Das Opus Dei erfindet sich neu
Auch das Opus Dei übt sich in "Synodalität". Die Laienbewegung der katholischen Kirche überarbeitet derzeit jene Strukturen, die ihr Papst Johannes Paul II. 1982 als einer Personalprälatur in einzigartiger Weise gewährte. Damals sollte sie mit ihrem Prälat an der Spitze Teil der Hierarchie sein – auf einer Ebene mit den Ortskirchen. Papst Franziskus jedoch erinnert das "Werk Gottes" nun wieder an dessen laikales Charisma. Vor der 100-Jahr-Feier in gut drei Jahren soll es runderneuert werden – auch im Sinne jener Synodalität, die zum Markenkern des Franziskus-Pontifikats wurde. Beim Opus Dei heißt das vor allem: mehr Selbstbestimmung der Mitglieder, weniger Zentralismus und schlankere Strukturen.
Wesentlich für die 1928 vom spanischen Priester Josemaría Escrivá de Balaguer (1902-1975) gegründete Organisation waren bislang die ehelos lebenden "Numerarier", die in "Zentren" genannten Häusern zusammenleben. Bei ihnen lag bislang das Gros der Verantwortung. Die meisten Mitglieder aber zählten zu den Supernumerariern ("Überzählige"), die in der Regel verheiratet sind.
Notwendiger Mentalitätswandel
In jüngerer Vergangenheit sinkt die Zahl der Numerarier in den meisten Ländern. Damit verschiebt sich das Gewicht verstärkt auf die verheirateten Mitglieder. Der Pressesprecher des Opus Dei in Deutschland, Ulrich Nagel, spricht von einem notwendigen Mentalitätswandel. Anstatt von den zölibatär lebenden Numerariern, die vermeintlich mehr Zeit haben, "zu erwarten, dass diese alles auf die Beine stellen", müsse die Arbeit auf mehr Köpfe verteilt werden. Denn trotz eines Wachstums an Mitgliedern gingen zölibatäre Berufungen zurück.
In dem Zusammenhang nennt das Werk erstmals Mitgliederzahlen für die Region Mitteleuropa (Deutschland, Schweiz, Österreich, Ungarn, Rumänien). Demnach gibt es 837 verheiratete oder auf dem Weg zur Ehe befindliche Mitglieder (Supernumerarierinnen und Supernumerarier), 476 zölibatär lebende Mitglieder (Numerarierinnen, Numerarier und Assoziierte; unter diesen sind 53 Priester. Von den insgesamt 1.313 Mitgliedern des Opus Dei in Mitteleuropa sind 62 Prozent Frauen.
Der für Deutschland und nun auch Österreich, die Schweiz und Ungarn zuständige Regionalvikar, Prälat Christoph Bockamp, sieht daher die Zeit der Gründung großer Institutionen – zumindest in Europa – vorerst als beendet. Auch für das Opus Dei liege die Zukunft eher in kooperativer Zusammenarbeit mit anderen katholischen Gruppierungen und Institutionen. So könne das Opus Dei beispielsweise priesterliche Begleitung zur Verfügung stellen. "Eine gute Konklusion wäre: weg vom großen Überbau, hin zur Initiative des Einzelnen", so Bockamp.
In seinen ersten Jahrzehnten war das Opus Dei in Spanien äußerst dynamisch und wurde zu einer Stütze des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens. In den letzten Jahrzehnten sprechen Beobachter eher von Stagnation und einer Verfestigung zentralistischer Strukturen. Die 2022 erfolgten Eingriffe des Papstes in die kirchenrechtliche Verortung der Personalprälatur wolle das ursprüngliche Charisma des Werkes, das der Evangelisierung dienen soll, klarer zur Geltung zu bringen.
"Synodalität eingeübt"
"Ich könnte sagen, dass wir dort Synodalität eingeübt haben", berichtet Bockamp von den Regionalversammlungen, die das Opus Dei in Vorbereitung seines 100. Geburtstags 2028 in diesem Sommer durchführte. So seien weltweit gleichzeitig Fragebögen an alle Mitglieder gegangen: Was ist wichtig für das Opus Dei, die Kirche, die Gesellschaft? "Und dann haben sich Delegierte in allen Ländern zusammengesetzt und überlegt, wie wir den Weg weitergestalten wollen", so Bockamp.
Für die Zukunft des Opus Dei sei die Begleitung der jeweiligen Person mit ihren individuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt zu stellen, so Numerarier Nagel. "Auch da sind wir dem Heiligen Vater sehr dankbar, wenn er uns bittet, unser Charisma zu vertiefen", sagt er. Bei der Reform gehe es nun darum, "den institutionellen Überbau" zu reduzieren. Alles soll dem Ziel dienen, "Mitglieder und Freunde" des Opus gut zu bilden, resümiert Bockamp.
Ein wesentlicher Beweggrund für die Eingriffe des Papstes in das Opus Dei dürfte auch in einer klareren Leitungsstruktur und Kompetenzabgrenzung zwischen Klerikern und Laien sein. Dies betrifft auch die geistlichen Begleitung von Mitgliedern.
Kritiker warfen dem Opus Dei fragwürdige Strukturen bei der Führung seiner Mitglieder vor. Dabei ging es vor allem eine unzureichende Trennung von "forum internum" und "forum externum" vor – also von persönlich-geistlicher Begleitung und formaler Leitung. Hier habe sich in den vergangenen Jahren aus Formen von Bevormundung "eine Sensibilisierung hin zum Protagonismus der begleiteten Person entwickelt", berichtet Nagel.
Priester und Laien aus der regionalen Leitung stünden nun für eine spirituelle Begleitung nicht mehr zur Verfügung. Zudem soll es in diesem Bereich eine bessere Weiterbildung geben. "Aktuell haben wir beispielsweise eine interdisziplinäre Schulung mit Experten aus Psychologie, Business Coaching und Theologie für diejenigen aufgesetzt, die die geistliche Begleitung durchführen", sagte Nagel. Zudem betont er, dass der Begleiter frei zu wählen sei. Klar müsse auch sein, "dass jemand, der geistliche Bildung in Anspruch nimmt, selbst Protagonist seines eigenen Lebens ist und mit freundschaftlicher Begleitung als Christ nach und nach wachsen kann".
"Respekt vor der Freiheit der Gewissen"
Bockamp berichtet, ihn habe als jungen Menschen die Erfahrung "freundschaftlich, persönlicher Atmosphäre" beim Opus Dei angesprochen. Auch Leitung selbst habe er "nie als eine Einmischung in Gewissensentscheidungen empfunden". Jedoch habe man im Laufe der Zeit die Foren noch deutlicher voneinander getrennt. Der "Respekt vor der Freiheit der Gewissen" gehöre überhaupt zum Umgang mit Menschen, so Bockamp weiter. "Den anderen und sein Gewissen, seine Entscheidungen zu respektieren, auch wenn man sie manchmal vielleicht nicht teilt."
Noch liegen die neuen Statuten des Opus Dei nicht vor. Wesentliche institutionelle Veränderungen hat Papst Franziskus bereits vorgenommen, als er die Zuständigkeit für das Opus Dei an die Kleruskongregation übergab. Doch Institutionen scheinen für das heutige Opus Dei eher nachrangig zu sein. Ein Paradigmenwechsel? Das Ziel des "Werks" solle dasselbe bleiben, so Bockamp. Er sieht auch für die Zukunft den alten Auftrag: "Der Gründer des Opus Dei, der heilige Josefmaria, hat immer wieder gesagt, dass der große Feind des Glaubens die schlichte Unwissenheit ist. Daher ist die katechetisch-menschliche Bildung für uns so wesentlich. Wer die Offenbarung nicht kennt, Jesus Christus nicht kennt, der kommt im Glauben nicht weiter. Mein Wunsch wäre es, dass jeder Mensch in seinem Leben wenigstens einmal die Gelegenheit hat, mit einem überzeugten und glaubwürdigen Christen zusammenzutreffen. Genau diese Christen sind Früchte unserer Bildungsarbeit."