Standpunkt

Wenn man dem Bösen die Bühne erst miterschafft

Veröffentlicht am 06.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Volker Resing – Lesedauer: 

Bonn ‐ Ein Lyriker wirft Friedrich Merz vor, er vollziehe nicht nur strategisch eine Annäherung an die AfD. Volker Resing kommentiert, dass man mit solchen Aussagen selbst dem Bösen die Bühne miterschafft. Eine Einengung des Diskursraums befördere das.

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Zu dem, was unter dem "Konzept von Kultur" zu verstehen sei, gehöre eine "permanent bewegte Dialogizität unterschiedlicher Denkweisen und Traditionen", erklärt der Literaturwissenschaftler und Lyriker Heinrich Detering in einem Interview mit der "Herder Korrespondenz". Dieses Verständnis von Kultur setzt er ab von dem Begriff einer "deutschen Leitkultur", welche die CDU propagiere und womit sie "unweigerlich" bei einer "völkischen Identität" lande. Das sei das "Verheerendste", was die CDU zugunsten der AfD unternommen habe.

Es stellt sich natürlich die Frage, wie bei so einer harschen Verurteilung noch die von Detering gewünschte "Dialogizität unterschiedlicher Denkweisen" möglich sein soll. Die CDU ist die derzeit nach Umfragen stärkste politische Kraft in Deutschland. Sie und ihr Vorsitzender Friedrich Merz haben nun nach dem Urteil des Wissenschaftlers den "Denk- und Redeweisen der AfD den Zugang in die Mitte der Gesellschaft" eröffnet. Kleiner geht es nicht, mag man da fragen?

Der ehemalige Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung wirft dem CDU-Chef Merz vor, diese Annäherung an die AfD nicht nur strategisch zu vollziehen, sondern vielleicht sogar "aus Überzeugung" zu handeln. Schließlich hält er Äußerungen von Merz für "islamophob" und "gewollt oder nicht" auch für "antisemitisch". Wirklich?

Das Verstörendste sind nicht Deterings Äußerungen selbst, so abwegig sie auch sind. Das Verheerende ist, dass Detering, der gewiss stets das Gute will, doch gerade in diesem hohen Ton selbst dem Bösen die Bühne erst miterschafft, so wie er es anderen vorwirft. Es ist diese Einengung des Diskursraums unter dem Banner von Pluralität und Vielfalt, es ist die maßlose Diskreditierung der politischen Mitte, die es gerade befördert, so dass Teile der "Mitte der Gesellschaft" sich entnervt abwenden von diesem moralischen Diskurs der Ausgrenzung politisch Andersdenkender. Denn die Probleme, um die es geht, werden gar nicht angesprochen. Sie bleiben wie Teufelszeug nur in den Zwischenräumen lesbar.

Detering ist konvertierter Katholik, schwärmt von der Heiligen Messe und von der "bunten Polyphonie" der katholischen Kirche. Katholisch zu sein heiße, "nicht stalinistisch zu sein in theologischen Fragen", sagt er. Aber demokratisch zu sein heißt dann, nicht stalinistisch zu sein in politischen Fragen.

Von Volker Resing

Der Autor

Volker Resing leitet das Ressort "Berliner Republik" beim Magazin "Cicero". Am 13. Januar erscheint sein Buch "Friedrich Merz. Sein Weg zur Macht" (Verlag Herder).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.