Mehr Menschen als je zuvor kehrten katholischer Kirche den Rücken

Löschung aus Taufregister erreicht Rekordhoch in Belgien

Veröffentlicht am 24.10.2024 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel ‐ Sexueller Missbrauch in den Reihen der katholischen Kirche beschäftigt die belgische Gesellschaft so sehr, dass tausende Menschen sich abwenden – durch eine "Enttaufung". Für den drastischen Anstieg könnte eine TV-Dokumentation gesorgt haben.

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In Belgien haben 2023 mehr als 14.000 Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt – so viele wie nie zuvor. Das gab die Kirche in einem aktuellen Jahresbericht bekannt. Als Grund hätten viele eine "Abscheu vor sexuellem Missbrauch" innerhalb der Kirche sowie eine "Kultur des Schweigens" angegeben. 98 Prozent der Anträge auf Löschung aus dem Taufregister verzeichneten die Region Flandern sowie die Erzdiözese Mechelen-Brüssel. Ein formeller Kirchenaustritt ist in Belgien nicht möglich.

Bisher hatten den Angaben zufolge jährlich rund 1.200 Menschen die Löschung aus dem Taufregister beantragt; nur im Jahr 2021 waren es mehr als 5.000. Offiziell begründet werden muss dieser Schritt nicht.

Nach Einschätzung der Kirche hat im vergangenen Jahr die Ausstrahlung der Dokumentation "Von Gott vergessen" zu dem deutlichen Anstieg geführt. Die im öffentlich-rechtlichen flämischen Sender VRT ausgestrahlte Sendung zeigte Interviews mit rund 20 Betroffenen von sexuellem Missbrauch; hauptsächlich ältere Männer, die als Jugendliche in katholischen Einrichtungen missbraucht worden waren.

Debatte über Missbrauch während des Papstbesuchs

Missbrauch war auch ein zentrales Thema während des Besuchs von Papst Franziskus im September. In der Vatikanbotschaft traf er 17 Betroffene sexualisierter Gewalt durch belgische Geistliche. Das Treffen dauerte mehr als zwei Stunden. Anschließend nannte das Kirchenoberhaupt den Missbrauch von Minderjährigen eine Schande. "Diese Schande müssen wir anerkennen, um Vergebung bitten und das Problem lösen." Zuvor hatte das belgische Parlament entschieden, einen neuen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche einzurichten.

Auch in diesem Jahr könnte Belgien mehr Austritte als üblich verzeichnen. Nach der Papstreise kündigten 524 Belgier in einem Offenen Brief an, sich "enttaufen" zu lassen. Damit protestierten sie gegen Aussagen von Franziskus, der bei seinem Belgienbesuch ein früheres Gesetz zur Liberalisierung von Abtreibung als "mörderisch" bezeichnet hatte. (KNA)