Meier zu Missbrauchsstudie: Bin als Bischof und Ordensmann beschämt
Der neue Osnabrücker Bischof Dominicus Meier hat sich in einer ersten Reaktion zur Missbrauchsstudie für sein Bistum geäußert. "Erneut bin ich als Bischof und Ordensmann beschämt, dass zahlreichen Kindern, Jugendlichen und anderen Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche ausgerechnet von denen, von denen sie sich Zuwendung und Schutz erhofften, solches Leid zugefügt wurde", sagte Meier laut einer Mitteilung der Diözese Osnabrück am Mittwoch. In der Studie sehe er einen Arbeitsauftrag für sich. Die gewonnenen Erkenntnisse würden helfen, den bisherigen Schutzprozess gegen sexualisierte Gewalt weiter zu stärken, so der Bischof. Ausführlich werde die Bistumsleitung kommende Woche Mittwoch Stellung nehmen, nachdem man die Studie habe gründlich studieren können.
Nach gut dreijähriger Arbeit stellten Forscher am Mittwochvormittag eine Studie zu sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück vor. Von 1945 bis zur Gegenwart ermittelten sie 122 Priester und Diakone, denen Gewalt an 349 Betroffenen vorgeworfen wird, wie die Universität Osnabrück mitteilte. Zu mindestens 60 weiteren Betroffenen lägen konkrete Hinweise vor; eine Mindestzahl von gut 400 Betroffenen sei daher gesichert. Darüber hinaus gehen die Forscher von einem wesentlich größeren Dunkelfeld aus. Die vorgeworfenen Taten umfassten das gesamte Spektrum sexualisierter Gewalt – von Distanzverletzungen bis hin zu schweren Sexualstraftaten. Der Anteil der Beschuldigten an allen Klerikern des Bistums liege bei rund vier Prozent. Das bestätige Befunde aus anderen Bistümern, sagte einer der Autoren, der Rechtswissenschaftler Hans Schulte-Nölke.
Missbrauchsbetroffene beteiligt
Wesentlich für das Forschungsprojekt sei die Beteiligung von drei externen Missbrauchsbetroffenen gewesen, so die Historikerin Siegrid Westphal. Deren Beiträge hätten es etwa ermöglicht zu untersuchen, wie über möglichen Missbrauch geredet wurde. Laut Projektkoordinator Jürgen Schmiesing sind in den Gesprächen mit 23 Betroffenen und 45 Personen aus dem Umfeld sowie weiteren Experten "unbewusste wie beabsichtigte" sprachliche Muster sichtbar geworden: von einer Pathologisierung der Betroffenen und vermeintlich zeittypischen Prügelstrafen über die Behauptung einer Mitschuld von Betroffenen bis zur Täter-Opfer-Umkehr oder der Rede von einer "Liebesbeziehung". Solche Narrative hätten dazu beigetragen, wegzuschauen, Taten als harmlos umzudeuten und nichts zu unternehmen.
Betroffene und Zeugen hätten den Forschern einen Zugang zum Thema ermöglicht, den Akten von Kirche und Justiz nicht böten, sagte Karl Haucke, Betroffener und Mitglied der Steuerungsgruppe. Diese spiegelten eher die Sicht der Beschuldigten wider. Auch wenn das Bistum die Studie beauftragt und finanziert habe, habe es in keiner Weise versucht, Einfluss zu nehmen, so Universitätspräsidentin Susanne Menzel-Riedl. Sie hoffe, dass die Studie es künftig deutlich schwieriger mache, Dinge zu vertuschen oder herunterzuspielen.
Versäumnisse der Bistumsleitung bestätigt
Der Abschlussbericht der historisch-juristischen Studie bestätigt laut Autoren Ergebnisse zu Pflichtverletzungen der Bistumsleitungen. Diese hatten die Wissenschaftler bereits in einem Zwischenbericht im September 2022 festgestellt. Danach haben die Verantwortlichen jahrzehntelang nicht pflichtgemäß auf Hinweise zu Missbrauch reagiert. Auch sei die Kommunikation mit Betroffenen lange abwehrend und bürokratisch im Umgang gewesen. Der Zwischenbericht war ein wesentlicher Grund für den Rücktritt von Bischof Franz-Josef Bode im März 2023. Inzwischen sei im Bistum aber "eine Lernkurve erkennbar, die nach oben zeigt", so Schulte-Nölke. Ob und wie sich der von Bode initiierte diözesane Schutzprozess des Bistums bewähre, müsse sich noch zeigen. (tmg/KNA)