Stephan Alof organisiert Themenwoche zu "Tod und Schönheit"

Trauerredner: Es tut den Menschen gut, dem Tod ins Gesicht zu schauen

Veröffentlicht am 23.11.2024 um 12:00 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 

München ‐ Manche Menschen trifft der Verlust ihrer Liebsten besonders hart, weil sie sich nie mit dem Tod beschäftigt haben. Das will Bestatter Stephan Alof ändern. Im Interview mit katholisch.de erklärt er, wie es beim Sterben auch schöne Momente geben kann.

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Frage: Herr Alof, im Flyer zur Ihrer Projektwoche schreiben Sie, Tod und Schönheit seien zwei Seiten einer Medaille. Können Sie das genauer erläutern? Ich kenne eher die Beschreibung des Todes als "Fratze"…

Alof: Die Formulierung ist eine bewusste Provokation: Was hat der Tod mit Schönheit zu tun? Als Bestatter erlebe ich immer wieder, dass Menschen, die ihr Leben bewusst und gut gelebt haben, auch anders, schöner sterben können. Wer offen ist für das Leben, wer sich auf andere Menschen einlässt und die eigenen Talente fördert, der wird auch würdevoller sterben. Mit Hilfe von Theologie, Philosophie, Musik oder Kunst können auch in Zeiten von Tod und Trauer schöne Momente entstehen. Diese Spannung wollen wir in der Projektwoche aufzeigen.

Frage: Was heißt denn aus Ihrer Sicht "schön" sterben?

Alof: Das bedeutet für jeden Sterbenden etwas anderes. Es ist wichtig zu besprechen, was Dir jetzt noch gut tut, was Du dir  für Deine letzten Tage und Augenblicke wünschst, wie Deine Trauerfeier gestaltet werden soll. Der Leichenschmaus muss nicht nur traurig sein, er kann auch eine richtige Party sein. Eine Sterbende, die ich begleite, hat ein Theater gemietet. Nach ihrem Tod gibt es für die Hinterbliebenen statt Tröster eine Aufführung, die sie sich gewünscht hat. Ein Mann aus München wünschte sich, dass seine Asche im Wind verstreut wird. Das ist hier in Deutschland allerdings nicht erlaubt. Aber er liebte Griechenland und so sind wir nach Kreta gereist und haben auf einem Berg 700 Meter über dem Meeresspiegel die Trauerzeremonie abgehalten und die Asche im Wind verstreut.

Stephan Alof im Portrait
Bild: ©picture alliance/SZ Photo|Florian Peljak

Der Kirchenpfleger und Bestatter Stephan Alof

Frage: Das klingt alles ziemlich aufwändig….

Alof: Das muss es aber nicht sein. Denken Sie an den Blumenschmuck: Angehörige könnten den selbst gestalten. Damit setzen sie sich intensiv mit dem Verstorbenen auseinander und bringen eine sehr persönliche Note in die Beerdigung. Bruder Stephan Oppermann aus der Benediktinerabtei Maria Laach ist Bildhauer und Florist. Er leitet in unserer Themenwoche "Der Tod und die Schönheit" Angehörige an, wie sie einen schönen Blumenschmuck gestalten können. Etwas nach dem Tod eines geliebten Menschen zu tun, kann wie eine Therapie wirken. Ich habe einmal Eltern begleitet, ihr 9-jähriger Junge wurde sehr tragisch auf dem Heimweg von der Schule von einem Auto überfahren. Der Vater hat dann den Sarg zusammen mit einem Freund in der heimischen Werkstatt selbst gebaut. Er sagt heute noch, dass das so "schön" war und in der Trauerarbeit gut getan hat.

Frage: Wo zeigt sich Ästhetik im Zusammenhang mit Tod noch: in einer würdevollen Trauerfeier, einer würdevollen Beerdigung?

Alof: Da gibt es leider oft noch Luft nach oben. Sind wir mal ehrlich: Bei  vielen Trauerfeiern wird in 20 Minuten der Lebenslauf heruntergelesen, dann gibt es noch ein "Oh Herr, gib ihm die ewige Ruhe" dazu – und das wars. Gerade katholische Seelsorger müssen mehr auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Welchen Charakter hatte der Verstorbene? Es geht aber auch um die Angehörigen: Ihnen ist gerade der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Gleichzeitig kann der Tod eines lieben Menschen wahnsinnige Energien freisetzen. Wenn ich auf dem Friedhof bin, formuliere ich das gern sehr drastisch: Was haben Sie heute Morgen beim Blick in den Spiegel gesehen? Waren Sie zufrieden? Wenn etwas in Ihrem Leben nicht passt, dann wäre gerade jetzt die richtige Zeit, das zu ändern. Ich möchte, dass die Menschen nach einer Beerdigung mit einem guten Gefühl nach Hause gehen und ich würde sagen, dass wir das zu 90% auch schaffen.

Frage: Hat die katholische Kirche eine besondere Kompetenz, wenn es um Schönheit und Tod geht?

Alof: Die Kirche hat einen reichen Schatz an Ritualen, der muss nur gehoben werden. Meine Oma ist beispielsweise Ende der 70er Jahre noch drei Tage aufgebahrt worden. Ich empfehle das auch heute allen Angehörigen. Turbobestattungen, bei denen der Bestatter nur möglichst schnell kommen und den Toten wegbringen soll, sind nicht zu empfehlen. Es tut den Menschen gut, dem Tod ins Gesicht schauen. Dann ruft nach ein, zwei Tagen die Ehefrau oder der Ehemann an und sagt, jetzt bin ich so weit, jetzt können Sie den Verstorbenen abholen. Solche Prozesse sind unglaublich wichtig.   

„Es war mir immer wichtig, Menschen, die im Sterben liegen, nicht mit frommen Sprüchen zu kommen.“

—  Zitat: Stephan Alof

Frage: Welche Rituale gibt es da noch?

Alof: Es gibt wunderschöne Symbole und Gesten. Da ist zum Beispiel der Psalm "Zum Paradies mögen Engel dich geleiten", der sehr oft am Grab gesungen wird. Wenn der Sarg hinabgesenkt wird, hat das eine große Wirkung, genauso der Einsatz von Weihrauch oder Weihwasser. Vor allem können sich Christen aber auf das Kreuz berufen. Die Hoffnung auf Auferstehung macht uns Christen aus. Am Ostersonntag lachen wir den Tod aus und fragen: Tod, wo ist dein Stachel?

Frage: Sie haben als Intensivkrankenpfleger über viele Jahre hinweg Patienten im Endstadium begleitet. Was waren schöne Augenblicke?

Alof: Es war mir immer wichtig, Menschen, die im Sterben liegen, nicht mit frommen Sprüchen zu kommen. Ein Abiturient hat mir mal die Frage gestellt: Warum? Warum muss ich sterben? Ich stand da und wusste nicht, was ich antworten sollte. Und dann habe ich genau das gesagt: ‚Ich habe keine Ahnung‘. Das hat der Junge aber nicht als Bankrotterklärung aufgefasst, sondern war dankbar für diese Ehrlichkeit. Von den Ärzten hören Sterbende oft, welche Therapiemöglichkeiten es noch gibt, die Verwandten sagen, es wird schon alles gut, der Pfarrer sagt, das Leid ist nicht zu vergleichen mit dem, was kommen wird. Aber wir beide waren ahnungslos und das hat uns sehr verbunden. Ich habe versprochen: Ich weiß zwar nicht, warum der liebe Gott das zulässt, aber auf eines kannst Du Dich verlassen: Ich bleibe bis zum Schluss hier bei Dir.

Frage: Wie sind Sie auf die Idee für die Themenwoche gekommen?

Alof: Ich will Tod und Sterben in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte bringen: Wie wollen wir bestattet werden, wie dürfen wir sterben? Damit sollten sich schon Kinder und Jugendliche beschäftigen. Wenn jemand stirbt, sind die Angehörigen oft überfordert, weil sie sich nie intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Es ist ein Tabu. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Es gibt Seniorenheime, da dürfen die Verstorbenen erst spät abends abgeholt werden, damit sie niemand sieht. In manchen deutschen Städten ist schon überlegt worden, dass Leichenwägen generell nur abends auf den Straßen fahren. Und in Krankenhäusern ist die Leichenhalle oft da, wo auch Müll oder Wäsche abgeholt werden. Alles nach dem Motto: Bloß nicht sichtbar machen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Der Tod gehört zum Leben. Sir Anthony Hopkins hat einmal gesagt: ‚Keiner von uns kommt lebend hier heraus‘. Also sollten wir unsere Zeit für leckeres Essen und Schwimmen im Meer nutzen, ebenso um komisch und verrückt zu sein. Genau das denke ich auch.

Von Gabriele Höfling

Themenwoche

Die Themenwoche "Der Tod und die Schönheit" findet von Samstag, 23.11. bis Samstag, 29.11. im Haus der Begegnung in Burghausen und an anderen Orten des Bistums Passau statt. Es gibt Gottesdienste, Lesungen, Workshops und Musik rund um das Thema. Stephan Alof würde in der Zukunft ähnliche Themenwochen gern auch in anderen Bistümern anbieten. (gho)