Ein Interview über ihre neue "Shesus"-Tour, die Kirche und ihren Glauben

Carolin Kebekus: "Ich fühle mich immer noch katholisch"

Veröffentlicht am 02.11.2024 um 00:01 Uhr – Von Nicola Trenz (KNA) – Lesedauer: 

Köln ‐ Gut zehn Monate nach der Geburt ihres Kindes ist Carolin Kebekus zurück auf der Bühne. Im Interview spricht die aus der katholischen Kirche ausgetretene Komikerin über ihre neue "Shesus"-Tour, ihren Blick auf die Kirche und ihren Glauben.

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Was, wenn Jesus eine Frau gewesen wäre? Carolin Kebekus lässt in ihrem neuen Programm keinen Tabubruch aus, besonders nicht beim Thema Religion. Mit neuen Folgen ihrer "Carolin Kebekus Show" im Ersten und mit einer Tour ist die 44-Jährige zurück aus der Elternzeit. Im Interview spricht das Ex-Kirchenmitglied über ihren Glauben und erklärt, was sie als Päpstin verändern würde.

Frage: Frau Kebekus, Ihre neue Tour heißt "Shesus"; es geht um Schwangerschaft und Geburt genauso wie um Kirche und Religion. Wie passen diese Themen zusammen?

Kebekus: Zum einen passt die Auswahl des Szenarios gut in die Reihe meiner bisherigen Programme. Außerdem war ich schon immer religionskritisch unterwegs. Und jetzt hat es gut gepasst, beide Themenbereiche zu verbinden. Seit der Geburt meines Kindes denke ich mir, dass es krass ist, was man als Frau da leistet, was Frauen alles schaffen und aushalten können. Umso erstaunlicher, wie das Patriarchat es über die Jahrtausende geschafft hat, die Frau klein zu halten und auf diese Mutterrolle zu beschränken. Allen voran die katholische Kirche. Mein Programm ist aber nicht darauf ausgelegt, Katholiken-Bashing zu betreiben, sondern ich spreche persönlich über meine Religions- und Kirchenerfahrung.

Frage: Wer ist Ihre Zielgruppe?

Kebekus: Ich glaube, vor allem viele Frauen fühlen sich abgeholt. Es ist das eine, sich selbst so zu überhöhen, wie ich das auf der Bühne mache, als gottgleiche Erscheinung das Programm zu beginnen. Dies dann aber als Frau zu tun, ist noch mal etwas anderes. Vielen Frauen gefällt es, dass mal die Frau auf dem Thron sitzt, weil sie diejenige ist, die Leben erschafft.

Frage: Also braucht es Provokation, um Botschaften zu senden?

Kebekus: Ich spiele in dem Programm mit Fragen wie "Was wäre, wenn Jesus eine Frau gewesen wäre?", "Was ist eigentlich mit den Frauen in der Bibel über viele Übersetzungen passiert?" oder: "Sollten wir den Zugang von Frauen zu geweihten Ämtern überdenken?". Das ist etwas anderes, als sich blasphemisch zu äußern. Und die Reaktionen, der Hass, den ich darauf bekomme, sich Gott mal als Frau vorzustellen, zeigt, wie frauenfeindlich die Gesellschaft zum Teil noch ist.

Frage: Stellen Sie persönlich sich Gott also nicht als alten Mann mit Bart vor?

Kebekus: Vor allen Dingen nicht als strafenden Gott. Ich habe in meiner Kindheit zwei Gesichter von Gott, von Kirche, erlebt. In meiner Kindheit und Jugend war ich Teil einer jungen, neuen Gemeinde in Köln. Meine Eltern waren sehr involviert, sie haben die Gemeinde mitgestaltet, mit vielen anderen jungen Menschen. Auf der anderen Seite hatte ich sehr gläubige Großeltern und eine Uroma. In deren Glauben war der strafende Gott allgegenwärtig, der alles sieht; der böse ist, wenn ich etwas falsch mache. Diese zwei Welten habe ich schwer zusammenbekommen. Und irgendwann habe ich dann noch gelernt, dass ich als Frau zwar schon zur Gemeinde gehöre, aber dass die Liebe dann doch nicht ganz so allumfassend ist und Frauen letztendlich doch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das fand ich befremdlich.

„Ich bin katholisch getauft, christlich erzogen und fühle mich immer noch katholisch, auch wenn ich aus der Kirche ausgetreten bin.“

—  Zitat: Carolin Kebekus

Frage: Wie würden Sie heute Ihren Glauben beschreiben?

Kebekus: Ich bin katholisch getauft, christlich erzogen und fühle mich immer noch katholisch, auch wenn ich aus der Kirche ausgetreten bin. Mehrere Themen treiben mich sehr um. In der Kirche liegt so viel weibliches Potenzial brach. Es gibt viele Frauen, die aktiv sind, die so viel verändern könnten. Aber sie dürfen nicht. Wäre es nicht toll, wenn Kirche ein Ort der Begegnung sein könnte, der Gemeinschaft, der Liebe für alle Menschen? Gerade in dieser Zeit könnte man Kirche ja gut gebrauchen. Und mit Frauen könnte man die Institution Kirche eher am Leben halten. Die Frauenweihe würde das Problem des Personalmangels lösen.

Frage: Welche Themen beschäftigen Sie noch?

Kebekus: Ich finde es erstaunlich, wie sehr im Umgang mit Missbrauch das Außen und Innen auseinanderklafft. Es werden Kommissionen gegründet, die sich mit den Missbrauchsfällen beschäftigen. Aber für Betroffene, die sich um Entschädigung bemühen, ist es katastrophal. Die Aufarbeitung läuft immer noch furchtbar schleppend. Trotz der vielen Austrittszahlen.

Frage: Und Ihr Glaube jenseits der Kirche?

Kebekus: Vieles ist für mich ein riesiges Rätsel. Ich würde sagen, ich glaube an Gott, einen oder eine, das weiß ich nicht. Aber für mich ist Gott nicht jemand, der mich strafend liebt, sondern der mich unterstützend liebt. Und für mich ist Gott auch die Liebe zwischen den Menschen. Dieses Gefühl ist übermenschlich, das muss einen höheren Ursprung haben.

Frage: Geht ihre Kritik vor allem in Richtung Vatikan oder an die Kirche in Deutschland?

Kebekus: Sie geht an beide. Aber ich kenne viele Leute, die in der Gemeindearbeit hierzulande ganz anders drauf sind. Die sich ungehorsam über Dinge hinwegsetzen und wo Frauen viel mehr machen, als sie eigentlich dürfen. Ich übe also nicht pauschale Kritik an jedem, der für die Institution Kirche arbeitet. Das wäre Quatsch. Viel davon muss ich in Richtung Vatikan schicken. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dem Vatikan ist der Standpunkt Deutschlands egal. Der Vatikan hat zuletzt Künstler*innen und Comedians aus der ganzen Welt eingeladen. Das halte ich für eine PR-Aktion. Mit so etwas holen sie die Leute wieder halb auf ihre Seite, und dann sagt der Papst doch wieder was, was eher aus der Steinzeit kommen könnte.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Archivbild)

Mitte Juni empfing Papst Franziskus im Vatikan mehr als 100 internationale Stars der Komik. Carolin Kebekus war nicht eingeladen – weiß aber auch nicht, ob sie hingefahren wäre, wenn sie eine Einladung erhalten hätte.

Frage: Wären Sie hingefahren, wenn Sie eine Einladung zu dem Papsttreffen bekommen hätten?

Kebekus: Das ist eine gute Frage. Der Reiz wäre gewesen, die vielen anderen Comedians aus der ganzen Welt kennenzulernen. Daher kann ich es verstehen, dass das Angebot für viele attraktiv war. Für mich persönlich wäre das aber schon ein Stück weit einer Instrumentalisierung gleichgekommen.

Frage: Kann man heutzutage noch ein Kind taufen lassen?

Kebekus: Ich tue mich wirklich schwer damit, weil ich auch durch den Verein "Umsteuern! Robin Sisterhood", den wir gegründet haben, zu viele Einblicke in persönliche Missbrauchsfälle und vor allem den Umgang damit habe. Aber das ist eine sehr intime Entscheidung. Das kann ich nicht für andere sagen.

Frage: Wollen Sie den Glauben oder religiöse Traditionen an Ihr Kind weitergeben?

Kebekus: Auf jeden Fall. Das hat nichts mit der Institution Kirche zu tun. Meine christlichen Werte, die mir vermittelt wurden, die haben mich geprägt, die sind ja da. Das ist etwas Schönes.

Frage: Sie sprechen in Ihrem Programm viel über Ihre Schwangerschaft und Geburt, gleichzeitig halten Sie sonst Ihr Privatleben sehr bedeckt. Haben Sie nicht Sorge, dass Ihr Kind irgendwann sagt: "Mama, das ist peinlich, dass alle etwas über meine Geburt wissen?"

Kebekus: Die Sachen, die ich erzähle, sind eher für mich peinlich als für das Kind. Ich erzähle zum Beispiel, wie ich mich beim Stillen verhalte oder wie die Geburt für mich war. Ich gebe hier keine Informationen über mein Baby preis, sondern schildere meine Erlebnisse als Mutter.

Frage: Und in den nächsten Jahren? Wo ist die Grenze?

Kebekus: Ich denke, meine Rolle als Mutter wird als zentraler Teil meines Lebens weiter in den Programmen vorkommen. Die Skurrilitäten des Alltags müssen natürlich auf die Bühne. So würde es mir natürlich schwerfallen, nicht auf der Bühne zu erzählen, wenn das Kind was richtig Dummes gesagt hat. (lacht)

„Der Kölner Karneval und die katholische Kirche tun sich in Sachen Frauen nicht viel.“

—  Zitat: Carolin Kebekus

Frage: Manche sagen, man könne heutzutage keine Kinder mehr in die Welt setzen. Was sagen Sie dazu?

Kebekus: Mit der Einstellung hat man die Welt schon abgeschrieben. Wenn man sich anguckt, wie die junge Generation gerade für diesen Planeten kämpft, dann denke ich mir eher, dass man auf jeden Fall noch viele Menschen herstellen muss, die genauso drauf sind. Aber auch das ist natürlich eine sehr private Entscheidung. Ich persönlich würde sagen: gerade das Gegenteil.

Frage: Was kann Humor beitragen in einer Zeit, in der viele vor allem Krisen, Kriege und Populismus wahrnehmen?

Kebekus: Wie allen Menschen machen mir diese Dinge Angst. Aber wir können etwas tun. Als Künstlerin nutze ich sowohl auf der Bühne als auch in der "Carolin Kebekus Show" meine Stimme, um gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen – gerade gegen Populismus. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite braucht es gerade jetzt viel Humor. Ich finde, Humor ist eine Art Erlösung. Ich glaube, dass es schön und befreiend ist, im Lachen Druck abzulassen. Auch über die Dinge zu lachen, die einen ängstigen. Oft schrumpfen sie dann auf das Essentielle zusammen und es zeigt sich eine Absurdität. Ich mache gerade jetzt meinen Job sehr gerne, weil ich das Gefühl habe, die Leute haben richtig Bock zu lachen. Bei mir gibt es grundsätzlich kein Tabuthema. Aber ein Witz muss gut überlegt sein: Je heikler das Thema, desto besser muss meine Pointe überlegt sein.

Frage: Noch mal zurück zur Kirche: Welche drei Dinge würde die Päpstin Carolin Kebekus sofort ändern?

Kebekus: Ich würde erstmal Frauen zu allen geweihten Ämtern zulassen. Dann würde ich den Ausgleich für Opfer der katholischen Kirche viel einfacher machen, klarer kommunizieren und durchführen. Und drittens würde ich für Deutschland dafür sorgen, dass Regierung und Kirche sich an einen Tisch setzen und die Staatsleistungen abschaffen.

Frage: Letzte Frage an Sie als Kölnerin: Hat Köln zuerst eine Erzbischöfin oder besteht zuerst das Dreigestirn aus drei Frauen?

Kebekus: Gute Frage. Der Kölner Karneval und die katholische Kirche tun sich in Sachen Frauen nicht viel. Das wäre wahrscheinlich relativ gleichzeitig. Beim Karneval erwartet jeder noch mehr, dass Frauen wichtiger werden, aber ich befürchte, da wird sich beim Dreigestirn auch so schnell nichts tun.

Von Nicola Trenz (KNA)