Migration ist eine Chance für die gelebte Ökumene
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Viel ist auf dem Weg der Ökumene erreicht worden. Harsches Verwerfen, wie es noch 1864 aus der Feder der Hl. Offiziums verlautete, ist mittlerweile unvorstellbar: "Aber dass Christgläubige […] gemäß einer in höchstem Maße von Häresie befleckten und angekränkelten Absicht für die christliche Einheit beten, kann in keiner Weise geduldet werden." Sukzessive wandelte sich die einseitige Rückkehrökumene der "Häretiker" in den Schoß der Mutter Kirche zu einer Konsensökumene – und das ist gut so! Vielfältige theologische Klärungen sind erfolgt, haben Missverständnisse und polemische Zuspitzungen gemildert. Retardierendes, wie etwa die Erklärung "Dominus Jesus" aus dem Jahr 2000 wurde von deutlichem Protest begleitet. Heinrich Fries und Karl Rahner, die im Jahr 1983 unter dem Titel "Einigung der Kirchen – reale Möglichkeit" einen Fahrplan für eine versöhnte Verschiedenheit vorlegten, sahen sich schon nach Veröffentlichung ihrer Thesen mit dem Geist von "Dominus Jesus" konfrontiert.
Dem gegenüber steht die Magna Charta zur Ökumene des 2. Vatikanischen Konzils: "Der Herr der Zeiten […] hat in jüngster Zeit begonnen, in die voneinander getrennten Christen […] Sehnsucht nach Einheit auszugießen. […] Auch unter unseren getrennten Brüdern ist unter der Einwirkung […] des Heiligen Geistes eine […] Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen entstanden." Theologische Dokumente sind das eine, die gelebte Praxis das andere. Auch hier wird man (im Blick auf die Ostkirchen) fündig: "Die pastorale Praxis zeigt aber, […], dass verschiedene Umstände […] in Betracht gezogen werden […] müssen, unter denen weder die Einheit der Kirche verletzt wird noch irgendwelche zu vermeidenden Gefahren gegeben sind, sondern ein Heilsnotstand und das geistliche Wohl der Seelen drängen." Praxis sticht Theorie – und das aus guten Gründen!
Wenig realisiert ist, dass mittlerweile viele geflüchtete orthodoxe und altorientalische Christ*innen bei uns leben und hiesige Kirchen gerne nutzen. Wahrhaft eine Chance für die gelebte Ökumene – vergeuden wir sie nicht durch ein Nebeneinander, es braucht ein Miteinander!
Der Autor
Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.