Antonia Murr leitet seit Juli die Kanzlei des Bistums Passau

Passaus Kanzlerin

Veröffentlicht am 21.07.2015 um 00:01 Uhr – Von Sophia Michalzik – Lesedauer: 
Bistum Passau

Bonn ‐ Es gibt eine neue Kanzlerin: An der Spitze der Kanzlei des Bistums Passau steht nun eine Frau. Antonia Murr trägt nicht nur die gleichen Initialen wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern als Leiterin dieser Hauptabteilung auch große Verantwortung.

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Zunächst sei sie überrascht gewesen, als sie erfuhr, dass ihr die Leitung der Kanzlei des Bistums Passau übertragen wurde, erinnert sie sich. Geschichtsträchtig war die Nachricht allemal: Immerhin ist die 50-Jährige die erste Hauptabteilungsleiterin in der Geschichte des Bistums. Schon vor ihrer Ernennung hat Murr 20 Jahre die Rechtsabteilung der Diözese geleitet. Diese Aufgabe wird die Justiziarin auch weiterhin ausführen. Gefreut hat sie sich über die neue Aufgabe sehr: "Das empfinde ich als große Wertschätzung." Die Entscheidung von Bischof Stefan Oster und Generalvikar Klaus Metzl (im Foto links) gebe ihr das Vertrauen, dass sich die neuen Aufgaben gut bewältigen lassen.

An denen wird es Murr in Zukunft nicht mangeln.  Auch wenn wohl viele eine Kanzlei nicht in der Kirche verorten würden, ist die "Bestellung" eines Kanzlers im Kirchenrecht, dem Codex Iuris Canonici, grundsätzlich vorgesehen. So heißt es im Canon 482: "In jeder Kurie ist ein Kanzler zu bestellen, dessen vornehmliche Aufgabe, falls das Partikularrecht nichts anderes vorsieht, darin besteht, für die Ausfertigung und Herausgabe der Akten der Kurie und ihre Aufbewahrung im Archiv der Kurie Sorge zu tragen."  Oder anders ausgedrückt: "Ein Kanzler ist oberster Urkundsbeamter", erläutert Murr. Er kümmert sich um die rechtmäßige Ausfertigung, Herausgabe und dauerhafte Aufbewahrung der Akten des Bischöflichen Ordinariats. Priester muss man – wie man am Beispiel von Antonia Murr sieht – nicht zwingend sein. Kriterien gibt es dennoch: "Kanzler und Notare müssen unbescholten und über jeden Verdacht erhaben sein", legt Canon 483 fest.

Blick auf den Passauer Dom St. Stephan.
Bild: ©traveldia/Fotolia.com

Im Bistum Passau ist die Kanzlei eine von fünf Hauptabteilungen. Ihr steht seit Juli die Justiziarin Antonia Murr vor.

Im Bistum Passau ist die Kanzlei eine von fünf Hauptabteilungen. Ein sogenanntes Organigramm, das jede Diözese regelmäßig erstellen muss, regelt die Zuständigkeiten. Im Bistum Passau bedeutet das konkret: Es gibt fünf Hauptabteilungen, von denen eine die Kanzlei ist. Ihr sind wiederum verschiedene Referate wie Rechtsabteilung, Pressestelle, Bistumsblatt, Archiv und Registratur zugeordnet. Weitere Hauptabteilungen sind beispielsweise die für Personal oder für die Seelsorge.

Dass Antonia Murr als Frau eine solche Führungsposition bekleidet, ist innerhalb der katholischen Kirche immer noch etwas Neues – auch wenn es mittlerweile einige Ausnahmen gibt. So wird die Pressestelle im Bistum Passau von Monika Zieringer geleitet. Im Bistum Magdeburg steht Friederike Maier dem Fachbereich Pastoral vor. Kardinal Rainer Maria Woelki gab im April bekannt, dass Petra Dierkes Hauptabteilungsleiterin für den Bereich Seelsorge wird.

Papst Franziskus fordert mehr "Kreativität und Wagemut"

Es tut sich also was in der Kirche. Das liegt nicht zuletzt auch an Papst Franziskus: Schon wenige Monate nach seiner Wahl kam er auf die Rolle von Frauen in der Kirche zu sprechen. Die Aufgabe der Frau in der katholischen Kirche dürfe sich nach seiner Ansicht nicht auf niedere Dienste beschränken. "Ich leide, wenn ich sehe, wie in der Kirche oder in einigen kirchlichen Einrichtungen die Rolle des Dienstes der Frau in eine Rolle der Dienerschaft abgleitet", so Franziskus.

„Wir haben noch nicht verstanden, welche Dinge uns der weibliche Genius geben kann.“

—  Zitat: Papst Franziskus

Bei einer Generalaudienz im April 2014 forderte er mehr "Kreativität und Wagemut" bei den Bemühungen um Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kirche und Gesellschaft. "Es ist notwendig, dass der Frau nicht nur zugehört wird, sondern dass ihre Stimme ein reales Gewicht hat und dass sie ein anerkanntes Ansehen in Gesellschaft und Kirche erhält." Der Umgang, den Jesus mit Frauen pflegte, erleuchte einen Weg, den Kirche und Gesellschaft bisher nur "ein Stückchen" gegangen seien. "Wir haben noch nicht verstanden, welche Dinge uns der weibliche Genius geben kann", so der Papst.

Der Papst wünscht sich mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen. Dem nachzukommen, sieht Murr als Herausforderung für die Kirche. Ob jemand geeignet für eine Führungsposition ist, ist für die Kanzlerin grundsätzlich eine Frage von Leistung und Eignung  - und nicht vom Geschlecht abhängig.  Doch egal ob Wirtschaft oder Kirche, Frauen in leitender Funktion sind immer noch etwas Besonderes. Dabei seien fachliche Kompetenzen und Qualifikationen nicht vom Geschlecht abhängig, sagt Murr. Außerdem könne eine "weibliche Sicht der Dinge" auf viele Bereiche sehr hilfreich sein.

Beruf und Familie müssen gut vereinbar sein

Ob Frauen grundsätzlich anders arbeiten als Männer, will Murr so pauschal nicht sagen. "Aber ich denke, dass wir Frauen schon grundsätzlich mehr leisten müssen, um eine Führungsposition auszufüllen", sagt sie. Die Gesellschaft gestehe Männern eher das Recht zu, dass ihnen für verantwortungsvolle Jobs in der Familie und in ihrem sozialen Umfeld der Rücken freigehalten werde. Dadurch, dass viele Führungsebenen überdurchschnittlich mit Männern besetzt seien, bringe eine Frau dann schon durch ihr "Frau-sein" eine "neue, oftmals sehr tatkräftige, ergebnisorientierte Herangehensweise an Themen", so Murr. Das bedeute im Regelfall, das zu tun, was getan werden muss, um den Alltag zu organisieren, einen Weg zu ebnen oder Probleme zu lösen. Verallgemeinern will sie das aber auf keinen Fall. "Das soll nicht heißen, dass ich Männern schon wegen des Geschlechts diese Eigenschaften abspreche", betont sie.

Dass Frauen es aber oft schwer haben, Beruf und Familie unter einen Gut zu bekommen, weiß die Justiziarin. Sie selbst hat zwei Kinder. Da die bereits erwachsen sind, ist ihr zeitfüllender Job kein Problem. Um mehr Frauen Führungsaufgaben zu übertragen, müsse aber noch ein Umfeld geschaffen werden, in dem es möglich ist, Beruf und Familie gut zu vereinbaren, sagt sie. "Es ist eben auch eine Frage der Zeit, der Koordination und des Managements, ob sich Frauen für Führungspositionen entscheiden wollen und können." Das gilt auch für die Kirche.

Von Sophia Michalzik