Vatikan-Arbeitsgruppe soll Gesetzesvorlage ausarbeiten

Glaubensdikasterium will geistlichen Missbrauch zur Straftat machen

Veröffentlicht am 26.11.2024 um 09:17 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Immer wieder gibt es Fälle von Missbrauch, in denen unter dem Vorwand von Spiritualität und Mystik Taten begangen werden. Das Kirchenrecht kann solche Taten bislang kaum erfassen – jetzt will der Vatikan das Problem rechtlich angehen.

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Der Vatikan arbeitet daran, einen kirchenrechtlichen Straftatbestand für geistlichen Missbrauch und "falschen Mystizismus" einzuführen. Am Montag veröffentlichte das Glaubensdikasterium auf seiner Webseite eine entsprechende Gesprächsvorlage, die Kardinalpräfekt Víctor Manuel Fernández in der vergangenen Woche Papst Franziskus in einer Audienz vorgelegt hat. Demnach hat das Dikasterium für die Gesetzestexte eine aus Vertretern beider Dikasterien besetzte Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Präfektes des Gesetzesdikasteriums eingerichtet, um eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten. Einen Zeitplan haben die Dikasterien noch nicht veröffentlicht.

Der Gesprächsvorlage zufolge taucht der Begriff des "falschen Mystizismus" in der Geschäftsordnung des Glaubensdikasteriums auf, in der der Behörde die Aufgabe zugewiesen wird, "Probleme und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Disziplin des Glaubens, wie Fälle von Pseudo-Mystik, angebliche Erscheinungen, Visionen und Botschaften, die einem übernatürlichen Ursprung zugeschrieben werden" zu bearbeiten. Damit seien spirituelle Vorstellungen gemeint, "die der Harmonie des katholischen Gottesbildes und unserer Beziehung zum Herrn schaden", erläutert Fernández in der Gesprächsvorlage.

"Falscher Mystizismus" bisher nicht im kirchlichen Strafgesetzbuch

Im Kirchenrecht gebe es aber derzeit keine Straftat, die "falschen Mystizismus" unter Strafe stelle, obwohl der Ausdruck von manchen Kirchenrechtlern im Zusammenhang mit Missbrauchstaten verwendet werde. Daher sei es momentan nur möglich, "falschen Mystizismus" in der Bewertung der Schwere anderer Straftaten zu berücksichtigen, nicht aber, derartige Verhaltensweisen an sich zu bestrafen. Fernández spricht sich in seiner Vorlage dafür aus, für eine strafrechtliche Regelung von "geistlichem Missbrauch" zu sprechen, um den weit gefassten und vieldeutigen Begriff "falscher Mystizismus" rechtlich zu bestimmen.

In den vergangenen Jahren wurden immer wieder prominente Missbrauchsfälle und -vorwürfe publik, in denen sexualisierte Gewalt von Beschuldigten spirituell gerechtfertigt wurde. Beispiele dafür sind die Vorwürfe gegen den Ex-Jesuiten Marko Rupnik, bei dem sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch zu seinem Schaffensprozess bei der Herstellung von Kunstwerken gehören soll, oder der Fall des Gründers der geistlichen Gemeinschaft "Familie Mariens". Ehemalige Mitglieder der Gemeinschaft hatten ihm eine unzulässige Vermischung von Seelsorge und Leitung der von ihm gegründeten Organisation vorgeworfen.

Deutsche Bischöfe haben sich bereits mit geistlichem Missbrauch befasst

Anfang des Jahres hatte Kardinal Fernández bereits mitgeteilt, dass die Kirche wachsamer gegenüber diesem Phänomen geworden sei. "Heute sind wir aufmerksamer als früher, wenn es um die Möglichkeit geht, dass mystische oder spirituelle Elemente dazu benutzt werden, Menschen auszunutzen oder sogar zu missbrauchen", sagte er gegenüber einer US-Kirchenzeitung und kündigte an, dass sein Dikasterium sich damit befassen werde.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat im vergangenen Jahr eine Arbeitshilfe zum Umgang mit Geistlichem Missbrauch veröffentlicht. Darin wird festgestellt, dass die kirchenrechtliche Verfolgung von geistlichem Missbrauch nur sehr begrenzt möglich ist: "Denn Geistlicher Missbrauch als komplexes System wird weder im kirchlichen Strafrecht (reformierte Fassung von 2021) noch im staatlichen Strafgesetzbuch als Straftat qualifiziert." Als Regelungen im kirchlichen Strafrecht, die geistlichen Missbrauch teilweise erfassen, zählt die Arbeitshilfe den Missbrauch in der Beichte erworbenen Wissens, Amtsmissbrauch und Amtspflichtverletzungen, Verletzung des Beichtgeheimnisses, Verletzung des guten Rufs und die Erzwingung sexueller Handlungen. (fxn)