Shesus, Jünger*innen und das Mutterunser

Neue Kebekus-Tour: Neben polemischer Kirchenkritik auch starke Momente

Veröffentlicht am 12.10.2024 um 12:00 Uhr – Von Meike Kohlhoff – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Wenn Carolin Kebekus vor ihren "Carolik*innen" über die Kirche redet, ist eins sicher: Es wird kritisch und provokant. Unsere Redakteurin Meike Kohlhoff hat die neue Tour "Shesus" besucht. Bei ihr bleiben vor allem gemischte Gefühle zurück. Eine Rezension.

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"Lasset uns beten." Noch bevor Carolin Kebekus die Bühne betritt, hallt eine männliche, kehlige Stimme durch den Saal. Beinahe grotesk wirkt es, als sich die rund 7.500 Besucher in der ausverkauften Halle tatsächlich zum "Gebet" erheben. Das anschließende "Mutterunser" hat mit dem christlichen Vaterunser dann aber nur wenig zu tun. "Dein ist die Weiblichkeit, wie im Himmel so in Düsseldorf", heißt es. Das Gebet endet mit einem – nun ja – "Amen, Bitches". 

Seit Jahren fällt die Künstlerin immer wieder durch harsche Kirchenkritik auf. Einer der "Höhepunkte": ein Musikvideo, in dem Kebekus unter anderem ein Kruzifix ableckte und sich lasziv davor räkelte. Ein strafrechtliches Verfahren wegen "Beschimpfung religiöser Bekenntnisse" war die Folge. Das wurde allerdings eingestellt.

"Shesus loves you" 

Seit Kurzem läuft nun Kebekus' neues Programm "Shesus", bei dessen Namen man meinen könnte, dass sie es jetzt mit der Kirchen-Comedy auf die Spitze treiben möchte. Nicht umsonst lädt sie nicht einfach Zuschauerinnen und Zuschauer zu ihrer Tour ein. Nein, sie versammelt ihre "Jünger*innen" – so steht es in der Programmeschreibung. Der erste Eindruck bestätigt das schon vor Beginn der Show: Ihr Tour-LKW ist mit "Shesus loves you" beklebt, auf dem Ankündigungsbild der Tour stellt sich Kebekus als Engel mit Heiligenschein dar, das Mikro so provokant wie unauffällig zwischen ihren Beinen platziert. Ihr Merchandise? Eine Gebärmutter mit Heiligenschein und Socken mit der Aufschrift "Holy Shit".  

Als die Comedienne nach dem "Gebet" zur Overtüre schließlich unter tosendem Applaus auf die Bühne tritt, trägt sie einen Mantel, der an einen Talar mit Stola erinnert. Es ist nicht das letzte Mal, dass sie sich in dieser Show mit einem Priester, Maria oder Jesus vergleichen wird. Wer hier von Gotteslästerung spricht, so will sie direkt entkräften, habe unrecht. "Sie findet es sehr witzig", sagt sie über Gott 

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"Gott und Jesus haben gar nichts gegen Frauen. Die Kirche aber schon", sagt die Komikerin. Kebekus spricht über die Sinnlosigkeit der Erbsündenlehre, prangert an, dass starke Frauen in der Bibel häufig zu Prostituierten degradiert würden, und mutmaßt, dass Jesus die Bergpredigt als lange Sprachmemo verfasst hätte, wäre er denn eine Frau gewesen. Er – nein, sie – hätte nach der Auferstehung auch erstmal ein Selfie gemacht. Erstaunlich, dass Kebekus hier selbst in stereotype Klischees über Frauen verfällt, wo sie sonst doch eher für gleichberechtigten Feminismus steht. Dann findet sie aber zu ihrem üblichen Jargon zurück. Über Jesu Aufstieg in den Himmel hätte man, wäre er eine Frau gewesen, gesagt: "Sie hat sich hochgebumst." Spätestens hier driftet Kebekus' "Wenn Jesus eine Frau wäre"-Dauerwitz ins Geschmacklose ab.

In der zweiten Hälfte des Programms rückt das Thema Kirche weiter in den Hintergrund. Kebekus berichtet, dass sie gerne zur Namenspatronin für weibliche Selbstbefriedigung ernannt würde, da sie das richtig gut könne. Gott wirke in der Bibel oft wie ein "leicht reizbarer älterer Herr", der die ganze Zeit Reality-TV schaut und Sims spielt.

Die meisten Kirchenwitze der dreistündigen Show sind platt und nicht einmal neu. An vielen Stellen verpasst sie den Absprung, und was konstruktive Kirchenkritik hätte werden können, wird zu schlicht verletzender Polemik. Kebekus scheint sich seit Jahren um dieselben Themen und Klischees zu drehen. Aktuelle kirchliche Entwicklungen – etwa der deutsche Reformprozess Synodaler Weg, der sich unter anderem für eine Erneuerung der kirchlichen Sexualmoral einsetzt, oder die Weltsynode in Rom – spielen in "Shesus" dagegen keine Rolle.

Kebekus: Botschaft der Liebe Jesu ist "irgendwie verschütt gegangen"

Die Komikerin Carolin Kebekus hat sich immer wieder an der katholischen Kirche abgearbeitet. Nun bemängelt sie ausbleibende Reformen – und spricht über ihre schmerzliche Erfahrung, als Frau ein "minderwertiges" Mitglied der Kirche gewesen zu sein.

Deutlich mehr Herzblut hat Kebekus dagegen in das Thema Mutterschaft gesteckt, das sie aktuell auch ganz persönlich betrifft, da sie vor kurzem ein Kind bekommen hat. Hier zeigt Kebekus, dass sie pointiert und ohne in die Klischeekiste greifen zu müssen, Missstände anprangern, aber auch persönliche Unsicherheiten und Ängste humorvoll reflektieren kann. Da dieser Part auch zeitlich den größten Teil des Programms ausmacht, wirkt der Titel "Shesus" genauso wie der Rahmen der Show beinahe unpassend und weckt falsche Erwartungen. Es ist eben kein Tourprogramm über Kirche und Religion, sondern in erster Linie über Mutterschaft. Die wenigen Kirchenthemen wirken unbeholfen und deplatziert, verkaufen sich als Titel der Tour aber vielleicht besser. Schließlich polarisiert das Thema "Kirche" noch immer.
 
Dabei könnte Kebekus das Thema Kirche gerade mit einem Blick auf die eigene Vita auch ganz anders angehen. Sie ist in einer katholischen Familie aufgewachsen, mittlerweile aus der Kirche ausgetreten, fühlt sich aber immer noch zu ihr zugehörig und bezeichnet sich selbst weiterhin als Katholikin. Es wäre also Platz für Emotionen und viele persönliche Anekdoten, für einen weniger brachialen und verletzenden, feinfühligeren Blick, der deswegen nicht an Humor oder Kritik einbüßen muss. In kurzen Momenten blitzt so etwas immer wieder auf, zum Beispiel als sie von den Kirchenbesuchen ihrer Kindheit spricht. Und auch am Ende des Programms schlägt sie versöhnliche Töne an und möchte noch einmal klarstellen, wie wichtig ihr der Glaube, aber auch Kirche eigentlich sind. Denn diese bedeute Gemeinschaft, also das, was die Welt derzeit brauche. "Für mich ist Gott Liebe. Und ich glaube an die Liebe – und an den 1. FC Köln."  

Zum Abschluss fordert sie alle auf, gemeinsam das Halleluja zu singen. Und auch wenn es sich dabei um das eher säkulare Lied von Leonard Cohen mit verändertem Text handelt, kommt hier ein wohliges Gefühl auf. Fast besinnlich gehen die Besucher nach Hause. Beim nächsten Mal bitte mehr davon.  

Von Meike Kohlhoff