Geschenke kaufen ist Freude und Last zugleich
Wenn Kinder auf die Frage, was sie an Weihnachten am liebsten mögen, ziemlich verlässlich mit "die Geschenke" antworten, mag manchem Erwachsenen ein leichtes Zucken in den Augenwinkel kommen. Aber eigentlich haben die Kinder ja Recht: Besinnung, Essen und Familie, alles gut und schön – aber Geschenke bekommen, das ist doch etwas Tolles!
Dass Menschen gern schenken und beschenkt werden, lässt sich jahrtausendelang zurückverfolgen. Es mag kein Urinstinkt sein. Doch schon in den ältesten überlieferten Schriften geht es um das Schenken und beschenkt werden. Das ist oft eine Art Tausch: Man schenkt etwas und bekommt dafür etwas zurück, vielleicht nicht genau jetzt und genau im gleichen Gegenwert, aber das kommt schon noch. Es geht also um soziale Aussage. Beziehungen werden gestärkt und Vertrauen ausgedrückt: Darauf, dass eine soziale Beziehung fortbesteht und ein Geschenk in irgendeiner Form erwidert wird.
Der französische Ethnologe Marcel Mauss hat das bereits in seinem zum Klassiker gewordenen Essay "Die Gabe" aus dem Jahr 1924 ausgedrückt. Er sprach davon, dass es kulturübergreifend eine Form von Austausch und Verträgen in Form von Geschenken gibt, "die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert werden müssen". Einen wichtigen Unterschied, so Mauss weiter, gibt es dabei zum Warenaustausch im Handel: Denn Geschenke sind nicht nur Tausch, sie wollen Symbole sein für gegenseitige Anerkennung, auch über Fremdheit und Feindschaft hinaus. Verbindungen sollen neu geknüpft und gestärkt werden. Er prägte dafür den Begriff "Schenkökonomie".
Viele Geschenke in der Bibel
Das macht auch vor der Bibel nicht Halt: Das Buch Jesus Sirach geht sogar direkt auf die versteckten Hintergedanken beim Schenken ein. "Die Gabe eines Toren ist dir nicht nützlich, / ähnlich die eines Neiders wegen seiner Nötigung; / denn seine Augen sind statt einem viele." (Sir 20,14) Nichts desto weniger haben Geschenke auch in der Bibel nicht selten eine Funktion. Um seinen Bruder Esau, den er mit einer List um den Erstgeburtssegen des Vaters betrogen hat und der ihn deshalb umbringen will, wieder gütig zu stimmen, fährt Jakob im Buch Genesis einiges auf: 200 Ziegen, 20 Böcke, 200 Mutterschafe, 20 Widder, 30 säugende Kamele mit ihren Jungen, 40 Kühe, zehn Stiere, 20 Eselinnen und zehn Esel. (Gen 32,15-16) Das schlechte Gewissen wird hier geradezu greifbar – und das Mittel, um den Willen zur Versöhnung auszudrücken. Genau dieser Wille hätte Esau aber bereits gereicht, beiden Brüder fallen sich in die Arme. Esau will das Geschenk eigentlich gar nicht annehmen. Dazu muss ihn Jakob erst überreden.
Die vor allem im Zusammenhang mit Weihnachten bekanntesten Geschenke sind jene der drei Weisen aus dem Morgenland an den frisch geborenen Jesus. Sie schenken Symbolisches: Gold als Zeichen des Reichtums, Weihrauch als Zeichen für Rauchopfer im Jerusalemer Tempel und mit der Myrrhe den Grundstoff für das heilige Öl.
In beiden Fällen zeigen sich einige Ambiguitäten, die auch die Soziologen und Ethnologen beim Thema Schenken beschäftigen. Da ist zum einen ein Ungleichgewicht: Wenn Jakob seinem Bruder herdenweise Tiere schenkt, kann er das tun, weil er vorher in der Ferne reich geworden ist. Sein Geschenk drückt also auch eine ungleiche ökonomische Situation aus. Übertragen auf das 21. Jahrhundert stellt sich beim Schenken immer wieder die Frage: Wem was zu welchem Preis schenken? Denn Geschenke können auch Ungleichgewicht ausdrücken, sei es in Bezug auf Geld oder Macht. Das kann die eigentliche Intention der Solidarität stören – muss sie aber nicht. Esau ist das beste Beispiel dafür.
Ebenso kann es sein, dass nur eine von zwei Parteien schenkt und die andere so in ein zumindest gefühltes Abhängigkeitsverhältnis drängt. Aufpassen ist also angesagt, schreibt die Marburger Alttestamentlerin Alexandra Grund in einem Aufsatz: "Das Wissen um den situativen Kontext, die Absichten der Akteure und den Zustand der Beziehung, in denen sich ein Gabegeschehen abspielt, ist für dessen gelungene Deutung meist notwendig. Doch auch wenn Gebende wie Erwidernde ihre Absichten gut kennen und sich im Geben als frei erleben, kann ihr Tausch auf der verobjektivierenden Deutungsebene als durch internalisierte Normen (erlernte Dankbarkeit o. ä.) zustandekommender Automatismus verstanden werden."
Es spielen also auch Erziehung und gesellschaftliche Normen eine Rolle: Etwa, sich auch über ein unwillkommenes Geschenk freuen und dafür bedanken zu müssen. Oder aber, nur etwas zu schenken, damit man auch selbst etwas bekommt. Dafür hatten schon die alten Römer den Spruch "do ut des" (Ich gebe, damit du gibst).
Dazu kommt seit etwa 150 Jahren auch eine ökonomische Komponente. Mit der Industrialisierung und der Säkularisierung wurde das Schenken auch ein wirtschaftlicher Faktor: Heute machte der Einzelhandel etwa ein Fünftel seines Jahresumsatzes mit und um Weihnachten. Ausgegeben wird für Geschenke immer mehr. 2011 waren es laut einer FOM-Umfrage aus diesem Jahr noch 338,90 Euro, in diesem Jahr werden es um die 533,20 Euro sein – ein neuer Höchststand, zu dem sicher auch die Inflation beiträgt. Gutscheine, Süßwaren, Spielzeug, Kleidung und Bücher (EY-Erhebung 2023) oder auch Bücher, Kleidung, Reisen und Parfum (FOM 2024). Alles Unsinn, schrieb der US-Wirtschaftswissenschaftler Joel Waldfogel 1993. Sein Gedanke: Durch das viele Schenken an Weihnachten wird extrem viel Wert vernichtet, weil die Beschenkten ein Geschenk deutlich weniger schätzen würden, als es dessen Geldwert eigentlich rechtfertigen würde. Man kauft halt nie zu 100 Prozent das richtige. Diesen Effekt fasste er auch in Zahlen und sprach von einem weltweiten Wertverlust von 25 Milliarden Dollar. Er nannte das eine "Orgie der Selbstvernichtung" und riet vom Schenken ab.
Ohne Geschenke ist auch keine Lösung
Das ist auch nicht unbedingt eine Lösung, schreibt Grund: "Wer sich einem Gabegeschehen zu entziehen sucht, muss nicht nur auf Partizipation verzichten. Verweigerte Gabe, Annahme oder Gegengabe kann vielmehr als Ablehnung des anderen aufgefasst werden und in ernsthafte Konflikte führen." Denn trotz Konsumekstase: Die grundlegende Dynamik eines durch Dinge ausgedrückten sozialen Geschehens bleibt erhalten. "Wir inszenieren zu Weihnachten eine Art Gegenwelt, in der man etwas bekommt, ohne etwas dafür leisten zu müssen", sagt die Soziologin Elfie Miklautz gegenüber der "Deutschen Welle". "Im Gegensatz zur kapitalistischen Marktlogik, in der Berechnung, Profit und Eigennutz das Tun bestimmen, geht es im Schenken um uneigennütziges, großzügiges Verausgaben. Wir machen Kinder glauben an eine Welt, in der das Wünschen – ganz wie im Märchen – noch geholfen hat, und vergegenwärtigen uns damit unsere eigene Sehnsucht."
Damit diese Vision auch Wirklichkeit wird, muss das richtige Geschenk her. Auch hier geht es, wie beim Schenken generell, um die soziale Beziehung. Empathie für den zu Beschenkenden ist gefragt. "Wenn man mal von der Mittelschicht ausgeht, könnte man sagen, dass wir uns die Dinge natürlich auch selbst kaufen könnten, und zwar passgenauer zu unseren Wünschen. Damit ein Geschenk tatsächlich Freude macht oder gar überrascht, muss es schon sehr speziell der Person und der Beziehung, in der man zu ihr steht, entsprechen", so Miklautz.
Wenn es in diesem Jahr an das Geschenkebesorgen geht, bleibt die Quintessenz: Schenken ist leichter gesagt als getan. Mehr Geld, mehr Erwartungen und eine gewisse Unausweichlichkeit lasten auf jedem, der im Vorweihnachtsstress ist. Da hilft vielleicht ein Blick zurück auf die Bibel: Verschenkt wird da neben Dingen auch viel Liebe und Leidenschaft (etwa im Hohelied). Und Liebe kann man bekanntlich nicht kaufen.