Erfurter Bischof fordert Zugang Geflüchteter zum Arbeitsmarkt

Neymeyr: Aufgeschlossenheit gegenüber Homosexuellen erst spät gelernt

Veröffentlicht am 22.11.2024 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Um die Menschenwürde muss heute gekämpft werden, ist Bischof Ulrich Neymeyr überzeugt. Dafür müsse man auch die eigenen Einstellungen verändern. Dass das nicht einfach sei, könne er aus eigener Erfahrung sagen.

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Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr hat sich dafür ausgesprochen, eigene diskriminierende Einstellungen zu bekämpfen. Dass das nicht einfach sei, könne er aus eigener Erfahrung bestätigen: "Erst relativ spät habe ich gelernt, auch homosexuell veranlagten Menschen aufgeschlossen und unvoreingenommen zu begegnen", sagte Neymeyr laut Redemanuskript beim Elisabethempfang seines Bistums am Donnerstag. "Ich musste mich tatsächlich einüben, jemanden, von dem ich wusste, dass er mit einem gleichgeschlechtlichen Menschen verheiratet ist zu fragen: 'Wie geht es Ihrem Mann?' oder 'Wie geht es Ihrer Frau?'", so der Erfurter Bischof. Hier seien Kirche und Gesellschaft "immer noch auf dem Weg".

Neymeyr führte als weiteres Beispiel an, dass er auch den unbefangenen Umgang mit Menschen mit Behinderung erst als Kaplan gelernt habe, als in der dortigen Pfarrei trotz Protest der Nachbarschaft eine Wohngruppe für junge Menschen eingerichtet worden war. "Einige Jugendliche dieser Wohngruppe kamen auch zum Gottesdienst und luden mich in ihre Wohngruppe ein. Ich war regelmäßig dort und habe die unbekümmerte Aufgeschlossenheit dieser Menschen sehr schätzen gelernt", sagt Neymeyr. Als ein Priester aus Nigeria in seiner Heimatgemeinde die Urlaubsvertretung übernommen habe, habe er als Messdiener zunächst nicht gewusst, wie er diesem Priester begegnen sollte. Bei einer Dia-Präsentation mit Bildern aus der Heimat des Priesters sei dann "das Eis recht schnell gebrochen". Das Leben und den Umgang mit älteren Menschen habe er bei einem Sozialpraktikum im Laufe seiner Priesterausbildung gelernt, so Neymeyr.

In seiner Ansprache betonte der Bischof außerdem, dass aus seiner Sicht heute um die Menschenwürde gekämpft werden müsse. Artikel 1 des Grundgesetzes sei "eine aktuelle Verpflichtung" für die Politik und die staatlichen Einrichtungen. In seiner Ansprache hob er auch darauf ab, dass Arbeit zur Würde des Menschen gehöre. "Es ist ein Ausdruck der Menschenwürde, dass der Mensch sich seinen Lebensunterhalt selbst verdient."

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Neymeyr sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass auch geflüchtete Menschen die Möglichkeit erhalten müssten, sich durch Arbeit ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Voraussetzung dafür seien "Sprachkurse, Integrationskurse, zügige Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen, Kinderbetreuung – und natürlich unsere eigene Offenheit für Menschen aus anderen Kulturen". Zugleich dürfe es nicht reizvoll sein, "von staatlicher Alimentation zu leben". Die katholische Soziallehre fordere Strukturen, die Menschen ein auskömmliches Arbeiten unter menschenwürdigen Bedingungen ermöglichten. "Das heißt aber auch, dass dort, wo immer es möglich ist, die Menschen als Ausdruck ihrer Menschenwürde auch einer Erwerbsarbeit nachgehen sollen."

Beim Elisabethempfang lobte der scheidende Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Katholikentag in Erfurt im Juni dieses Jahres. "Ich war überzeugt, dass die Stadt Erfurt, das Land Thüringen und die katholische Kirche gemeinsam mit unseren evangelischen Brüdern und Schwestern etwas Großartiges schaffen würden – und genau das ist geschehen", so Ramelow. Er habe viele evangelische Christen getroffen, die ihm gesagt hätten, das dies der "schönste ökumenische Kirchentag war, den sie je besucht haben". 

Seit 1992 richtet das Bistum Erfurt den Elisabethempfang als Begegnungsabend von Kirche und Politik aus. Er wird jedes Jahr in zeitlicher Nähe zum Gedenktag der heiligen Elisabeth von Thüringen veranstaltet, die als Patronin des Bistums verehrt wird. (cbr)