Klaus Mertes über die ökumenische Kraft des 20. Juli 1944

Perspektive für die Zukunft

Veröffentlicht am 20.07.2015 um 00:01 Uhr – Von Pater Klaus Mertes SJ – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Klaus Mertes über die ökumenische Kraft des 20. Juli 1944

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Philipp von Boeselager, einer der Überlebenden der Verschwörung gegen Hitler, formulierte in seinem letzten Interview: "Ich hoffe, ich habe das klar gemacht. Ich bin als Nicht-Preuße, Anti-Protestant groß geworden und als Anti-Franzose. Meine Preußenfeindlichkeit hat sich durch Tresckow, Kleist, Oertzen, Schulze-Büttner und diese Kerle gelegt. Ich habe dann die richtigen Preußen kennen gelernt. Und besonders die protestantische Kirche, mit denen wir verfeindet waren, schätzen gelernt, und ich behaupte immer, die Ökumene hatte ihren Ursprung im KZ und im Widerstand."

Ich stelle die Worte des Protestanten Helmut James von Moltke daneben, der wegen seiner Kontakte zu Jesuiten und katholischen Bischöfen zum Tod verurteilt wurde: "Dass ich als Märtyrer für den Heiligen Ignatius von Loyola sterbe - und darauf kommt es letztlich hinaus, denn alles andere war daneben nebensächlich -, ist wahrlich ein Witz, und ich zittere schon vor dem väterlichen Zorn von Papi, der doch so antikatholisch war. Das andere wird er billigen, aber das? Auch Mami wird wohl nicht ganz einverstanden sein."

Der Fall von konfesssionstrennenden Mauern war Frucht des Widerstandes, bis hin zu einer tiefen Sehnsucht der Märtyrer nach dem gemeinsamen Abendmahl. Diese Sehnsucht führte in den Gefängnissen und Konzentrationslagern zu eindrucksvollen Gesten der Einheit. Johannes Paul II. schrieb in seiner Enzyklika zur Jahrtausendwende dazu: "Der Ökumenismus der Heiligen, der Märtyrer, ist vielleicht am überzeugendsten. Die Gemeinschaft der Heiligen spricht mit lauterer Stimme als die Urheber der Spaltung."

Hören wir diese Stimme heute? Ökumenische Einheit liegt nicht bloß vor uns. Sie liegt bereits hinter uns. Wir fallen dahinter zurück, je weiter der zeitliche Abstand ist, der uns von ihr entfernt. Manchmal empfiehlt es sich also, eher nach hinten als noch vorne zu schauen, um Perspektiven für die Zukunft der Ökumene zu gewinnen, Perspektiven, die über unseren Horizont und unsere Selbstsicherheit hinausgehen. Der 20. Juli eignet sich für solch ein vorausdenkendes Nachdenken ganz besonders.

Der Autor

Pater Klaus Mertes ist Direktor des katholischen Kolleg St. Blasien im Schwarzwald. 2010 brachte er in seiner früheren Funktion als Rektor des Canisius-Kollegs in Berlin die Aufdeckung des kirchlichen Missbrauchsskandals ins Rollen.

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Von Pater Klaus Mertes SJ