Neue Kardinäle – Eine Namensliste mit klaren Botschaften
Wenn Papst Franziskus am 7. Dezember den neu ernannten Kardinälen das rote Birett überreicht, werden unter der anwesenden Kurienbischöfen einige sein, die zum wiederholten Male leer ausgehen. Sie müssen sich damit abfinden, dass sie nicht – oder noch nicht – für würdig befunden wurden, in den "Senat" des Papstes berufen zu werden.
Dies betrifft vor allem den emsig an der Vorbereitung des Heiligen Jahres arbeitenden Erzbischof Salvatore "Rino" Fisichella. Der seit vielen Jahren ohne Kardinalsrot an der Spitze der vatikanischen Evangelisierungsbehörde stehende Theologe wird wohl erst nach dem erfolgreichen Abschluss des Mammutereignisses für Höheres auserkoren; mit dann 74 Jahren wäre er immer noch jung genug, um in den Kreis der potenziellen Papstwähler vorzurücken.
Was beim Papst vermutlich weniger gut ankam ...
Nicht mehr ganz so viel Zeit hat ein anderer Aspirant. Der bislang hoch im Kurs stehende Erzbischof Vincenzo Paglia wird im Heiligen Jahr bereits 80 und muss danach vermutlich die Leitung der "Päpstlichen Akademie für das Leben" in jüngere Hände übergeben. Den Thinktank des Papstes für allerlei Zukunftsfragen der Menschheit hat er – ganz im Sinne des jesuitisch denkenden Papstes – beharrlich zu einem liberaleren und offeneren Forum von Wissenschaftlern aus aller Welt umgebaut. Doch dass er sich unlängst halböffentlich selbst für die Kardinalswürde ins Gespräch gebracht haben soll, kam beim Papst vermutlich weniger gut an.
Ebenfalls "in die Röhre" schauen die Erzbischöfe so wichtiger Bischofssitze wie Paris, Florenz oder Mailand – während der von Turin, ein wenig überraschend, nun doch Kardinal geworden ist. Mit seinen gerade mal 57 Jahren ist Roberto Repole einer der vielen aus der Altersgruppe der U60, die Papst Franziskus fördert. Aber er ist bei weitem nicht der Jüngste, der am 8. Dezember ins Kardinalskollegium aufrückt.
Zur Gruppe der Youngsters im roten Gewand zählt ab dann auch der indische Prälat George Jacob Koovakad (53), der aktuelle Reisemarschall des Papstes. Gut möglich, dass Franziskus den neuen syro-malabarischen Purpurträger demnächst für schwierige Aufgaben in dessen indischer Heimat einsetzen will. Denn dort tobt seit Jahren ein erbitterter Ritenstreit, in dem sich selbst der Papst nicht so recht durchzusetzen vermag.
Der jüngste Kardinal der Neuzeit
Ähnlich jung ist der litauische Geistliche Rolandas Makrickas (52). Er leitet heute schon faktisch des Papstes Lieblingskirche in Rom, die altehrwürdige Basilika Santa Maria Maggiore, wo Franziskus auch begraben werden will. Ziemlich jung für einen Kardinal ist auch der italienische Migrations-Experte Fabio Baggio (49), der bislang in der vatikanischen Sozial- und Entwicklungsbehörde den Rang eines Untersekretärs bekleidet und möglicherweise in nicht allzu langer Zeit zum Nachfolger des nach einem vielversprechenden Anfang eher blass gebliebenen Präfekten Michael Czerny (78) aufrücken könnte.
Noch jünger als Baggio ist nur der für etwa 35.000 Exil-Ukrainer in Australien zuständige Bischof Mykola Bychok (44). Mit der Ernennung dieses jüngsten Kardinals der Neuzeit brachte der Papst das Kunststück fertig, gleich zwei wichtige Erzbischöfe zu düpieren: Den ukrainischen Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk in Kiew, der sich mitunter kritisch zur diplomatischen Linie des Papstes im russisch-ukranischen Krieg geäußert hat; und den Erzbischof von Sidney, Anthony Fisher, der nach dem Ableben von Kardinal George Pell eigentlich der logische Purpurträger in Australien gewesen wäre. Doch soll er sich kritisch zum harschen Vorgehen des Papstes gegen die Traditionalisten geäußert haben – was ihm vermutlich keine Pluspunkte beim Pontifex einbrachte.
Auch einige afrikanische Erzbischöfe dürften sich mit Nichtbeachtung gestraft fühlen. Sieht man von dem aus Frankreich stammenden Erzbischof von Algier ab, steht diesmal nur ein Afrikaner auf der Liste neu ernannter Kardinäle: Der Erzbischof von Abidjan, Ignace Bessi Dogbo. Einigen anderen könnte es der Papst verübelt haben, dass sie sich am "Aufstand" gegen die vatikanische Öffnung bei der Segnung homosexueller Paare beteiligt haben, bei der zur Jahreswende die Vorsitzenden fast aller afrikanischen Bischofskonferenzen mitmachten.
Lateinamerikanische Bischofssitze weiter hoch im Kurs
Weiter hoch im Kurs stehen hingegen die wichtigen lateinamerikanischen Bischofssitze wie Lima in Peru, Santiago de Chile oder Porto Alegre in Brasilien. Fast überall in Lateinamerikas Metropolen waren Jahrzehnte lang klar konservative Erzbischöfe am Ruder; doch dann hat Franziskus nach und nach Erzbischöfe auf seiner kirchenpolitischen Linie ernannt, und die macht er nun auch nach und nach zu Kardinälen. Dass er außerdem den von ihm persönlich geschaffenen Sitz eines "Primas von Argentinien" in Santiago del Estero im zurückgebliebenen argentinischen Norden mit einem Kardinalshut bedachte, folgt einer innerargentinischen Gerechtigkeits-Logik, die für Außenstehende nur schwer nachzuvollziehen ist.
Da in Europa außerhalb Italiens unter Papst Franziskus ohnehin kaum noch einer der früheren "Kirchenfürsten" auf alten und wichtigen Bischofssitzen mit der Kardinalsernennung rechnet, folgten auch die beiden Kardinalsernennungen für Europa einem bekannten Muster. So wurde mit Erzbischof Ladislav Nemet, dem ungarisch sprechenden Hirten der 20.000 Katholiken in Serbiens Hauptstadt, ein Mann belohnt, der sich im ökumenisch und interreligiös schwierigen Umfeld des früheren Jugoslawien als ein Mann des Dialogs profiliert hat. Hingegen gingen kirchenpolitische Schwergewichte in Ost- und Südosteuropa wieder einmal leer aus.
Ihrer Bereitschaft zum interreligiösen Dialog verdanken vermutlich auch der Erzbischof von Teheran-Isfahan, der Belgier Dominique Mathieu, und der von Algier, Jean-Paul Vesco, ihre Nominierung. Hier wie dort setzt der Papst darauf, dass die Hirten einer kleinen katholischen Herde durch glaubwürdiges Zeugnis inmitten einer andersgläubigen Mehrheit den Dialog unter den Religionen noch mehr voranbringen als wichtige Konferenzen und Dokumente.
Timothy Radcliffe – der wohl exotischste "Neu-Kardinal"
Ganz andere Verdienste haben dem wohl exotischsten "Neu-Kardinal" zu seiner Beförderung verholfen: Timothy Radcliffe aus London, der weit gereiste und langjährige Chef des Dominikanerordens, hat in beiden Vollversammlungen der Weltsynode im Vatikan durch seine geistlichen Impulse entscheidendere Akzente gesetzt als mancher offizielle Synodenteilnehmer mit Kurienamt oder Bischofssitz. Für viele Konservative ist der begnadete Prediger im weißen Gewand ein rotes Tuch – und das nicht nur wegen seiner politisch linken Vergangenheit: Radcliffe hat, ähnlich wie der amerikanische Jesuit James Martin, schon frühzeitig nicht nur für eine Öffnung der katholischen Seelsorge für gleichgeschlechtlich Liebende plädiert, sondern sie auch schon praktiziert, als dies vom Lehramt in Rom noch misstrauisch beäugt wurde.
Beinahe banal nimmt sich im Vergleich dazu die doppelte Beförderung des bisherigen "Vizeregenten" im Bistum Rom, Baldassare Reina, aus. Nachdem Franziskus seine Aufgabe als Bischof von Rom vor etwa drei Jahren fester in die Hand genommen hat, um Wildwuchs und Skandale "vor der eigenen Haustür" zu bereinigen, war es erwartbar, dass er seinen neuen Statthalter dort auch institutionell und zeremoniell absichern würde. Er ernannte ihn in einem Atemzug zum neuen "Generalvikar Seiner Heiligkeit für das Bistum Rom" und zum künftigen Kardinal. Damit kann Reina nun die Reformen im zweitgrößten italienischen Bistum aus eigener Kraft, aber immer unter Aufsicht seines Chefs, vollenden.