Äbtissin: Möchte nicht mit einem Bischof verglichen werden
Dieses Foto von ihr als Amtsträgerin und dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat einige Fragen ausgelöst, berichtet die 75-jährige Ordensfrau Elisabeth Kralemann. Das Foto ist im Februar in diesem Jahr in der Klosterkirche von Engelthal in Altenstadt während der Feier zur Ewigen Profess einer Mitschwester entstanden. Danach wollten manche wissen, welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede es zwischen ihr und einem Bischof gebe, so die Benediktinerin. Rein äußerlich tragen beide die gleichen Insignien. "Der Bischof leitet eine ganze Diözese, ich nur eine kleine Klostergemeinschaft", erklärt Äbtissin Kralemann. Sie mag ihr Amt gerne und versteht die damit verbundenen Amtsinsignien nicht als Zeichen der Macht, sondern als Symbole für den Dienst an ihren Mitschwestern. Außerdem möchte sie gar nicht mit einem Bischof verglichen werden, betont die Benediktinerin.
Während der Professfeier vor einem Jahr gab es eine klare Rollenverteilung zwischen ihr und dem Bischof, erklärt die Äbtissin weiter. Sie nahm stellvertretend für die Gemeinschaft das Versprechen der neuen Mitschwester entgegen und der Bischof spendete Schwester Hannah dann die monastische Weihe. Schwester Hannah Wichmann ist 51 Jahre alt und die jüngste Schwester des Konvents. Über ihren Eintritt habe sich die kleine Gemeinschaft sehr gefreut, sagt Äbtissin Kralemann. Zum Engelthaler Kloster gehören heute noch 13 Benediktinerinnen. Das Kloster wurde 1962 gegründet und ist gemeinsam mit anderen Frauen- und Männerklöstern Teil der Beuroner Benediktinerkongregation. Die Abtei liegt in Altenstadt, in der Nähe von Frankfurt, im Bistum Mainz.
Schwester Elisabeth Kralemann gehört der Gemeinschaft seit über 40 Jahren an. "Obwohl ich früher evangelisch war", lacht die Ordensfrau, die in Bielefeld in einem protestantischen Elternhaus aufgewachsen ist und daher evangelisch getauft wurde. Nach dem Abitur machte sie eine Ausbildung zur Grund- und Hauptschullehrerin und zog für ihre erste Arbeitsstelle nach Berlin. Dort war sie öfters bei den Treffen einer ökumenische Gebets- und Bibelgruppe, die von Jesuiten geleitet wurde. Über den Glauben mit anderen zu reden, gefiel der jungen Lehrerin damals. Auf diese Weise lernte sie verschiedene Rituale und Gebetsweisen der katholischen Kirche kennen, die Geschichten von Heiligen, das Psalmen- und Stundengebet und das Feiern der Eucharistie. "Die Messe zog mich richtig an", blickt die Ordensfrau zurück.
"Vor allem, dass die Wandlung über die Feier hinaus bestehen bleibt und Katholiken deshalb mit den gewandelten Gaben so ehrfürchtig umgehen", bewegte sie. Mit 25 Jahren beschloss Schwester Elisabeth, katholisch zu werden und zu konvertieren. Weil sie "nach mehr als nach einer beruflichen Erfüllung suchte" und ihr "Leben ganz Gott zur Verfügung stellen wollte", wie sie es beschreibt. Sie "plante eine richtige Klosterreise", um eine passende Ordensgemeinschaft für sich zu finden, erinnert sich die 75-Jährige. Damals besuchte sie zuerst die Benediktinerinnen in Engelthal, weil sie dort eine Bekannte hatte. "Als ich dort ankam, war es Liebe auf den ersten Blick", blickt die Ordensfrau zurück. Bis heute ist Schwester Elisabeth gerne Benediktinerin. Zwar erlebte sie in ihrer Klosterzeit Höhen und Tiefen, aber "nie solch eine Krise, dass ich aus der Gemeinschaft weggehen wollte".
Später absolvierte Schwester Elisabeth noch ein Religionspädagogik-Studium in München und wurde Novizenmeisterin der Gemeinschaft. Im Januar 2003 wurde die Benediktinerin zur dritten Äbtissin ihrer Gemeinschaft gewählt. Ihrer Weihe stand der damalige Mainzer Bischof Karl Lehmann vor, der auch das Weihegebet sprach. "Während er betete, breitete er die Hände über mir aus", blickt die Benediktinerin zurück. Ihre Vorvorgängerin im Amt, die erste Äbtissin von Kloster Engelthal, wurde 1966 noch mit eindeutiger Handauflegung von einem Bischof geweiht. Dieser alte Ritus wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil abgeschafft und vereinfacht. "Damit es zu keiner Verwechslung der Weiheformen kommen konnte", bemerkt Schwester Elisabeth. Die Weihe eines Abtes oder einer Äbtissin sei keine echte Weihe, sondern eine feierliche Segnung, ergänzt die Ordensfrau und verweist auf die wissenschaftliche Arbeit der Kirchenhistorikerin Sarah Röttger, die die Tradition der Äbtissinnenweihe umfassend untersucht hat.
Benediktsregel als Richtschnur
Schwester Elisabeth denkt gerne an ihre Äbtissinnenweihe zurück: Als ihr damals während der feierlichen Liturgie die Ordensregel überreicht wurde, war sie sehr ergriffen. Denn die Regel des Heiligen Benedikt ist wie eine Richtschnur für ihr Leitungsamt im Kloster. Auch wurde ihr damals bei der Feier der Äbtissinnenstab übergeben. Den trugen bereits ihre Vorgängerinnen im Amt. "Er wird immer von einer an die nächste Äbtissin weitergereicht", erklärt die Ordensfrau. Ihr Hirtenstab ist aus Holz geformt. Oben an der Spitze sind drei Blätter aus Metall zu erkennen. Darunter ist eine lateinische Inschrift aus der Bibel eingraviert, ein Wort aus dem Buch Hiob: "Das Holz hat Hoffnung abgehauen, dann schlägt es wieder aus." Für Schwester Elisabeth ist dieser Stab ein Hoffnungszeichen. Sie trägt ihn zu besondern Anlässen im Kloster wie an Weihnachten oder bei besonden monastischen Feiern der Gemeinschaft. Das Jahr über steht er in ihrem Amtsraum und erinnert sie immer wieder daran, dass ihr ihre klösterliche Gemeinschaft anvertraut ist und sie gut für sie sorgen will.
Auch wenn manches in der Ordenslandschaft in Deutschland auseinanderbricht und monastische Gemeinschaften kleiner werden, "es geht immer irgendwie weiter, wenn auch anders", ist die Äbtissin überzeugt. Auch ihre Gemeinschaft wird kleiner und älter. "Ich habe ganz viel Gottvertrauen, dass es immer wieder Aufbrüche gibt." Seit ihrer Weihe trägt die 75-Jährige zusätzlich zu ihrem Professring auch einen Äbtissinnenring an ihrer Hand. Dieser symbolisiere die feste Bindung an ihre Gemeinschaft. Auch das Brustkreuz, das bereits ihre Vorgängerinnen im Amt getragen haben, habe sie nach ihrer Wahl zur Äbtissin erhalten.
Und Schwester Elisabeth berichtet noch von Besonderheiten in ihrer Gemeinschaft. Weil der Konvent im Kloster Engelthal seit einigen Jahren keinen eigenen Hausgeistlichen mehr hat, gibt es auch keine tägliche Messe mehr. "Wir beten ja mehrmals am Tag unser Stundengebet", sagt Kralemann. "Wir wissen, dass auch im Wort der Schrift Christus gegenwärtig ist." Wenn sonntags einmal die heilige Messe ausfallen muss, dann gestalten die Schwestern eine Wortgottesfeier miteinander und mit den Gästen und teilen die verschiedenen Dienste untereinander auf. "Das stärkt uns als Frauengemeinschaft sehr", betont die Äbtissin. Meistens stehe sie selbst der Feier vor und teile die konsekrierten Hostien bei der Kommunion aus. Eine andere Mitschwester halte dann meist eine Kurzpredigt. Schwester Elisabeth findet es eine gute Lösung, wenn Frauengemeinschaften selbständig Liturgie feiern können.
Schwester Elisabeth selbst verspürt keine Berufung zur Priesterin. Dennoch kann sie sich die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern in der katholischen Kirche vorstellen und würde sich darüber freuen. Doch schon heute könnten Frauen in pastoralen Diensten und in der Katechese vieles mitgestalten, sagt die Benediktinerin überzeugt. In ihrer Klostergemeinschaft gebe es mehrere kleinere Segensrituale, die sie als Äbtissin vollzieht. Das ist der tägliche Segen der Mahlzeiten im Speisesaal, der Abendsegen der Mitschwestern und Gäste mit Weihwasser, der Reisesegen oder der Haussegen im Advent, in dem alle Räume des Klosters mit besonderen Gebeten gesegnet werden. Manchmal wünscht sich die Engelthaler Äbtissin jedoch schon, dass sie ganz offiziell zum Beispiel die Erlaubnis dazu hätte, ihren älteren Mitschwestern die Krankensalbung spenden zu können anstatt eines Priesters, der nicht immer so schnell zur Stelle sein könne.
Schwester Elisabeth ist noch ein halbes Jahr im Amt, dann wird wieder neu gewählt. Denn die Wahl einer Äbtissin auf Lebenszeit gibt es in ihrer Ordensgemeinschaft nicht mehr. In der Beuroner Benediktinerkongregation kann man eine Äbtissin bis zum 70. Lebensjahr oder für zwölf Jahre und später noch einmal auf weitere sechs Jahre wählen. Äbtissin Kralemann findet es gut, dass die Gemeinschaft von Zeit zu Zeit neu entscheiden kann, wer die Leiterin des Klosters ist. Darin unterscheidet sich die Wahl einer Äbtissin dann doch wieder von einem Bischof, der das Amt meist auf Lebenszeit beziehungsweise bis zu seinem 75. Lebensjahr innehat.