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Theologe: Rede vom Ende der Volkskirche sorgt für mehr Kirchenferne

Veröffentlicht am 27.11.2024 um 12:06 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Die Volkskirche ist am Ende. Ist das nur eine Diagnose oder redet man damit die Krise erst herbei? Für den Bochumer Theologen Gerd Neuhaus ist die Antwort klar – vieles an der Krise sei hausgemacht.

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Der Theologe Gerd Neuhaus sieht in der Rede vom Ende der Volkskirche eine Ursache für steigende Kirchenferne. Die Schaffung immer größerer Strukturen durch die Zusammenlegung von Pfarreien sei für Gläubige eine zweifache Zumutung, schreibt der ehemalige Bochumer Professor für Fundamentaltheologie in einem Beitrag für Communio (Dienstag): "Sie sollen sich nicht nur von einem Verständnis von Kirche verabschieden, das ihnen durch eben diese Kirche gepredigt worden ist, sondern müssen es sich mitunter auch gefallen lassen, dass ihnen im Verhältnis zu ihrem lokalen Kirchengebäude durch die Bistumsleitung 'Kirchturmdenken' vorgeworfen wird."

Zwar sei eine Überidentifikation mit der Ortsgemeinde immer schon falsch gewesen. Man dürfe sie aber nicht denjenigen Gläubigen zum Vorwurf machen, "denen dieses Bewusstsein im wahrsten Sinne des Wortes gepredigt worden ist". Diese Gemeindemitglieder hätten sich oft unter großem personellem und finanziellem Einsatz für den Erhalt ihrer Kirchen und Pfarrheime eingesetzt. Daher fühle sich diese Personengruppe zum großen Teil zutiefst verletzt, wenn ihr dieses Bewusstsein nun zum Vorwurf gemacht werde. Es dürfe niemanden verwundern, wenn sie sich zu einem großen Teil aus dem kirchlichen Leben zurückzögen. "Wer also im genannten Sinne das Ende der Volkskirche ausruft, ist zu einem erheblichen Teil mitverantwortlich für eine Entwicklung der Kirchenferne, die er vermeintlich nur diagnostiziert", so Neuhaus.

Erst Knappheit an Priestern habe Aufwertung der Laien bewirkt

Obwohl bereits das Zweite Vatikanische Konzil mit seinem Dekret über das Laienapostolat eine Aufwertung von Laien in Angriff genommen habe, sei das Bewusstsein für die Bedeutung der Laien erst durch eine veränderte ökonomische Basis kirchlichen Lebens gewachsen. Gegenwärtig werde vor allem die "Verwaltung des Mangels demokratisiert", wenn Laien pastorale Aufgaben anvertraut würden, für die es keine Priester mehr gebe: "Diejenigen Laien, die nun mit großem und ernstzunehmendem Engagement die ihnen übertragene Verantwortung wahrnehmen, müssen sich darum fragen, ob sie nicht unfreiwillig die 'nützlichen Idioten' eines Systems geworden sind, dessen Klerikalismus sich als sein Gegenteil gebärdet."

Angesichts der Zusammenlegung und Zentralisierung pastoraler Räume fragt Neuhaus, warum sich dieser Prozess auf die einstigen Pfarreien begrenzt: "Wenn nämlich die historisch gewachsenen Gemeinden immer mehr in dem aufgehen, was früher einmal das Dekanat war, dann muss mit dem gleichen Recht gefragt werden, ob nicht auch Bistümer aufgelöst und zu größeren Einheiten zusammengelegt werden sollten." Eine Zusammenlegung von Bistümern würde dazu führen, dass mehr Priester für die Pastoral in den Gemeinden verfügbar wären, "die gegenwärtig durch Leitungsaufgaben in der jeweiligen – und oft vollkommen überorganisierten – Bistumsverwaltung gebunden sind". (fxn)