Durch Bürgerkrieg haben viele das Land verlassen

Patriarch: Christen haben nach Machtwechsel in Syrien Angst

Veröffentlicht am 02.01.2025 um 19:46 Uhr – Lesedauer: 

Bagdad ‐ Der syrische Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt – doch was nun? Die Christen im Land haben Angst. Der chaldäisch-katholische Patriarch hofft, dass die neue Regierung die richtigen Entscheidungen trifft.

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Nach dem Machtwechsel in Syrien zeigen sich die Christinnen und Christen in der Region zunehmend besorgt. Die Ereignisse in Syrien hätten auch Auswirkungen auf die Nachbarländer, erklärte der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Sako in einem Interview mit dem vatikanischen Nachrichtenportal "Vatican News". "Es herrscht Angst unter den Menschen, und man fragt sich, welche Konsequenzen dieser Wandel für den Irak haben könnte", so Sako. Er bezeichnete die Machtübernahme der Rebellenallianz unter Führung der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) und den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad als "eine große Überraschung" für die Syrer und den gesamten Nahen Osten.

Die syrische Übergangsregierung unter Mohammad al-Bashir, die nach dem Sturz des Regimes von Präsident Baschar al-Assad eingesetzt wurde, versprach, die Rechte aller Menschen und Konfessionen in Syrien zu respektieren. Es sei zu hoffen, dass dies aufrichtig sei, meinte Sako. Unter Christinnen und Christen herrsche jedenfalls Skepsis; Hintergrund ist die Verbindung der führenden Rebellengruppe HTS zur Terrorgruppe al-Qaida. Der chaldäisch-katholische Patriarch betonte im "Vatican News"-Interview trotz allem seine Zuversicht: "Wir hoffen, dass die neue syrische Regierung die richtigen Entscheidungen trifft, um das Land und die Bürger, die bisher stark gelitten haben, zu schützen."

Die Zahl der Christen in Syrien ist seit Beginn des Bürgerkriegs drastisch gesunken, berichtete das asiatische Portal UCA News: von etwa 1,5 Millionen im Jahr 2011 auf nur noch 300.000 im Jahr 2022. Mehr als 120 christliche Gotteshäuser wurden seit 2012 zerstört. Auch der Irak erlebte ähnliche Entwicklungen, als während der Herrschaft des "Islamischen Staates" Zehntausende Christen flohen. Rund 60 Prozent von ihnen kehrten nach der Befreiung 2017 zurück, "die anderen blieben in Kurdistan, wo sie eine neue Heimat und einen neuen Arbeitsplatz fanden", erläuterte Sako.

Keine Grundlage für nachhaltige Stabilität

Trotz der Rückkehr vieler Christen sieht Kardinal Sako keine Grundlage für eine nachhaltige Stabilität im Irak. "Es gibt keine Bedingungen für dauerhafte Sicherheit und Stabilität, um in Freiheit und mit Respekt für die Rechte zu leben." Zusätzlich hätten die Anwesenheit bewaffneter Milizen, die alles kontrollieren, und auch der tragische Brand vom 26. September 2023, bei dem während einer Hochzeit in einem Empfangssaal in Karakosch 133 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden, eine starke Auswanderungsbewegung ausgelöst.

Die interreligiösen Bindungen sind laut Sako im Irak sehr lebendig, "auch wenn wir nicht oft die Gelegenheit haben, uns zu treffen, weil das Umfeld es nicht zulässt, reden wir doch oft". Christen würden trotz der Hindernisse freundschaftliche Beziehungen zu Schiiten, Sunniten und anderen Religionsgemeinschaften pflegen und hätten daran gearbeitet, den Hass zu besiegen. "Das Problem sind nicht die religiösen Führer, sondern die Politiker", so der Patriarch wörtlich.

Den Beitrag der Religionen zum Frieden erklärte er mit deren Auftrag, ein freies, liebevolles Verhältnis zu Gott zu fördern. Keinesfalls dürften sie zu einem politischen Instrument werden, kritisierte Sako jeden Fundamentalismus. Der Kardinal forderte zudem auch eine Trennung von Religion und Staat und begründete dies mit deren "unterschiedlichen Realitäten": "Religion ist für den Einzelnen da und der Staat ist für alle da. Der Staat darf keine Religion haben." (KNA)