Was die offizielle Approbation des Papstes bedeutet

Maßschnur für Bischöfe – das Synodendokument als ordentliches Lehramt

Veröffentlicht am 27.11.2024 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Bonn/Vatikanstadt ‐ Eigentlich wollte Papst Franziskus der Weltsynode das letzte Wort lassen. Jetzt hat er sich doch noch einmal zum Abschlussdokument geäußert und unmissverständlich deutlich gemacht, dass es Teil des Lehramts ist. Trotz oft vager Ansagen: Für Bischöfe hat das klare Konsequenzen.

  • Teilen:

Am Ende hat der Papst dann doch mehr als eine Rede und ausgestreckte Hände gebraucht, um das Abschlussdokument der Weltsynode unmissverständlich anzuerkennen. Schon bei seiner Schlussansprache vor der Synode kündigte Papst Franziskus an, dass es dieses Mal von ihm kein nachsynodales Schreiben geben werde. "Das, was wir angenommen haben, ist genug", sagte er – wie diese Worte aber zu interpretieren waren, war damit noch nicht klar. Denn ein "wir" gibt es in der Synode zwischen Papst und Synodalen eigentlich nicht: Der Papst selbst ist das Gegenüber der Synode und ihr Vorsitzender, nicht ihr Mitglied.

Die einen – so etwa der deutsche Synodenberater Thomas Söding – sahen die Synode gestärkt, indem ihr Abschlussdokument sofort angenommen wurde. Andere – etwa der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke – wiesen darauf hin, dass mit dem umgangssprachlich-vereinnahmenden "Wir" des Papstes noch lange nicht die kirchenrechtlich verbindliche päpstliche Approbation gemeint sein muss, die die Synodenordnung vorsieht, um dem Abschlussdokument "Anteil am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri" zu verschaffen.

Abschluss der Beratungen bei Weltsynode
Bild: ©KNA/Vatican Media/CNS photo (Archivbild)

Wenn Papst Franziskus von "Wir" spricht, dann darf das nicht über die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben von Papst und Synode hinwegtäuschen – deshalb brauchte es noch eine ergänzende Note, um den Status des Synodenpapiers unmissverständlich zu klären.

Am Ende hatten beide Seiten recht: Das Abschlussdokument hat Anteil am ordentlichen Lehramt, aber erst ein formaler und damit unmissverständlicher päpstlicher Akt der Approbation hat das noch eigens klargestellt: Am Montag veröffentlichte das vatikanische Presseamt doch noch eine "begleitende Note" von Papst Franziskus zum Abschlussdokument. Darin bezieht sich der Papst ausdrücklich auf Artikel 18 der von ihm selbst in Kraft gesetzten Synodenkonstitution "Episcopalis communio" und das darin vorgesehene Verfahren der päpstlichen Approbation: "Das Schlussdokument ist Teil des ordentlichen Lehramtes des Nachfolgers Petri (vgl. EC 18 § 1; KKK 892), und als solches bitte ich, es anzunehmen."

Viel mehr als nur eine Bitte

Dass der Papst von einer Bitte spricht, ist eine Höflichkeitsform. Tatsächlich ist die Verbindlichkeit eines päpstlich approbierten Abschlussdokuments deutlich höher als ein bloßes Bitten – und kann sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen, wenn Gläubige die Bitte ausschlagen. Sowohl die Synodenordnung wie der von Papst Franziskus angeführte Katechismusartikel 892 verweisen auf das ordentliche Lehramt des Papstes. Diesem Lehramt ist zwar keine "Glaubenszustimmung", wohl aber "religiöser Verstandes- und Willensgehorsam" entgegenzubringen, wie es in der Sprache des Kirchenrechts heißt (c. 752 CIC). Das bedeutet: Glauben muss zwar niemand, was im Abschlussdokument steht, wie das etwa bei Dogmen der Fall wäre.

Wohl aber muss es "ehrfürchtig anerkannt" werden und den Positionen "aufrichtige Anhänglichkeit gezollt" werden, wie es das Zweite Vatikanische Konzil in seiner Kirchenkonstitution "Lumen Gentium" (Nr. 25) formuliert. Damit sollen nicht Verstand und Willen ausgeschaltet werden, kommentiert der "Münsterische Kommentar zum CIC", und ein eigenständiges "Nachdenken und Forschen" werde erwartet. Letzten Endes werde in dieser Verbindlichkeitsstufe aber erwartet, dass die von der höchsten Autorität der Kirche vorgetragene Lehre akzeptiert wird. So wichtig war dem kirchlichen Gesetzgeber dieser Gehorsam, dass auf die "hartnäckige Ablehnung" derart vorgetragener Lehren kirchliche Strafen ausgesetzt sind – insbesondere der Amtsverlust. Auf diese Konsequenzen verweist Papst Franziskus nicht ausdrücklich. Er lässt sie angesichts konservativer Kritik an der Weltsynode und ihren Beschlüssen aber zumindest anklingen.

Die tatsächlichen Auswirkungen des Abschlussdokuments bleiben damit aber dennoch vorerst vage. Dass Papst Franziskus das Papier unverändert approbieren würde, war im Entstehungsprozess nicht absehbar und anscheinend auch nicht im Blick. Auch mit Blick auf die bisherigen Synoden dieses und der vorherigen Pontifikate wurde damit gerechnet, dass es ein nachsynodales Schreiben geben wird, in dem sich der Papst zu den Vorschlägen der Synodalen verhält. Der Passauer Bischof Stefan Oster sagte nach der Veröffentlichung des Dokuments etwa, die Synode sei beim Verfassen des Textes davon ausgegangen, dem Papst Vorschläge zu unterbreiten, aus denen dieser dann einen verbindlichen Text erstelle. Entsprechend ist das Abschlussdokument auch formuliert: Es gibt keine fertigen Maßnahmen und Regelungen, die mit der Approbation eins zu eins Gesetz werden würden, stattdessen Aufforderungen und Wünsche. Bei seiner Abschlussansprache hatte Franziskus selbst darauf hingewiesen, dass das Dokument "nicht streng normativ ist". In der begleitenden Note wiederholt er diese Bemerkung.

Auch ohne dogmatische Entscheidung Lehrentwicklung

Änderungen an der Lehre der Kirche sieht das Abschlussdokument ohnehin nicht vor. Daran ändert auch die Approbation nichts. Wohl aber wirkt sich die Anerkennung auf die Auslegung und Entwicklung der Lehre aus, insbesondere bei einem besonders kontroversen Thema: Im Abschlussdokument wird die Frage nach der Weihe von Diakoninnen als offen bezeichnet. Obwohl die Antwort darauf immer noch ungewiss ist, ist mit der Markierung als offen doch eine dogmatische Klarstellung getroffen.

Blick in die Audienzhalle bei den Beratungen der Weltsynode
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani (Archivbild)

In der Audienzhalle des Vatikans berieten die Synodalen an runden Tischen – im geistlichen Dialog, nicht als Parlament, das am Ende klare Beschlüsse in Gesetzesform gefasst hat.

Papst Johannes Paul II. stellte 1994 in seinem Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" fest, dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Die Frage nach der Diakoninnenweihe blieb im Wortlaut des Dokuments offen – die eine Seite sah durch die Dreigliedrigkeit des einen Weihesakraments eine Diakoninnenweihe durch "Ordinatio sacerdotalis" ausgeschlossen, die andere durch die fehlende Erwähnung nicht. Indem nun also die Offenheit der Frage zum Lehramt gezählt wird, wurde zugleich die offene Interpretation von "Ordinatio sacerdotalis" bestätigt – und zwar unabhängig von der ebenfalls kontrovers diskutierten Frage, ob "Ordinatio sacerdotalis" Teil des unfehlbaren oder nur des ordentlichen Lehramts der Kirche ist.

Hier kommt es weiterhin auf den Papst an, was er aus der offenen Frage macht. Diese und andere kontroverse Fragen hatte er ohnehin schon vorher in Arbeitsgruppen wegmoderiert, die für Themen zuständig sind, für die es "Zeit braucht, um zu Entscheidungen zu gelangen, die die ganze Kirche einbeziehen" – auch diesen Abschnitt der Abschlussrede zitiert Franziskus erneut. Jetzt stellt er in Aussicht, dass zu den bisherigen zehn Arbeitsgruppen noch weitere kommen könnten, um Fragen von derartiger Tragweite zu beraten.

Synodalität als Haltung im Zentrum

Die bisherigen zehn Arbeitsgruppen decken bereits eine große Bandbreite kritischer Themen ab: die Beziehungen der katholischen Ostkirchen zur lateinischen Kirche, Armut, Mission im Digitalen, die Reform der Priesterausbildungsordnung, Grundsatzfragen zum kirchlichen Amt (hier wurde auch die Diakoninnen-Frage diskutiert), das Verhältnis von Bischöfen, Orden und kirchlichen Vereinigungen, das Bischofsamt und seine Ausübung, die Rolle der päpstlichen Nuntien, Methoden zum Umgang mit kontroversen Fragen zur Lehre sowie Ökumene. Indem diese Gruppen weiterarbeiten, wird es auch schwer, mit Blick auf den deutschen Synodalen Weg klare Wegvorgaben abzulesen: Das, was weltkirchlich zu Spannungen führt, wurde bewusst aus der Synodendiskussion so gut es ging herausgehalten.

Wichtiger als konkrete Fragen scheint dem Papst ohnehin Synodalität als grundlegende Methode zu sein, wie die Kirche lebt und arbeitet: Nach dem Willen von Franziskus sollen die Ergebnisse der Synode nun der Kirche "maßgebliche Orientierung für ihr Leben und ihre Sendung" geben, dabei aber durchaus schon konkrete Ergebnisse zeitigen: die Ortskirchen seien jetzt schon verpflichtet, Entscheidungen im Geiste des Abschlussdokuments zu treffen und die Hinweise umzusetzen, "und zwar durch die vom Gesetz und vom Dokument selbst vorgesehenen Prozesse der Unterscheidung und Entscheidungsfindung".

Die einzelnen Ortskirchen und insbesondere ihre Bischöfe stehen damit vor der Aufgabe, zu unterscheiden, was jetzt schon im Rahmen des Rechts möglich ist. Obwohl das Abschlussdokument eine Stärkung der Bischofskonferenzen vorsieht, dürfte das meiste auf Ebene der einzelnen Bistümer umzusetzen sein: Dass Bischofskonferenzen kaum eigene Entscheidungskompetenzen haben, wird seit dem Zweiten Vatikanum und auch von Papst Franziskus selbst immer wieder beklagt – neue Kompetenzen hat ihnen der Papst als zuständiger Gesetzgeber aber bisher kaum zugeteilt. Immer wieder wurde bei der Weltsynode aber mehr oder weniger offen angedeutet, dass Arbeiten an Reformen des Kirchenrechts schon liefen, ohne dass bekannt wurde, was geplant ist.

Beim Ad-limina-Besuch herrscht Berichtspflicht über Synodalität

Ohnehin geht es aber für den Papst in vielen Fällen darum, das wirksam umzusetzen, was das Recht ohnehin schon gestattet. Gerade mit Blick auf die stärkere Beteiligung von Laien zeigen die sehr unterschiedlich ausgeprägten Praktiken in unterschiedlichen Ortskirchen die Bandbreite, die heute schon möglich ist – die deutschen Diözesen sind hier Vorreiter, die die Möglichkeiten des Rechts – teils mit römischen Sondererlaubnissen – besonders stark ausreizen.

Ein Bischof schließt einen Stift, unter seinen Händen liegt das Abschlussdokument der Weltsynode
Bild: ©synod.va/Lagarica (Archivbild)

Ein Bischof schließt einen Stift, unter seinen Händen liegt das Abschlussdokument der Weltsynode – künftig dürften Bischöfe gut beraten sein, das Abschlussdokument als Arbeitsprogramm zu verstehen.

Unterhalb von rechtlich zu gestaltenden Strukturen ist der Spielraum größer. Hier fordert der Papst dazu auf, "durch eine synodale Unterscheidung und im Rahmen der vom Schlussdokument aufgezeigten Möglichkeiten zur schöpferischen Aktivierung neuer Formen des Dienstes und des missionarischen Handelns überzugehen". Ausdrücklich soll experimentiert werden.

Die Verantwortung für die Umsetzung trägt in erster Linie der jeweilige Diözesanbischof. Ihn nimmt der Papst in seiner begleitenden Notiz besonders in die Pflicht: Bei den künftigen Ad-limina-Besuchen, bei denen die Bischöfe nach Rom pilgern und vor dem Papst Rechenschaft über ihre Amtsführung ablegen, müssen die Bischöfe in ihrem Bericht darlegen, welche Entscheidungen sie mit Blick auf das Schlussdokument getroffen haben, auf welche Schwierigkeiten sie gestoßen sind und welche Früchte sie damit ernten konnten.

Das dürfte nun auch den weiteren Umgang mit dem Abschlussdokument prägen: Jede Entwicklung und Planung in den Ortskirchen wird künftig an den im Abschlussdokument entwickelten Kriterien gemessen werden. Alle Gläubigen können die Ergebnisse der Synode als Messlatte für ihren Bischof heranziehen – und angesichts der im Abschlussdokument stark gemachten Rechenschaftspflicht von Bischöfen auch zumindest mit moralischer Autorität Antworten einfordern. Begründungspflichtig sind künftig diejenigen, die Vorschläge der Synode nicht umsetzen, nicht die, die vorangehen und experimentieren. Tatsächlich rechtlich verbindlich ändern wird sich aber erst etwas, wenn Papst Franziskus selbst Konsequenzen zieht. Denn bei aller synodaler Rhetorik des "Wir": Am Ende bleibt es der Papst, der entscheidet, und niemand sonst.

Von Felix Neumann