellschaft und damit auch bei Kindern nimmt immer weiter ab. Und längst nicht jedes Kind besucht eine Form des katholischen Religionsunterrichts. Welche Bedeutung hat dann die Vermittlung von Glaubensinhalten in der Erstkommunionkatechese?

Tomberg: Ich bin, was Weitergabe von Inhalten angeht, sehr skeptisch. Gerade wenn Menschen als Katechetinnen und Katecheten tätig sind, die nicht gelernt haben, bestimmte Themen theologisch zu durchdenken, wird es schwierig. Dann wird es beim Thema wie der Frage, wie Jesus in das Brot kommt, schnell schief oder magisch, es kommt zu Missverständnissen, und es wird auch unglaubwürdig. Ich bin der Meinung, wenn Katechese gerade im Erstkommunion-Alter hilfreich sein soll, dann geht das viel besser als Ausprobieren und Einüben von Glaubenspraxis, dass die Kinder beispielsweise ihre Gottesebenbildlichkeit begreifen. Die Katechetinnen und Katecheten können den Kindern dann zeigen, wie Glaube heute gelebt werden kann. Die Inhalte können in der Katechese erlebt werden, sie werden nicht erlernt.

Frage: Wie können die denn dann vermittelt werden?

Tomberg: Dafür braucht es Menschen mit theologischer und didaktischer Kompetenz. Ein Beispiel wären Kinderkatechesen in den Gottesdiensten, wo in der Predigt nicht nur erklärt, sondern mit den Kindern gearbeitet wird. Oder eben der Religionsunterricht, der da in der Grundschule auch schon viel tut. In der Katechese kann erlebt werden, was zum Beispiel gemeinsames Mahlhalten bedeutet. Da geht es dann um Geschmack, um das Sich-Wohlfühlen, um die Wirkung auf den Körper und die Gemeinschaft und welche wohltuende Erfahrung es ist, gemeinsam zu essen. Das sind Dinge, die man nur auf der leiblichen Ebene wahrnehmen kann – und diese Erfahrungen sind basal für alles, was man sonst noch wissen möchte.

Frage: Das Kirchenrecht sieht vor, dass auch die Beichte Teil der Erstkommunionvorbereitung sein soll. Ist das auch aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Tomberg: Ich finde das sehr schwierig. Das versöhnte Miteinander gehört zu den wesentlichen Erfahrungen, die man in der Kirche machen sollte. Denn Kirche bedeutet Gemeinschaft, und Gemeinschaft geht nicht ohne Versöhnung, weil auch Streit dazugehört. Andererseits wissen wir aus der Missbrauchs- und Präventionsforschung, dass dieser Druck, sich entschuldigen und versöhnen zu müssen, hochproblematisch ist. So werden Machtverhältnisse festgeschrieben. Die Beichtsituation zwischen einem älteren Mann und einem einzelnen Kind in einem relativ abgeschlossenen Raum ist nicht freizubekommen von Macht, von Autorität und von einem Gefälle, das mit Versöhnung relativ wenig zu tun hat – auch wenn viele Priester das sehr gut machen. Ich glaube, dass man innerhalb der Grenzen des geltenden Kirchenrechts nicht gut damit umgehen kann. Nicht zuletzt deswegen haben einige Gemeinden die Beichte vor der Erstkommunion bereits abgeschafft.

Ein Mädchen kniet in einem Beichtstuhl
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Innerhalb des geltenden Kirchenrechts könne man nicht gut mit der Kinderbeichte umgehen, sagt Religionspädagoge Markus Tomberg.

Frage: In der Corona-Pandemie haben Sie Corona-Katechesen zur Erstkommunion entwickelt, um auf die damalige Situation zu reagieren, in der auch zahlreiche Erstkommunionfeiern ausgefallen sind. Wie hat sich die Erstkommunion-Vorbereitung seitdem entwickelt? Ist alles wie vor der Pandemie?

Tomberg: Dazu muss man sagen, dass uns hierfür verlässliche Daten fehlen. Das gilt für das ganze Thema Erstkommunionvorbereitung. Die letzte bundesweite Studie in diesem Bereich ist über zehn Jahre alt. Mein Eindruck ist aber, dass sich die Leichtigkeit und Flexibilität, die durch die Corona-Pandemie entstanden ist – mehrere Termine im Sommer, kleinere, familiärere Gottesdienste ohne viel Pomp – nicht durchgesetzt hat. An vielen Orten ist jetzt wieder "business as usual" eingekehrt – zahlenmäßig aber auf weitaus niedrigerem Niveau. Bei vielen Fortbildungen beobachte ich bei Verantwortlichen in den Pfarreien den Druck, dass man den Kindern doch etwas mitgeben und vermitteln muss, und vielleicht sogar Angst davor, die Menschen frei ausprobieren und Erfahrungsräume schaffen zu lassen.

Frage: Werfen wir zum Schluss einen Blick in die Glaskugel: Welche Entwicklungen erwarten Sie im Bereich der Erstkommunionvorbereitung in den kommenden Jahren?

Tomberg: Ich erwarte, dass in vielen Gemeinden relativ lange so weitergemacht wird wie bisher und sich erst dann etwas ändert, wenn der Leidensdruck groß genug ist. Dann könnte es durchaus sein, dass die Kinder oder die Familien eines größeren Sprengels zu einer Freizeit oder zu Kompaktwochen eingeladen werden. Ähnliche Modelle gibt es schon seit längerer Zeit gerade in den ostdeutschen Bistümern. Das könnte ich mir als einen Weg vorstellen. Wünschen würde ich mir aber etwas anderes.

Frage: Und zwar?

Tomberg: Dass man Teile von römischen Papieren ernster nimmt. Das bereits erwähnte Katechetische Direktorium formuliert bereits, dass Eucharistiekatechese zu einer Inklusionskultur führen sollte. In der Erstkommunionkatechese sollte man daher ausprobieren, wie es gehen könnte, dass man Barrieren in der Sprache, in sozialen Fragen oder Fragen der Teilhabe von Menschen mit Behinderung überwindet. So kommt man zu gemeinsamem Essen, Trinken und Feiern, das wirklich im Sinne Jesu ist.

Von Christoph Brüwer