Theologin: "Wir beten für Frauen, die berufen sind"
Erst wegen einer tiefen Krise und den belastenden Erfahrungen von Machtmissbrauch und Klerikalismus hat die Pastoralreferentin Brigitte Schmidt aus Bonn gelernt, zu ihrer priesterlichen Berufung zu stehen. Heute engagiert sich die Seelsorgerin für Frauen, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen und hat ihre Geschichte in dem Buch der Ordensfrau Philippa Rath "Weil Gott es so will" aufgeschrieben. Anlässlich der Weltsynode in Rom hat sie gemeinsam mit anderen berufenen Frauen eine Gebetsinitiative ins Leben gerufen. Auch wenn das Frauendiakonat dort bei den Beratungen in Rom bisher ausgelagert wurde. Im Interview mit katholisch.de erklärt die Theologin, warum sie weiterhin auf die Kraft des Gebets setzt.
Frage: Frau Schmidt, das Thema Frauendiakonat soll kaum eine Rolle bei der zweiten Sitzung der Bischofssynode spielen. Sie beten trotzdem dafür?
Schmidt: Ja, wir sind irritiert und entsetzt darüber, dass die Behandlung des sakramentalen Diakonats der Frau aus dem weltkirchlichen Gespräch im Rahmen der Bischofssynode ausgeklammert und in eine Studiengruppe ausgelagert wurde. Um dem Thema Gleichstellung von Frauen in der Kirche dennoch Aufmerksamkeit zu verschaffen, sind von verschiedenen internationalen Organisationen wie dem Catholic Women Council und auch vom Netzwerk Diakonat der Frau vielfältige Aktionen und Begegnungen während der Weltsynode und zum Teil vor Ort in Rom geplant. Es wird demnächst auch eine Aussprache während der Weltsynode geben für die Anliegen der Frauen, die wir durch unsere Gebete unterstützen werden. Aus unserer Vernetzung der berufenen Frauen heraus haben wir diese Gebetsinitiative gestartet. Ich finde, die Talente und Gaben, die Gott so vielen Frauen geschenkt hat, sind viel zu kostbar, um sie zu vergraben. Sie fehlen der Kirche überall auf der Welt, weil wir Frauen daran gehindert werden, sie einzubringen. Daher beten wir bei der Gebetsinitiative dafür, dass die Charismen der Frauen nicht länger missachtet und verschwendet werden. Für uns ist es eine Frage der Gerechtigkeit und der Würde, dass die Berufungen von Frauen in der Kirche anerkannt werden.
Frage: Sie haben einige Texte gesammelt, die im Rahmen dieser Frauen-Gebetsaktion genutzt werden sollen. Wie kamen diese zustande?
Schmidt: Für jeden Tag der Weltsynode, die noch bis zum 27. Oktober andauert, haben wir Impulse für die eigene Meditation und Gebete gesammelt. Zum Beispiel ist dort das "Schritt-für-Schritt-Gebet" der Benediktinerinnen aus dem Kloster Fahr enthalten, das sehr berührend ist. Mehrere Frauen aus unserer Vernetzung haben daneben sehr persönliche Gebetstexte formuliert. Wir stellen in dieser Gebetssammlung auch bedeutende Frauen der Bibel oder der Kirchengeschichte vor, die wie wir aus dem Glauben und dem Gebet gelebt haben. Das alles verbreitet diese Gebetssammlung im deutschsprachigen Raum. Viele Ordensgemeinschaften, katholische Frauenverbände in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol, "Maria 2.0"-Gruppen und viele Einzelne sind Teil der von uns initiierten großen Gebetsgemeinschaft. Es haben sich sogar feste Gebetsgruppen aus diesem Anlass gebildet. Es gab und gibt sehr viele positive Rückmeldungen dazu und viel Dankbarkeit. Eine Theologieprofessorin aus Vicenza hat inzwischen unsere Gebete ins Italienische übersetzt. So können sie auch in Rom gelesen werden. Alle, auch Männer, sind eingeladen, täglich während der Weltsynode jeweils um 18 Uhr oder zu einem anderen Zeitpunkt sich dieser Gebetsinitiative anzuschließen. Das Band des Gebetes stärkt und verbindet uns und unterstützt die Synode darin, klare Zeichen zu setzen und Antworten auf die sogenannte "Frauenfrage" zu finden.
Frage: Frau Schmidt, wofür beten Sie?
Schmidt: Ich bete jeden Tag darum, dass die Kirche endlich zur Einsicht kommt, dass sie sich selbst arm macht, weil sie die gottgeschenkten Gaben der Frauen nicht würdigt und ihnen keinen Entfaltungsraum gibt. Als geistliche Begleiterin des dritten Diakonatskreises der Frauen, der mit einer von Weihbischof Ludger Schepers aus Essen zelebrierten Eucharistiefeier und einem Fest am 13. April dieses Jahres in Waldbreitbach seinen Abschluss fand, war ich drei Jahre intensiv mit diesen berufenen Diakoninnen unterwegs. Ich spüre selbst, wie zahlreiche andere Frauen weltweit, eine Berufung zur Priesterin. Ich habe 37 Jahre mit großem Engagement als Pastoralreferentin im Erzbistum Köln gearbeitet, war eine Pionierin in diesem Beruf. In den Jahrzehnten habe ich sehr erfüllende Zeiten im Gemeindedienst erlebt, aber auch schwierige und belastende Erfahrungen mit der männlichen Hierarchie gemacht, die mir meine Grenzen als Frau in der Kirche deutlich aufgezeigt hat. Ich erlebte geistlichen Machtmissbrauch und Formen des Klerikalismus, die mir sehr zu schaffen machten. Diese durchlittenen Kränkungen haben mich schließlich krank werden lassen. Ein Jahr lang war ich arbeitsunfähig, musste meinen geliebten Beruf aufgeben. Erst durch diese tiefe Krise habe ich gelernt, die Angst abzuschütteln und mutig zu meiner priesterlichen Berufung zu stehen. Diesen Mut brauchen wir Frauen immer wieder und immer noch, wenn wir dieses katholische Tabu brechen. Gott hat mich auf diesem Weg in die innere Freiheit geführt, es heute so sagen zu können: Ich bin eine priesterliche Frau und ich bin Ehefrau, Mutter, Oma. All das bin ich mit ganzem Herzen, denn Liebe wird im Teilen nicht weniger, sondern mehr.
Frage: Wodurch haben Sie Ihre Krise überwunden?
Schmidt: Als die Benediktinerin Schwester Philippa Rath Frauen dazu eingeladen hat, über ihre Berufung zur Diakonin oder Priesterin zu schreiben, fühlte ich mich davon sehr angesprochen. Die Veröffentlichung des Buches war ein Meilenstein für uns berufene Frauen – weltweit. Ich habe darin auch meine Geschichte erzählt. Jede der 150 in diesem Buch erzählten Geschichten ist anders, aber alle Frauen haben schmerzhafte, kränkende, ja teils entwürdigende Erfahrungen in dieser männerzentrierten Kirche gemacht, und alle spüren die Unbedingtheit des göttlichen Rufes, dem sie sich nicht entziehen können. Ich verstehe mich als eine von Gottes Liebe reich beschenkte Frau. Christusnachfolge heißt für mich persönlich, diese empfangene Liebe weiterzugeben. Ich spreche Gottes Segen den queeren oder wiederverheirateten Paaren zu, die um Segen bitten. Gott drängt mich, das Evangelium zu verkünden und ich stelle meinen Mund zur Verfügung. Ich kann die Erfüllung des göttlichen Verkündigungsauftrags doch nicht abhängig machen von der willkürlich gesetzten Erlaubnis oder dem Verbot eines Pfarrers zu predigen. Doch nicht wenige berufene Frauen haben längst resigniert, ihre Geduld war erschöpft, sie sind aus der Kirche austreten. Manche sind auch in die altkatholische oder in die evangelische Kirche übergetreten. Dort können sie ihre Berufung zur Diakonin oder Priesterin leben.
Frage: Wäre es für Sie eine Option, die Konfession zu wechseln?
Schmidt: Ich fühle mich den anderen christlichen Kirchen sehr verbunden, engagiere mich in vielen ökumenischen Projekten. Aber die Konfession zu wechseln ist für mich bisher keine Option. Ich bin eine in der katholischen Kirche studierte, sozialisierte und beheimatete Seelsorgerin und möchte meinen Weg innerhalb der Katholischen Kirche weitergehen. Ich lebe aus den Sakramenten und jeden Tag aus der Heiligen Schrift. Daraus schöpfe ich die Kraft, mich für Veränderungen in dieser Kirche, die ich trotz allem liebe, einzusetzen.
Frage: Sind Sie denn weiterhin in der Gemeinde tätig?
Schmidt: Ich bin 66 Jahre alt und inzwischen in Rente. Die Möglichkeit, wie sie Priester und Diakone haben, als Subsidiare tätig zu sein, gibt es für meine Berufsgruppe bedauerlicherweise nicht. Ich bin jedoch weiterhin ehrenamtlich in meiner Gemeinde Sankt-Edith-Stein in Bonn und als Geistliche Begleiterin tätig. Außerdem engagiere ich mich aus Überzeugung und mit positiver Energie für den Diakonat der Frau und in unserer Vernetzung berufener Frauen.
Frage: Denken Sie, Ihre Gebetsinitiative wird während der Weltsynode auch in Rom wahrgenommen werden?
Schmidt: Ja, davon bin ich überzeugt. Kardinal Mario Grech hat erst kürzlich gesagt, dass es ohne Gebet keine echte Veränderung gibt. Das sehen wir berufene Frauen genauso. Wir sind Frauen des Gebets, wie anders sollten wir diese Spannung aushalten können zwischen dem göttlichen Ruf und den Steinen, die uns von der Kirche auf dem Weg aufgetürmt werden? Nun setzen wir auf die große Kraft unserer gemeinschaftlichen Gebete und vertrauen darauf, dass die Synodalen, die Bischöfe und der Papst endlich konkrete Schritte einleiten. Weiteren Vertröstungen nach dem Motto "Die Zeit ist noch nicht reif…", muss die Stirn geboten werden. Wir Frauen zeigen uns, melden uns zu Wort, versuchen das uns Mögliche zu tun, um unseren Herzensanliegen in Rom Aufmerksamkeit zu verschaffen, eben auch durch unsere Gebetsinitiative. Noch stärken wir uns gegenseitig in der Hoffnung, dass die Kirchenleitung sich in diesem synodalen Prozess als lernfähig erweist.
Frage: Wie lautet Ihre persönliche Gebetsbitte an die Synodalen?
Schmidt: Heilige Geisteskraft, stärke alle Frauen, die das Bild der Kirche verändern, in dem sie predigen, taufen und segnen, Gottesdienste und Begräbnisfeiern leiten, als Seelsorgerinnen Menschen einfühlsam begleiten. Führe die zur Einsicht, die sie hindern und dadurch der Kirche diese Gaben vorenthalten. Ermutige alle Frauen und Männer, ihre Talente und Charismen einzusetzen, um die Welt im Sinne Jesu zu gestalten und schenke ihnen Ausdauer.
Zur Person
Brigitte Schmidt war Pastoralreferentin im Erzbistum Köln und ist Mitglied im Netzwerk Diakonat der Frau. Sie engagiert sich im Koordinationsteam der Vernetzung berufener Frauen* und im Netzwerk Köln-Bonn der Edith-Stein-Gesellschaft. Gemeinsam mit Marieluise Gallinat-Schneider koordiniert sie die Gebetsinitivative anlässlich der zweiten Sitzung der Bischofssynode "Für eine synodale Kirche", die vom 2. bis 27. Oktober 2024 im Vatikan stattfindet.