Ex-Investmentmanager zieht nach einem Jahr in Peru Bilanz

"Das Jahr hat meine Wünsche erfüllt"

Veröffentlicht am 25.07.2015 um 00:01 Uhr – Von Janina Mogendorf – Lesedauer: 
"Das Jahr hat meine Wünsche erfüllt"
Bild: © Privat
Entwicklungshilfe

Cañete ‐ Vor einem Jahr erfüllte sich Ex-Manager Walter Brüggemann einen Herzenswunsch: Er ging als Entwicklungshelfer nach Peru. Auf katholisch.de berichtete er regelmäßig über sein neues Leben. Nun geht der Aufenthalt zu Ende. Es soll kein Abschied für immer sein.

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Walter Brüggemann hat regelmäßig in einem katholisch.de-Blog über sein Leben in der Casa Santa Rosa geschrieben. Von Höhen und Tiefen, kleinen Kulturschocks, besonderen Momenten mit der Kinderdorffamilie und von seiner Arbeit, die ihm zeitweise doch wesentlich mehr Managerqualitäten abverlangte, als zu Beginn gedacht. Trotzdem sagt Brüggemann heute: "Das Jahr hat meine Wünsche erfüllt. Was ich mir vorgenommen hatte, habe ich umgesetzt. Cañete wird mich immer begleiten. Ich gehe mit einem guten Gefühl und bin bereit für einen neuen Lebensabschnitt."

Und dieser wird ihn vorübergehend wieder nach Deutschland führen. Trotzdem will er auch in Zukunft das Kinderdorf regelmäßig besuchen und die Kinder dort finanziell weiter unterstützen. "Ich habe bewusst keine einzelnen Kinderpatenschaften übernommen - dann hätte ich alle 110 Kinder und Jugendliche einbeziehen müssen, die ich ins Herz geschlossen habe", sagt er. Vielmehr möchte er dazu beitragen, dass künftig konkrete Projekte im Kinderdorf umgesetzt werden können. "Ich verlasse das Kinderdorf Casa Santa Rosa als ein Mitglied der nph-Familie und werde mich immer zugehörig und verantwortlich fühlen."

Leben in der Großfamilie

Das Leben in einer Großfamilie hat Walter Brüggemann viel Spaß gemacht. Auch wenn er als Koordinator in verschiedenen Funktionen in seinem Jahr sehr viel organisatorische Arbeit geleistet hat, so sind ihm vor allem die Begegnungen mit den Jungen und Mädchen in positiver Erinnerung. "Die dankbare Freude der Kinder und Jugendlichen, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkt, hat mir sehr viel gegeben." Ob er nun mit den Kleinen im Garten spielte, den Älteren bei den Hausaufgaben oder beim Englischlernen half oder mit den ganz Großen über ihr Studium und ihre Zukunftspläne sprach. "Das war schon etwas Besonderes für mich und ich glaube, ich konnte die Familie auch mit meiner Person in diesem Jahr ein Stück weit bereichern."

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Der Vatertag wird in Peru besonders gefeiert. Währnd die Väter an einer langen Tafel sitzen, tragen die Kinder unter anderem Gedichte und Tänze vor.

Zu den Highlights des Jahres zählt Brüggemann die großen Festlichkeiten, etwa zu Weihnachten, zum Gedenktag des Gründers Padre Wasson, die Jubiläumsfeier zum 10-jährigen Bestehen des Casa Santa Rosa oder auch zum Mutter- oder Vatertag. "Diese Tage werden hier ganz besonders feierlich begangen. Am Vatertag saßen alle 'Väter' des Kinderdorfes, also die männlichen Mitarbeiter, an einem langen Tisch und wurden richtig gefeiert", erzählt er. Die Kinder der einzelnen Häuser trugen Gedichte und Tänze für die Väter vor und überreichten ihnen persönliche Geschenke. Anschließend wurde mit allen Kindern zusammen gegessen.

Es ist diese Fröhlichkeit und die Freude am Dasein, die es Walter Brüggemann in Perú angetan haben. "Die Menschen leben hier andere Werte, im Vergleich zur westlichen Welt. Sie sind zufriedener, auch wenn sie arm sind. Und sie sind bereit zu teilen, auch wenn sie selbst nicht viel besitzen", so Brüggemann. Das habe er häufig erlebt, wenn er freitags an seinem freien Tag im Café saß. "Wenn Menschen vorbeikamen und um Kleingeld oder etwas zu essen baten, gaben alle ganz selbstverständlich. Das hat mich sehr beeindruckt."

Erinnerung an gemeinsame Kirchgänge

Auch im Kinderdorf werden die Werte hochgehalten. Besonders wichtig sind Familie, Verantwortung, miteinander teilen, die Arbeit und der katholische Glaube. "Ich habe sehr schöne Erinnerungen an die gemeinsamen Kirchgänge", erzählt Walter Brüggemann. Perú ist ein katholisches Land und die Menschen leben ihren Glauben hier sehr offen und überzeugend. Viele die zum Beispiel an einem Gotteshaus vorbei gehen, bekreuzigen sich. "Die Kinder der Casa Santa Rosa gehen jeden Sonntag den 15-minütigen Weg nach Cañete zum Gottesdienst. Auch die Tios und Tias sind dabei und nehmen die kleineren Kinder an die Hand. Dabei wird erzählt und gelacht. Das fand ich immer sehr schön."

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Walter Brüggemann hat die Kinder während seines Aufenthalts in Peru ins Herz geschlossen.

Nicht ganz so erfreulich lief es dagegen mit den Voluntarias, den anderen Freiwilligen, deren Koordinator Walter Brüggemann im zweiten Halbjahr war. "Schade, dass es mir einfach nicht gelungen ist, mit den Voluntarias ein 'richtiges' Team zu bilden", sagt Brüggemann. "Wollte man mir allein dafür die Schuld geben, so wäre das sicherlich zu einfach. Sollte es an mir gelegen haben, so habe ich dafür auf meine Rückfragen leider nie ein ehrliches Feedback von ihnen erhalten." Mit einigen der Voluntarias sei es einfach nicht möglich gewesen, die für ein Team notwendige Beziehung aufzubauen und den Funken überspringen zu lassen.

Walter Brüggemann hat in den letzten Wochen Freizeiten mit den Kindern organisiert, wie zum Beispiel ein Basketballturnier, aber auch Dame-, Mühle und Schachturniere. "Als Anreiz bekommen die Finalisten eine Einladung für einen gemeinsamen Kinobesuch mit mir - der Kinobesuch ist etwas Besonderes für sie. Mit den kleineren Kindern spiele ich am letzten Tag Topfschlagen mit kleinen Geschenken." Zum Abschied plant Walter Brüggemann eine Abschiedsfeier mit allen Kindern und Mitarbeitern des Dorfes, von denen viele echte Freunde geworden sind. "Es wird 'Pollo a la brasa' geben – also Hähnchen vom Grill und ich habe eine kleine Rede vorbereitet."

Kein Abschied für immer?

Der Abschied von den Kindern wird ihm schwer fallen: "Schon allein das tägliche 'Hola! Tio Walter' wird mir fehlen." Derzeit kann er sich nicht vorstellen, wieder vollständig in sein altes Leben zurückzukehren und als Manager einfach dort weiterzumachen, wo er vor seinem Jahr im Kinderdorf aufgehört hat. "Ich schließe das Jahr in Cañete mit einem guten Gefühl ab, aber ich glaube nicht, dass ich mit Perú abschließen werde." Im Gegenteil hat er bereits eine Geschäftsidee, die ihn schon bald wieder in das Land der Anden und der Regenwälder, der Panflöte und der herzlichen Menschen zurückbringen könnte, das ihm so ans Herz gewachsen ist.

Das Porträt

Was bedeutet es, in der Mitte seines Lebens Beruf, Freunde und Familie hinter sich zu lassen und in ein großes Abenteuer am anderen Ende der Welt zu starten? Der langjährige Manager Walter Brüggemann hat es getan und ist als Entwicklungshelfer nach Peru gegangen.
Von Janina Mogendorf