Thriller "Konklave": Im Mikrokosmos der kirchlichen Macht
Der Papst ist tot – der Heilige Stuhl ist unbesetzt, ein neuer Pontifex muss gewählt werden. Organisation und Durchführung der Wahl soll Kardinal Thomas Lawrence übernehmen. Er war einer der engsten Mitarbeiter des Verstorbenen. Drei Wochen später reisen Kardinäle aus aller Welt für das Konklave nach Rom. Ein Ritual, dass sich über die Jahrhunderte verfeinert hat. Das Verfahren beruht auf der absoluten Abgeschiedenheit der etwa 120 wahlberechtigten Kardinäle und erhielt 1996 seinen letzten Schliff durch Papst Johannes Paul II.
Darum geht es in "Konklave". Der Thriller wurde beim Filmfestival in Toronto uraufgeführt und steht jetzt im Wettbewerb des 72. Internationalen Filmfests in San Sebastian. Bei der Premiere gab es begeisterten Applaus. Der Film von Edward Berger beruht auf dem gleichnamigen Roman des britischen Erfolgsautors Robert Harris (2016). Die Verfilmung hält sich eng an die Vorlage und wird in den deutschen Kinos voraussichtlich im November zu sehen sein.
Machtkampf und dunkle Geheimnisse
Im Vatikan beginnt ein erbitterter Kampf um die Macht. Die konkurrierenden Favoriten spiegeln die unterschiedlichen Positionen in der gegenwärtigen Kirchenpolitik wider, aber auch globale Machtinteressen innerhalb der Weltkirche. In den alten Gemäuern begegnen Lawrence dunkle Geheimnisse, die Einzelne um den Sieg bringen könnten. Zugleich warten draußen Millionen Menschen darauf, dass weißer Rauch aufsteigt. Eine lange Dauer des Konklaves, das ist allen Beteiligten bewusst, würde als Zeichen der Zerrissenheit der Kirche gedeutet werden.
Die Hauptfigur, Kardinal Lawrence, ist ein zweifelnder Realist, der Dogmen hinterfragt, um seinen Glauben zu bewahren. Ralph Fiennes verkörpert ihn glaubwürdig und facettenreich. Gewissheit sei der schlimmste Feind des Glaubens, denn Gewissheit lasse keinen Zweifel zu und kein Geheimnis. Und ohne Geheimnis gebe es keinen Glauben, predigt Lawrence zu Beginn des Konklaves. Neben seinem Einsatz spürt er indes sein Alter und sorgt sich um seine Mission; zudem gerät er in Gewissenskonflikte, als sich die Möglichkeit auftut, dass er selbst zum Papst gewählt werden könnte.
"Konklave" ist auch ein Ensemblefilm, der mit feinem schwarzen Humor grundsätzliche kirchliche Streitpunkte aufgreift: Zölibat, Homosexualität und den Umgang mit Geschiedenen, den interreligiösen Dialog, die Vertuschung sexuellen Missbrauchs und die Stellung der Frau. Als Schwester Agnes verkörpert Isabella Rossellini die Demut ebenso wie die Bitterkeit vieler Frauen in der katholischen Kirche.
Für Regisseur Berger handelt "Konklave" nicht von Religion oder Politik, sondern von der Verführung durch die Macht: "Machtspiele hinter verschlossenen Türen betreffen nicht nur die katholische Kirche. Das kommt ebenso in Wirtschaft und Politik vor", sagt er. Wie schon der zugrundeliegende Roman ist auch die Verfilmung ein Thriller der ruhigeren Art. Das unterscheidet ihn von den apokalyptischen Verschwörungsfantasien der Dan-Brown-Verfilmungen wie "The Da Vinci Code" (2006). Zugleich hat "Konklave" auch nur wenig mit dem fast dokumentarischen Realismus von "Die zwei Päpste" (2019) gemein.
Visuell spielt "Konklave" auf bekannte Vatikan-Stereotype an, zeigt sie aber doch ganz anders. Das Rot der Kardinäle bringt Farbe in die grauen Mauern. Das Weiß des Films leuchtet immer stärker, je mehr sich das Konklave seinem Ende nähert. Vor den Säulen und Steinwänden wirken die rot bekleideten Würdenträger allerdings klein und hilflos, und Michelangelos Fresko vom Jüngsten Gericht erscheint wie eine Illustrierung der angespannten Stimmung unter den Kardinälen.
Thriller mit eindrucksvollen Bildern
Die Bildgestaltung ist dabei nicht klischeehaft; selbst die Schweizer Garde ist nur am Rande zu sehen. Dafür schafft der Film mächtige Bilder, die in der Erinnerung bleiben, etwa von einer Gruppe Kardinäle in ihren Habits, die im Innenhof des Gästehauses Zigaretten rauchen. Oder die großartige Szene, wenn viele Kardinäle bei Regen mit weißen Regenschirmen über einen großen Platz laufen.
Das Kammerspiel zwischen dem Gästehaus Santa Marta und der Sixtinischen Kapelle wurde nicht an Originalschauplätzen gedreht, sondern überwiegend in den Cinecitta-Studios sowie an verschiedenen Orten in Rom. Für Berger sei die Suche nach Drehorten so wichtig gewesen wie das Casting, erläutert er, weil nur so die Glaubwürdigkeit gewährleistet werden könne.
Sein "Konklave" ist ein klaustrophobischer Mikrokosmos der Macht, in dem alte Männer um Erneuerung oder Restauration kämpfen, während außerhalb des Vatikans die Konflikte eskalieren. Allerdings wurde die finale Wendung des Plots – eine überraschende Wendung um die Identität des neugewählten Papstes – schon in Reaktionen auf den Roman zwiespältig aufgenommen. Das Ende des Films ist dann sehr still: Thomas Lawrence, jetzt im schlichten schwarzen Priestergewand, sitzt müde auf der Bettkante. Er öffnet das Fenster und hört fröhliches Lachen: Junge, in weiß gekleidete Nonnen verlassen das graue Gebäude.