Weltkunst in Landshuter Martinskirche

Künstler Sean Scully: In Sachen Kunst ist die Kirche sehr tolerant

Veröffentlicht am 28.09.2024 um 12:00 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Bonn/Landshut ‐ Für die Martinskirche in Landshut schuf er unentgeltlich vier neue Kirchenfenster: Sean Scully zählt heute zu den renommiertesten Künstlern und ist weltweit in Museen vertreten. Im katholisch.de-Interview erzählt er, wie es zu der Zusammenarbeit kam und wie er zur katholischen Kirche steht.

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Der renommierte irisch-amerikanische Künstler Sean Scully (79) hat unentgeltlich vier neue Fenster für die Stiftsbasilika St. Martin in Landshut geschaffen. Am Sonntag werden sie im Rahmen eines Gottesdienstes in Anwesenheit des Künstlers gesegnet. Scully ist mit seinen abstrakten Bildern weltweit in Museen und Ausstellungshäusern vertreten. Der ehemalige Professor an der Münchner Kunstakademie stammt aus Dublin und wuchs in London auf. Dort sei er im Alter von nur neun Jahren durch Kunstwerke in der Kirche seiner katholischen Grundschule inspiriert worden, selbst Künstler zu werden. Auch die Begegnung mit islamischer Architektur und arabischen Textilien während einer Marokkoreise 1969 habe seine künstlerische Arbeit beeinflusst. Dort habe er die Kombination strenger Rasterformen mit der Ausdruckskraft der Farbe gefunden. Obwohl sein Ausdruck weitgehend von der Abstraktion geprägt ist, sind Ausgangspunkt und Motiv seiner Arbeit der Mensch. Scully lebt heute an verschiedenen Orten: von Barcelona über New York bis nach Bad Tölz. Wie es zur Zusammenarbeit mit der Martinskirche kam und welche Rolle die katholische Kirche in seinem Leben spielt, erzählt der Künstler im Interview mit katholisch.de.

Frage: Herr Scully, Sie sind weltweit bekannt für Ihre abstrakten geometrischen Formen. Wie kam es denn dazu, dass Sie für die Landshuter Martinskirche solche Glasfenster unentgeltlich angefertigt haben?

Scully: Nun, ich war vor einigen Jahren dort, vielleicht vor zehn Jahren. Die Kirche ist für mich sehr interessant, nicht nur weil sie hat den höchsten Backsteinturm der Welt hat. Ich interessiere mich sehr für Ziegel, da ich früher viel auf Baustellen gearbeitet habe. Das Gebäude hat mich fasziniert, aber die Fenster innen fand ich ziemlich langweilig, weil sie alle weiß waren. Da habe ich mir gesagt: "Weißt du, eines Tages mache ich die Fenster. Das ist eine lockere Sache." Und nun war es soweit: sie haben mich gefragt, ob ich die Fenster für die Kapelle machen würde. Und ich sagte ja. Das ist mehr oder weniger die ganze Geschichte.

Frage: Woher kam die Inspiration für die Fenster in der Martinskirche?

Scully: Mir wurde klar, dass es sich hier um eine Kapelle mit einem lebensgroßen Silberkruzifix handelt, und das wollte ich würdigen. Also habe ich geometrische Bilder verwendet, die ich vor etwa 50 Jahren gemalt habe. Sie enthalten viele sich wiederholende Kreuze, die zu dieser Idee der Kapelle mit ihrem Kruzifix zu passen scheinen. Man muss sie nur von außen sehen, von der Straße aus. Nachts sind sie sogar beleuchtet.

Die Kirchenfenster des renommierten Künstlers Sean Scully in Landshut
Bild: ©EOM / Achim Bunz

Die Fenster des renommierten Künstlers Sean Scully in der Landshuter Martinskirche. Rechts: ein lebensgroßes silbernes Kruzifix.

Frage: Können Sie die drei Fenster erklären?

Scully: Ich wollte, dass die Fenster optisch sehr ansprechend wirken. Deshalb habe ich dieses sich wiederholende Muster verwendet. Und das letzte Fenster, das kleine Fenster, wenn man von rechts nach links schaut, hat die Farbe des Kleides von Maria, der Mutter Jesu. In La Pieta ist das eine sehr wichtige Farbe in der italienischen Malerei. Und ich habe versucht, genau das richtige Blau zu finden, um eine Assoziation zu schaffen, eine metaphorische Assoziation mit der Farbe des Kleides, das Maria in fast allen Gemälden der Pieta trägt.

Frage: Also keine direkte Assoziation an das Johannes-Evangelium, wo Maria unter dem Kreuz steht, sondern nur eine im künstlerischen Sinne?

Scully: Genau, nur im künstlerischen Sinne, denn ich erzähle keine Geschichten. Natürlich leugne ich nicht, dass es eine Geschichte gibt, aber meine Arbeit ist metaphorisch, keine Erzählung.

Frage: Gibt es noch eine andere Lesart?

Scully: Ja, wenn man es von links nach rechts liest. Denn zunächst haben wir die Farbe Blau, die eine melancholische, traurige Farbe ist. Sie verweist auf die Kreuzigung. Dann haben wir die beiden anderen Fenster, die sich auf die Erhöhung und die Freude beziehen. So kann man es lesen, und ich finde, das ist eine sehr schöne Lesart.

Die Kirchenfenster des renommierten Künstlers Sean Scully in Landshut
Bild: ©EOM / Achim Bunz

Scully hat für seine Entwürfe kein Geld verlangt, dennoch ist ein solches Projekt mit hohen Kosten verbunden. Allein die Herstellung und der Einbau der Fenster kosteten 160.000 Euro.

Frage: Gibt es eine Verbindung zu Gerhard Richter, der seine Werke ebenfalls der Benediktinerabtei St. Mauritius in Tholey geschenkt hat?

Scully: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber noch vor Richter habe ich ein sehr ähnliches Fenster in der großen Kathedrale in Girona gemacht. Dort gibt es ein riesiges gotisches Fenster von mir mit dem gleichen Muster, weil sie von Gemälden stammen, die vor 54 Jahren gemacht wurden. Das heißt, sie sind älter als jene von Richter.

Frage: Kürzlich wurde im Linzer Mariendom eine Skulptur einer gebärenden Muttergottes ausgestellt, die für Aufsehen und Diskussionen gesorgt hat. Soll Kunst Menschen schockieren?

Scully: Das ist eine gute Frage. Die katholische Kirche ist da sehr tolerant, wie der Westen überhaupt. Da ist man sehr tolerant. Ich habe die Skulptur nicht gesehen, aber wenn sie blasphemisch ist, bin ich sehr dagegen.

Frage: Sie kommen aus Irland, einem – zumindest bis zum Missbrauchsskandal – katholischen Land. Wie ist Ihre Beziehung zur katholischen Kirche?

Scully: Ich stehe der katholischen Kirche sehr wohlwollend gegenüber, mein Sohn geht nächstes Jahr zur Kommunion. Ich bin kein glühender Anhänger, aber ich würde mich als Freund des katholischen Glaubens bezeichnen. Die Tatsache, dass es Pädophilie in der Kirche gibt, wie leider in allen Bereichen, hat meine Beziehung zur Kirche nicht im Geringsten beeinträchtigt.

Von Mario Trifunovic