Luisa Maurer über das Sonntagsevangelium

Ich sehe was, was du nicht siehst!

Veröffentlicht am 26.10.2024 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
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Trier ‐ Bartimäus' Glaube schenkt ihm nicht nur das Augenlicht, sondern auch den Blick für das Wesentliche: Bald schon wird er seinen Heiler als den Gekreuzigten erkennen. Mit Papst Franziskus begibt sich Luisa Maurer in die alltagswandelnde Sehschule Jesu.

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"Ich sehe was, was du nicht siehst!" – als Kind eins meiner absoluten Lieblingsspiele. Gerne habe ich es beim Wandern oder Spazierengehen mit meinen Eltern gespielt. Die Regel ist einfach: Einer sucht sich etwas aus und die andere muss raten, was derjenige im Blick hat. Das Spiel war beim Gehen durchaus eine Herausforderung. Entweder man sucht sich etwas aus, das am Wegesrand liegt. Dann musste man schnell sein im Raten, bevor man schon wieder vorbei war. Oder aber man sucht sich etwas an einer Person aus, die mit einem läuft, dann muss man aufmerksam sein, um zu erraten, was es ist. Heute noch spiele ich es gerne mit Kindern. Manchmal sehe ich bei dabei den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und errate nur schwer, was andere mir zeigen wollen.

Beim heutigen Sonntagsevangelium denke ich an dieses Spiel. Bartimäus ist blind. Er sehnt sich danach, sehen zu können. Als Jesus zufällig vorbeikommt, nimmt er all seinen Mut zusammen: "Hab Erbarmen mit mir!" Er möchte Barmherzigkeit und Zuwendung von Jesus. Und Jesus wendet sich ihm zu. Es ist keine Magie, die diesen Mann rettet, sondern sein Glaube an Jesus und dass er ihm helfen kann, wieder zu sehen. "Dein Glaube hat dich gerettet!"

"Ich sehe was, was du nicht siehst" funktioniert nur mit Tipps: "Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist rot" oder "Ich sehe was, was du nicht siehst, und das befindet sich an dieser Person." Mit diesen Hinweisen kann das Spiel gelingen. Als Suchende brauche ich jemanden, der meinen Blick in die richtige Richtung lenkt.

Für mich ist die Heilung des blinden Bartimäus ein bisschen wie dieses Spiel. Bartimäus möchte sehen, braucht aber einen Tipp, gewissermaßen eine Sehhilfe von Jesus. Er bestärkt ihn, mutig zu sein, auf seinen Glauben zu setzen. Zuwendung und Barmherzigkeit, das Erbarmen Jesu helfen Bartimäus, dass er sehen kann. Und dann heißt es, "er folgte Jesus auf seinem Weg nach". Jesus zeigt ihm: "Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist ein blinder Mann am Straßenrand. Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist ein Mensch, der Liebe braucht." Das ist die Sehschule, der Bartimäus von diesem Tag an folgt. Im Markusevangelium folgt nach der Erzählung der Heilung des Blinden bald die Passion Jesu. Bartimäus wird sehen, wie Jesus am Kreuz stirbt. Und sich hingibt für die Menschen.

Diesem Jesus nachzufolgen kann mir in meinem Alltag helfen, die richtigen Dinge im Blick zu haben. Auch außerhalb des Spiels "Ich sehe was, was du nicht siehst". Auch und gerade im Vorbeigehen und wenn ich mit anderen unterwegs bin. Papst Franziskus bringt diese Art zu leben in seiner neu erschienenen Enzyklika zusammen. Er beschreibt darin, dass im Fluss der Welt manchmal der Blick für das Wesentliche verloren geht. "Denn, wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Bande zu knüpfen und die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen." (Dilexit nos 217)

Evangelium nach Markus (Mk 10,46b–52)

In jener Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jéricho verließ, saß am Weg ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir! Viele befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!

Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu.

Und Jesus fragte ihn: Was willst du, dass ich dir tue? Der Blinde antwortete: Rabbúni, ich möchte sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dich gerettet. Im gleichen Augenblick konnte er sehen und er folgte Jesus auf seinem Weg nach.

Die Autorin

Luisa Maurer arbeitet als Pastoralreferentin im Bistum Trier und ist Rundfunkbeauftragte des Bistums für den Saarländischen Rundfunk und das Deutschlandradio.

Ausgelegt!

Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.